20140326

Fall 1 - XXII

Ich drücke den armen Kerl hart gegen die Wand hinter ihm, mein Ellenbogen immer noch an seinem Hals.

Mann - Bitte...*keuch*...ich habe nichts getan

Zeichner - Das wird sich noch zeigen.

Frau - Was wollen sie von uns?!

Zeichner - Als ich die Treppe hochkam, haben sie nach draußen geschaut. Als ich aus Nr.12 kam, haben sie rausgeschaut. Sie haben eine Vorliebe zum Zugucken, oder?

Mann - Und? Das ist kein Verbrechen.

Mit seiner etwas ungehaltenen Antwort drücke ich ihm nochmal meinen Ellenbogen in den Hals, was ihm offensichtlich unangenehm ist. Er läuft leicht an und bekommt Probleme, Luft zu bekommen.

Zeichner - Beantworten sie die Frage!

Mann - *spotz keuch hust* ....kay....okay. Ja....ja doch, ich glotz halt gern.

Zeichner - Was haben sie gesehen?

Mann - Von was?

Zeichner - Die Wohnung gegenüber wurde erst verwüstet und dann ausgeräumt. Sie schauen gerne, wer auf ihrem Flur umherläuft. Ich will wissen, was sie gesehen haben. Oder muss ich erst unsanft werden?!

Mann - Bitte nicht! Ich hab....ich hab sie gesehen!

Zeichner - Und wann?

Mann - Vor ´ner Woche oder so. Und die Jungs von den Blazing Skulls auch.

Zeichner - Die Muskelbepackten Volltrottel?

Mann - Die Whitepower-Gruppe.

Zeichner - Und dann?

Mann - Dann habe ich gesehen wie sie von den Leuten raus geschleppt wurden.

Zeichner - Weiter.

Mann - Was...?

Zeichner - Seitdem sind zwei Wochen vergangen, Mann. Was ist noch passiert? Wann wurde die Wohnung ausgeräumt und von wem?

Mann - Naja, ein paar Stunden nach ihnen und den Skulls ist eine junge Frau in einem so ´nem Kostüm, wie die scharfen Tänzerinnen in Rio aufgetaucht und hat ein paar Tüten voll Zeugs aus der Wohnung geholt.

Zeichner - Geht die Beschreibung nicht etwas genauer?

Mann - Ich hab nur kurz hingesehen, immer wenn ich dachte das man einen Blick riskieren könnte.

Zeichner - Strengen sie ihren Kopf an!

Frau - Er hat doch gesagt, mehr kann er nicht

Zeichner - Halten sie sich da raus.

Ich drücke sie mit dem anderen Arm etwas stärker gegen die Flurwand. Er hat einen sichtbaren Schweißausbruch.

Mann - Äh...Ähh..sie hat so ein Schuppenkleid getragen!

Für den Moment lasse ich meinen Griff etwas lockerer.

Zeichner - Wie bei einem Fisch oder wie bei einer Schlange?

Mann - Schlange! Definitiv wie bei einer Schlange! So richtig enganliegend.

Ich mache mir eine mentale Notiz. Derartige Kleidungsstücke können teuer sein, wenn sie nicht gerade Karnevalsware sind und das wiederum heißt meistens, dass es irgendwo ein Kostümhandel greifbar ist, der mehr sagen kann. Denn ansonsten sind sie Einzelanfertigungen.

Zeichner - Und sonst?

Mann - Danach kam eine Gruppe von Asiaten, die alles auseinander genommen hat. Alles. Man konnte bis hier hören, sie sie durch die Wohnung gingen und dabei alles auseinander genommen haben, was nicht angenagelt war und vermutlich selbst das.

Zeichner - Nur Asiaten?

Mann - Nein, eine Frau war auch dabei. So ne richtig scharf AU...also ja, da war ne Tussi dabei.

Zeichner - Bikerklamotte, so Lederjacke und Jeans?

Mann - Mann, keine Ahnung, so sehr hab ich da nicht drauf geachtet...

Zeichner - Was passierte dann?

Mann - Naja, die Tussi wurde megastinkig, als die Asiaten mit ihr geredet haben, und dann haben sie, und ich schwöre, das ist mein voller Ernst, den Toten hochgeholt und mehrfach geschlagen und angebrüllt. Ich dachte, ich seh nicht recht, aber das war ernsthaft der Damir wie er da von denen hochgeholt wurde. Und dann haben sie ihm eine Automatik durchs Gesicht gezogen und daraufhin wurde er ganz schlaff und sie haben ihn wieder mitgenommen, als sie abgehauen sind.

