20160124

Fall 1 - XLIV

Radio
…kommen wir nun zum Wetter. Wie bereits gestern begonnen, verschiebt sich das Sturmtief weiter und es droht weiter schwerer Nied…… and my Imagination will drive around tha …. ….. im Studio sitzt neben mir gerade der Psychologe Karol Ranken und wir sprachen über menschliche Wahr…. ….IN THE END IT DOESN´T EVEN MAAAATTEEEERRR…



Vergiss es. Läuft auch nichts Sinnvolles um diese Uhrzeit. Mit einem einfachen Druck schaltet sich das Radio so schnell wieder aus, wie es anging. Inzwischen muss ich schon die Scheibenwischer anmachen, der Regen kommt so stark, dass man meint, wir wären in einem Wolkenbruch. Die eher schwachen Scheinwerfer tun ihr übriges, um die Welt in ein Farbenspiel von Gelb, Weiß und Grau zu verwandeln. Vor den Fenstern zieht die Welt vorbei.



In einiger Entfernung sehe ich Straßenschilder auftauchen. Wir müssen bald zur Einengung kommen. Da, wo letzte Nacht die seltsamen Typen Ibrahim und mich verfolgt haben. Es kommt mir so unwirklich vor. Der Gedanke, dass jemand uns verfolgt hat und dabei einen solchen Unfall erlitt. Was ist das?



Lichter in der Entfernung. Orangefarbene Warnblinker. Eine…ausgeschilderte Unfallstelle? Werde langsamer, und ziehe wie in Trance an dem Durchbruch vorbei, an dem zu diesem Zeitpunkt ein Wagen, ein Kranfahrzeug und diverse Arbeiter stehen und dabei sind, etwas aus den Tiefen zu ziehen. Irgendwo auf dem Wasser, vor den Klippen, kann man das Leuchten eines Bootes erkennen, vermutlich irgendwas in Richtung Küstenwacht. Aber so schnell wie es aus dem Dickicht des Regens auftaucht, verschwindet es auch wieder.



Wie Surreal.



Die Straße teilt sich wieder in mehrere Spuren auf. Endlich. Von vorn kommt ein einsames Licht. Ein Fahrzeug auf der Gegenspur. Normalität. Ein Lastwagen. Er zieht im Regen an mir vorbei, und ist verschwunden ehe ich drüber nachdenken kann. In der Ferne sind die ersten Entfernungsschilder ersichtlich. Es ist nicht mehr weit bis zur Stadt. Aber wohin will ich wirklich fahren?



Ein Arzt wäre jetzt ganz sinnvoll. Aber ein Krankenhaus? Es wäre vermutlich die beste Lösung, aber sie würden fragen, warum ich Verletzungen habe, die an Schusswunden erinnern. Oder was mit der Frau auf meiner Rückbank ist. Und wenn ich dann anfange, von den Ereignissen rund um Fouquíer zu erzählen…lieber nicht. Am Ende gibt es nur Probleme mit der Staatsmacht. Also eine andere Quelle. Wen kenne ich noch…das Mädel bei Spritzer! Candy!



Wie hieß der Typ noch den sie erwähnt hat? Irgendwas mit D? Dorn? Torn! James Torn… genau, irgendwas mit Arzt war da doch...egal. Es ist besser, als wenn ich jetzt auf die Schnelle Aufmerksamkeit auf mich ziehe, indem ich versuche woanders einen Hinterhof-Chirurgen aufzutreiben. Bei den Docks hat sie gesagt. Puhh. Einfacher gesagt als getan. Aber vielleicht…vielleicht kann man mir dort weiterhelfen.



Mit einer fließenden Bewegung reiht sich mein Fahrzeug in den Verkehr ein, der, je näher wir der Stadt kommen, immer stärker wird, und wir verlassen die Oberstraße mit der Abfahrt zu den Docks. Ein Parkplatz inmitten von Containerstellplätzen sollte fürs erste reichen, und mit laufendem Motor kommen wir zum Stehen. Die brennende Mülltonne am Rande des Parkplatzes zieht auf geradezu magische Weise meinen Blick an.



