20140504

Fall 1 - XXXII

Ehrlich gesagt ist mir eigentlich fast jede Richtung recht, solange es nicht bedeutet, dass ich erneut an den Toten vorbei muss. Fangen wir links an. Etwas seltsam scheint ja zu sein, dass nachdem er und ich durch den Matsch gelaufen sind, der die Wiese ausmacht, wir kaum Spuren auf dem steinernen Untergrund hinterlassen haben. Müsste hier nicht überall eine Spur von matschigen Abdrücken sein? Seltsam.

Der Tunnelweg verläuft recht lange entlang derselben Richtung. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht zwischendurch mal die eine oder andere Verschiebung in der Höhe bemerkbar ist, aber es kann nicht sehr massiv sein auf der langen Strecke, denn bemerken kann ich nichts davon.

Es dauert ein Weilchen, bis ich das Geräusch im Hintergrund einsortieren kann, das stetig wie ein Wummern oder Hämmern, immer am Rand des Bewusstseins vor sich hin arbeitet. Fertigungsmaschinen. Irgendwo vor mir oder um mich herum ist eine Fertigungshalle. Etwas das mit schwerem Gerät arbeitet. Das Geräusch wird von vorne etwas lauter. Trotz der Dunkelheit. Ob da eine Öffnung ist?

Inzwischen haben auf dem Gang die jeweiligen Beleuchtungen ihren Geist aufgegeben und ich muss mich mit dem spärlichen Licht des Telefons rumschlagen, das eher dürftig den Weg vor mir beleuchten kann. Es ist, als ob man dem Pfad eines motivationslosen Glühwürmchens folgen will.

Der Lärm wirkt inzwischen ohrenbetäubend laut. Ich bin mir ziemlich sicher, noch kein Ende des Tunnels erreicht zu haben, habe aber schon das Gefühl, das mir selbst mir Stöpseln im Ohr noch das Wummern der Maschinen in den Knochen vibrieren würde. Jeder Moment ist wie ein Hammerschlag gegen meinen Schädel.

Da vorne! Der Tunnel endet im Übergang zu einem metallenen Steg mitsamt einfachem Seitengeländer. Im weißlich-blauen Licht des Telefons wirkt das Geländer als ob es einem seltsamen blauen Schein unterliegt. Kaum heraus zieht der Lärm nochmal an. Ich werd hier taub, wenn ich zu lange herum laufe. Ohrenbetäubender Lärm aus allen Richtungen. Soweit das Licht überhaupt etwas andeutet und ausgehend von den Dutzenden und Aber dutzenden kleinen Lämpchen und Lichtern die in der gesamten Umgebung leuchten, müssen hier diverse Maschinenabschnitte stehen, welche dafür sorgen, dass eine Maschinerie in Gang gehalten wird. Aber zu welchem Zweck, ist mir schleierhaft. Lege meine Hände an die Seite des Kopfes, damit ich nicht durchgehend dem infernalischen Tönen ausgesetzt bin. Es ist etwas besser, aber nicht wirklich viel.

Ein paar weitere Schritte tiefer hinein in diese Fertigungshalle kann ich sehen, dass es links von mir über eine Treppe nach oben zu gehen scheint, während rechterhand eine andere Treppe wiederum nach unten führt. Ausgehend davon, dass ich mich momentan anscheinend in einem Untergrund-Bereich einer Industrieanlage befinde, verstehe ich nicht so recht, was Fouquier hier zu verstecken hofft?  Oder ist er gar selber hier? Ist dies so eine Art von Unterschlupf für ihn oder in Wirklichkeit Teil dessen, was er als Besitz zusammen mit dem Anwesen hat?

Hmm. Jetzt wo ich so drüber nachdenke, wird mir erst recht bewusst, wie wenig ich über den Mann eigentlich weiß. Ich werde mehr herausfinden müssen. Der Griff um die Pistole wird etwas enger, aber ich bin mir nicht so sicher, ob das Gefühl von Sicherheit, das sie mir gibt, auf Dauer so sinnvoll ist, besonders wenn ich daran denke, welche Erfahrung ich bisher damit gemacht habe. Gut, das eine Mal wo sie gegen mich eingesetzt wurde, war jetzt hoffentlich mehr eine Ausnahme.

Ich drehe mich nach rechts zur Treppe welche hinunter führt. Sachte, Schritt für Schritt, Meter für Meter, als ich bemerke, wie ich auf etwas leicht glitschiges trete. Mein Fuß schliddert nach vorne, mein Gleichgewicht ist dahin, ich reiße die Hände von den Ohren auf der Suche nach etwas das ich greif kann, nur um zu bemerken, wie ich mit Telefon in der einen Hand und der Pistole in der anderen nichts ergreifen kann ohne eines von beiden in der Dunkelheit aufzugeben. Mit einem unsanften Stoß lande ich auf meinem Rücken, der sich unangenehm gegen die stählerne Treppe wehrt und rutsche gleichzeitig aufgrund diverser weiteren anscheinend nassen Stellen tiefer.  Geistesgegenwärtig haue ich für die Pistole die Sicherheit rein und reiße mir die Hände vor das Gesicht, als ich bemerke wie ich hinab rutsche und einem Ball gleich die Treppe hinabstürze.

Es dauert nur einen kurzen Moment, bis ich mit Gewalt gegen eine Wand aufkomme. Immerhin scheint sich für mich eine gewisse Gewöhnung einzustellen, denn meine Gelenke sind eher taub denn schmerzend, während mein Bauch sich irgendwie anfühlt, als würde jemand eine Stricknadel mit aller Gewalt hineinbohren wollen und hätte gerade das Rückgrat erreicht.

Nur langsam komme ich hoch. Super. Dem Mobiltelefon hat es das Display zerrissen. In einer seltsamen Ansammlung von kleinen Fäden und Rissen zieht sich ein Bruchmuster über den Bildschirm und es ist absurd zu glauben, dass man auf dem Display noch irgendwas erkennen kann. Immerhin, in der anderen halte ich noch die, inzwischen gesicherte, Pistole. An der Wand abstützend, muss ich mich hochraffen. Habe irgendwas im Mund, was mit einem kurzen Auswurf an der Wand landet. Großartig. Rötlicher Auswurf. 

Konzentrieren wir uns auf andere Dinge, denn es ist ja nicht so, als ob die Hintergrund-Tonkulisse mir ja auch sonst schon nicht das Trommelfell zerreißt. An der Wand entlang sehe ich einige Meter entfernt, die Wand scheint ein fast reiner Betonguss zu sein, eine dicke Metalltür, wie ich sie sonst von einem Hochofen vermuten würde. Ein Sichtfenster ist drin. Es klemmt. Mit etwas Druck erneut versuchen. Und ZIEHEN! 

HAU.

RUCK!

HAU.

RUCK!

Mit krachendem Gescheppere, was schon im Industrielärm untergeht, knallt der Sichtschutz  zur Seite und gibt den Blick auf das Innere frei.

Ich wünschte mir in diesem Moment, ich hätte nicht hineingesehen.

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