20161005

Fall 1 - LVIII

Während ich darauf warte, dass die Person hinter der spanischen Wand soweit ist, einmal die Räumlichkeit sondieren. Der Schminktisch ist über und über mit seltsamen Farben und kleinen Werkzeugen besetzt, als würde man sich darauf vorbereiten, Folterwerkzeugen zu sammeln. Der Spiegel, der als Teil desselben sich oben anschließt, ist nur noch an wenigen Stellen wirklich blank und reflektiert vielfach nur noch ungenau, und auch das nur an den Stellen, die nicht mit Zetteln oder Fotos verklebt wurden.

Die spanische Wand selbst hat ein illustres Schwarz in verschiedenen Abstufungen als Farbenmuster das von goldenen Zweigen und Ästen ein- und umrahmt wird. In diesem Augenblick wird der obere Teil von einem dunkelblauen Kleidungsstück bedeckt, das unsanft über den oberen Teil der Abdeckung geworfen wird, die nicht ganz hoch genug reicht, um den dahinter immer wieder hervor lugenden Rotschopf zu verbergen, aber eben doch, um die Person zu verstecken, und nicht gleichzeitig noch mehr zu enthüllen oder eben an die Decke zu stoßen.

Auffällig, das Schuppenmuster. Und mit den Bändern, wenn da nicht noch etwas Stoff auf der anderen Seite dran hängt, verbirgt das ja weniger als ein Bi….

Ein Blick zur Tür. Kein Name, klar, nicht der hellste Stern hier drinnen. Mit einem Schritt drücke ich die Tür trotzdem zu, was aber auch wiederum nicht leise geht. Schon als diese zufällt, hört man, das sie aufhorcht.

Spanische Wand – Hmm?

Setze mich auf den Stuhl beim Schminktisch, räuspere mich vernehmlich. Mache aufmerksam, dass ich immer noch da bin. Professionell.

Die Wand wird beiseite gedrückt. Die Dame vor mir, Ende 30, in eben dem roten Seidengewand, das ich eben durch gereicht hatte, ist umwerfend. Der volle rote Mund und der Schlafzimmerblick, die langen Wimpern, fast schon stetig zwinkernden Augen, der Körper der einen Mann zum Primaten werden lässt. Sie guckt mich fragend an, drückt sich aber trotzdem an mir auf den Schminktisch, und fängt an, sich die Lippen nachzuziehen.

Dame in Rot – Wer sind sie?

Zeichner – Du bist Matti?

Sie nickt, drückt die Lippen noch ein paarmal aufeinander. Einmal der Lippenstift….Konzentration. Sie bückt sich vor mir, und hält den aufreizenden Hintern in mein Gesicht, während sie nach Schuhen kramt, wie um mein Gesicht nicht zu sehen, während sie antwortet.

Dame in Rot – Jap.

Zeichner – Was hast du mit Tatiannas Sachen gemacht, die du aus Mokhovs Wohnung geholt hast?

Sie bewegt sich nicht mehr. Im Hintergrund können wir die Betriebsamkeit vor der Tür auf dem Korridor hören, das Leben des Neptuns und seiner Angestellten. Ein Schweißtropfen geht mir langsam die Stirn herunter. Betont langsam kommt sie hoch und dreht sich um. Blickt mich an. Die Augen sind zusammen gekniffen, entweder um mich zu fokussieren oder mir einen billigen bösen Blick zuzuwerfen? Sie scheint mich zu bewerten.

Dame in Rot – Ich weiß nicht, wovon sie sprechen.

Zeichner – Mokhov war plötzlich weg. Eingesackt von Smetnik. Du bist in seine Wohnung, und hast was mitgenommen. Etwas, das du nicht für dich mitgenommen hast.

Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück, setze ein Bein auf das andere, um bequemer und dominanter zu sitzen. Ihr zu zeigen, dass ich Bescheid weiß. Sie schaut auf den Schminktisch, zieht eine Schublade auf. Im selben Moment greife ich in die Seitentasche, ohne etwas herauszuholen. Halte das erstbeste, das ich zu greifen bekomme, fest. Meine Brieftasche.

Zeichner – Na! Wer wird denn…

Sie knirscht mit den Zähnen, seufzt. Holt dann langsam und bedächtig Feuerzeug und eine Schachtel Black Sticks-Zigaretten raus. Billigmarke. Sie zieht sich eine heraus, und platziert sie zwischen ihren Lippen, reicht mir dann die Packung. Halte den Kopf nach vorne. Sie drückt mir die Packung gegen die Zähne, ich beiße zu. Sie zieht weg, und ich habe auch eine Zigarette im Mund. Mit dem Klicken ihres Feuerzeugs entzündet sie ihre und meine, und nimmt einen tiefen Zug. Ich entspanne „sichtlich“, und hole die Hand, nachdem ich losgelassen habe, aus der Tasche. Um ihr zu zeigen, wenn ich etwas dabei gehabt hätte, es nicht heraus hole.

Dame in Rot - Ich dachte, dein Boss und mein Boss haben einen Deal? Matthews läßt uns in Ruhe, und bekommt doch einiges pro Monat dafür.

Sieh an, sieh an. Ein Geschäft unter Freunden, eh. Spritzer dealt mit dem Neptun. Wer weiß, wo Matthews, und damit indirekt Altenstamm, noch so seine Finger drin hat? Und da schon Matthews mich zu Fouquier verwiesen hat, als es um Tatianna ging, vielleicht war sie…mit diesem…lassen wir das.

Zeichner – Ich bin nicht wegen des Geldes hier. Was hast du mitgenommen?

Sie verschränkt die Arme. Man merkt ihr an, dass es ihr unangenehm ist, darüber zu reden. Sie braucht einen letzten Schubs, um aus sich heraus zu kommen. Ich beuge mich freundlich vor. Muss ein Grinsen unterdrücken.

Zeichner – Matti, das ist eine ernste Sache. Tatianna ist in Gefahr. Ein paar große Namen trachten ihren nach dem Leben. Und du wurdest dabei gesehen, wie du ihre Sachen aus Mokhovs Apartment gerettet hast. Für den Moment kann ich das unter den Teppich kehren. Aber du musst ehrlich mit mir sein.

Matti – Fuck.

Ich kann sehen, dass ihre Lippen zu beben beginnen. Die Augen wirken leicht glasig, die Tränenflüssigkeit sammelt sich schon. Sie schluchzt hörbar auf, drückt sich den Handrücken an die Augen. Es schnürt mir die Kehle zu, das mit an zu sehen. Sie hat etwas, das einen Beschützer-Instinkt weckt.

Matti – Ich hab ihr von Anfang an gesagt, dass das mit Rassila keine gute Idee war! Und als sie sich dann auch noch anfing mit dem Alten immer zu streiten und das mit Mokhov anfing, konnte das ja kein gutes Ende nehmen!

Ihr ganzer Leib zittert. Sie ist kurz davor, in einen Heulkrampf zu verfallen, zieht schon die ganze Zeit die Nase immer wieder hoch.

Zeichner – Langsam, Langsam, fang von vorne. Wie fing das mit Rassila an?

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