Die Autotür knallt zu, und der Kies knirscht leicht unter meinen Füßen, während ich versuche den größeren Pfützen und Wasserlöchern auszuweichen. Die beiden um die Tonne stehenden Penner, welche sich unter dem Überhang eines offensichtlich seit längerem nicht mehr genutzten Containers versuchen vor Wind und Regen zu verbergen, schauen argwöhnisch in meine Richtung, als ich mich ihrer Tonne nähere. Kein Wunder, ich würde an ihrer Stelle vermutlich nicht anders reagieren. Hebe meine Hände, zeige dass ich unbewaffnet bin. Nähere mich der Tonne weitere, bis unter den Überhang, und reibe die Hände aneinander. Sie machen mir Platz. Erlauben mir, mich in diese Gesellschaft der Verlassenen einzulassen.



Bei näherer Betrachtung ist die Kombination aus dicker Winterjacke und zerschlissenen Sportjeans in mehreren Lagen den Man zu meiner Linken vermutlich nicht warm genug, während der zu meiner rechten unter dem löchrigen Business-Mantel eher noch schwitzen müsste, wenn er denn darunter noch was anhat. Nicht dass ich wissen will, ob. Oder was. Bitte sei nicht nackt unter dem Mantel. Konzentration!



Zeichner
Tja. Ähhh…..



Sie rümpfen beide, recht unabhängig voneinander die Nase, Der eine schaut in meine Richtung, der andere schüttelt nur den Kopf. Das leichte Müllfeuer beleuchtet mit einem geradezu diabolischen Schein sein hageres, zermartertes Gesicht. Die Nase ist schief, wenn überhaupt, und offensichtlich mehrfach gebrochen worden, während verschieden Striemen und Furchen in der Haut auf eine brutalere Lebensweise deuten. Das blanke und weißliche Starren des rechten Auges lassen mich vermuten, dass der Mann Blind sein könnte.



Penner Rechts
<Öffnet den Mund>….



Hat er was gesagt, oder wollte er mir damit anzeigen, dass er nicht zu mir sagen wird?



Zeichner
Sorry. Das habe ich nicht so recht…



Penner Links
Was willst du.



Zeichner
Ich suche Doktor Torn. Ihr wisst nicht zufällig, wo hier an den Docks der Mann seine Klinik hat?



Sie beginnen ruckartig zu lachen. Dunkler, klumpenförmiger Speichel entweicht ihren Lippen, während sie in halber Schnappatmung nach Luft ringen müssen, weil ich offensichtlich gerade den besten Witz gemacht habe, den sie seit Jahren gehört haben.



Penner Rechts
Woher sollen wir das wissen? Bist´n Bulle?!



Zeichner
Nein Nein! Nichts dergleichen. Ich bräuchte seine Hilfe….für einen Freund.



Er mustert mich kritisch. Könnte fast meinen, dass es ein schnippisches Lächeln ist, das er versucht. Die plötzliche Hand auf meiner linken Schulter lässt mich reflexartig herumfahren.



Zeichner
FASS MICH NICHT AN.



Ich starre ihn an. Starre ihn direkt an. Er wird ganz klein auf einmal. Guckt weg. Hat erkannt, dass er zu früh auf zu viel Nähe gesetzt hat.



Penner Links
Sorry.



Penner Rechts
Motz Lenny nicht so an. Er hat´s nicht so mit Menschen. Dein Doktor. Ist da was für uns drin, wenn wir dir helfen?....Für deinen Freund.



Ich hasse diese Stadt. Ich hasse diese Menschen, die immer denken, dass alles im Leben ein ewiges Geben und Nehmen ist, die glauben das, wenn sie nur lange genug am Baum schütteln, schon irgendwann was für sie abfällt.



Ein kurzer Blick in meine Innentaschen verrät mir, dass nicht mehr viel übrig ist. Gähnende Leere. Maximal noch ein Feuerzeug. Heyyyy….

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