Zeichner - Ich vermute mal, das waren die letzten?

Mann - Ähh...nicht ganz. Da war noch ein Herr, etwas älter, so einem dicken dunklen Mantel und Filzhut und Koffer an seiner Seite, graues Haar an den Rändern, ganz hart geschnitten, der kam von rechts aus dem Hausflur und ging kurz in die Wohnung, kam dann wieder raus und als er gerade an der Treppe steht, guckt er genau in meine Richtung und da hab ich mich direkt erst mal geduckt, und als ich mich getraut habe wieder hoch zu gucken, war er weg.

Es kommt mir bekannt vor, aber ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher.

Zeichner - Seitdem niemand mehr?

Mann - Außer ihnen heute, nicht, nein.

Zeichner - Sie sollten in Zukunft aufhören, ihren Mitmenschen nachzuspionieren. Das kann böse an die Gesundheit gehen.

Ich lockere den Ellenbogen an seinem Hals, nehme ich ganz weg, drücke sie auch nicht mehr gegen die Wand, wobei sie plötzlich auf den Hintern zu Boden fällt und schwer nach Luft ringt.

Zeichner - Der alte Mann kam aus dem Flur. Von welcher Wohnung?

Mann - Die Mac`Owells und die Vanderbiers.

Ich öffne die Haustür. Wende mich den beiden zu, die sich anfangen, umeinander zu kümmern, mich dabei aber immer wieder unter nervösen Blicken anschauen.

Zeichner - Ich empfehle ihnen, hier auszuziehen, das ist eine gefährliche Gegend.

Trete auf den Hausflur, und schließe die Tür hinter mir. Marschiere hinüber über den Flur zu den genannten Wohnungen. Nur die Nummern, keine Namen an den Klingeln. Ich drücke bei der letzten Tür auf der rechten Seite die Klingeln.

Es dauert einen Moment, ehe ich eine muffige Stimme höre.

Stimme - ´Hullo?

Zeichner - Mr....Vanderbier? Amt für Baustruktur und Instandhaltung.

Stimme - Was wollen sie?

Zeichner - Wir überprüfen momentan alle Wohnungen in der Gegend auf ihre strukturelle Stabilität. Würden sie Tür öffnen, wir reden ungern durch eine Barriere.

Stimme - Tür bleibt zu. Hier ist alles sicher. Sie brauchen hier nichts prüfen.

Zeichner - Wie sie meinen. Aber kommen sie nicht zu uns, wenn ihnen das Gebäude überm´ Kopf  einstürzt.

Keine weiteren Geräusche von innen. Nächste Tür. Letzte Tür auf der linken Seite.

Es dauert einen Moment, bis ich bemerke, dass nach dem Drücken des Klingelknopfes gar kein kaum vernehmbares Klingelgeräusch im Inneren der Wohnung erfolgt. Hmmm. Ich drücke die Tür sanft nach innen, während ich den Knauf drehe. Nicht abgeschlossen.

Als ich die Tür öffne, tritt mir ein unangenehmer Gestank entgegen, wie eine Wolke. Leicht süßlich, aber in der Art, dass ich mich am liebsten übergeben möchte. Der Geruch wird nur stärker, als ich den Flur trete, und im Wohnzimmer hinauskomme. Der laufende Fernseher, ein uraltes Farbgerät aus den späten Sechzigern und ein altes Ehepaar, das gemeinsam auf dem Sofa aneinander gelehnt auf das rauschende Bild starrt. Ohne sich umzurühren, sich zu drehen, als ich hinter die beiden trete. Der Gestank ist hier am stärksten. Der Anblick ist ekelerregend.

Jemand hat die beiden mit einer einzigen Kugel in den Kopf hingerichtet und, den Blutflecken auf dem altmodischen Teppich zu urteilen, so platziert, dass nicht sofort offensichtlich wird, dass sie tot sind, wenn jemand herein kommt. Er kam also von hier. Im ersten Moment bin ich noch skeptisch, aber das wird hinweg gewischt, als ich bemerke, dass auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa und neben den beiden Sesseln mehr als nur zwei Teetassen stehen. Zwei sind unangerührt, eine dritte ist leer auf ihren Teller gestellt.

Mit einem Taschentuch vor dem Mund, verlasse ich die Wohnung. Meine Spur geht woanders weiter.

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