20170226

KrnvlDRspBlgs ´Feb - Auf Messers Schneide

Passend zum aktuellen Monatsthema des Karneval der Rollenspielblogs will ich ein bisschen was darüber schreiben, wie Zeit und Zeitdruck im Rollenspiel auftauchen können, wann sie sinnvoll, und wann sie es nicht so sehr sind.
Angefangen damit, dass wir uns erstmal Zeit und Zeitdruck im Rollenspiel angucken.

Zeit - Zeit ist ein elementarer Teil der Rollenspielerfahrung. Die Protagonisten reisen von A nach B, der Weg verschlingt Wochen oder Stunden an Lebenszeit. Wir springen lieber. Oder spielen es aus? Zeit ist ein seltsames Gut in dieser Betrachtung, denn viele bevorzugen hier im Rahmen des Hobbyistischen Eskapismus, dass der "langweilige Kram draußen bleibe". Man will ja schliesslich die spannenden Verfolgungsjagden, Schießerein, die Fechtkämpfe bei donnerndem Regen oder das Verhör des Gefangenen mitnehmen, also alles das was persönliche Interessen oder Spannung erzeugt. Insofern ist Zeit also unerwünscht und nur ein Nebenfaktor. 

Gleichzeitig ist Zeit aber auch eines der Bindemittel, welches dafür sorgt, dass Charaktere reiben und feststellen, ob und wie gut sie miteinander können. Das wiederum wird im Rollenspiel selten nachgefragt, und da, man in eine Rolle schlüpft, will man ja nicht erleben, wie Person C sich verhält, wenn man zusammen die nächsten 2 Stunden auf dem Holzwagen beisammen sitzt und die Natur beobachtet auf dem Weg nach Hintertupfingen, oder sich fragt warum kein Bordfilm auf dem Flugzeugflug nach New York geht während neben einem ein Mitspieler sitze, mit dem man sich vielleicht gar nicht so in der Tiefe beschäftigen will. 

Die andere Seite ist die alltägliche Lebenssimulation, in welcher jeder Moment, jede Minute spannend sein kann, weil es einer inneren Logik folgend in einer anderen Welt passiert, das Hineinversetzen in den Charakter sorgt dafür, dass man alles als neu und interessant empfinden kann, und so vergehen ganze Spielabende damit, lustige Kneipenabende, ab und zu mal eine Schlägerei und interessante Regel-Interaktionen zu haben, während man versucht, das Korsett der Spielwelt auszufüllen. Meine Erfahrung spricht dafür, dass im Rollenspiel sebst Zeit vor allem dann wichtig ist, wenn die Meta-Ebene des Erfahrenen beginnt. 

Wenn Erfahrungspunkte, Stufenaufstiege oder abstrakte Diskussionen um den aktuellen Plot geführt werden, wenn ein Spieler feststellt dass er zuwenig Spotlight bekommt oder die Handlung selbst nicht vorankommt, weil der Spielleiter nicht feststellt, dass er sich an etwas verhakt hat, oder der Gruppe Informationen fehlen. Auch hier wird Zeit dann aber nur verkürzt abgehandelt, in einem oder zwei Nebensätzen. Es ist, im wahrsten Sinne des Wortes, zeitsparend, so man mir die Findigkeit erlaubt.

Zeitdruck - Die Bombe explodiert in 10 Sekunden, die Spieler haben nur noch ein winziges Ereignisfenster ehe sie alle vom Müllkompressor zerquetscht werden, oder man muss rechtzeitig zur Vertragsunterzeichnung in den Büros des Plattenstudios sein, damit man den Weg zum Starruhm beschreiten kann. Es sind unzählige Variationen und Szenarien denkbar, in denen wir davon sprechen, dass Zeitdruck herrscht, und es gibt kaum Menschen, die das Konzept, das dahinter steht, nicht kennen, wenn die Uhr ihnen vorschreibt, bis Zeit X Y zu vollbringen, sei es rechtzeitig zur Arbeit zu erscheinen, oder innerhalb der Deadline das neueste Buchkapitel zu lesen. Im Film ist es ein altbekannter Hut, wenn wir Schauspielern zugucken, wie sie von dramatischer Musik unterstrichen versuchen, in letzter Sekunde den Sprengsatz zu entschärfen. Im Rollenspiel ist das aber ungleich schwieriger. 

Zeitdruck ist ein In-Welt-Element, das hier mit der Meta-Ebene der Spieler konkurrieren muss, und dabei grundlegend verliert, da die Spieler ausserhalb der Rahmenhandlung nicht davon ausgehen müssen, dass man Ihnen nicht die Bedenkzeit gibt, eine Entscheidung zu treffen. Zeitdruck kann also nicht durch die spielrelevanten Elemente entstehen, sondern nur auf der Meta-Ebene eingesetzt, denn ein Spieler ist nicht gezwungen, sich die Szene oder den Druck durchgehend auch ausserhalb der Spielebene aufdrücken zu lassen. Eine Alternative präsentieren hier verschiedene Rollenspielsysteme, wie so ein Druck durch Equivalente Spannung erzeugt werden kann. 

DREAD ist eines der urigsten davon, denn mit dem JENGA-Turm ist die Tatsache gegeben, dass sowohl persönliche, nicht charakterliche Geschicklichkeit über den Erfolg entscheiden, und ab einem gewissen Grad einem menschliche Nervosität oft genug mitsamt der Gravitation einen Strich durch die REchnung macht. Wird durch Spielleitung noch ein externes Zeitelement reingebracht, wie 3-Sekunden-zur-Antwort oder ein vom Spielleiter selbst gesetztes das innerhalb der Zeit eine Entscheidung erfordert, drückt sich der gesamte, durchaus auch niederschmetternde Druck, innerhalb der genannten Zeitspanne ab. Hier ist direkt Spannung und Inhalt gegeben, setzt aber Spieler/innen auch oft genug an einem Punkt ausserhalb ihrer Komfortzonen aus.

Wann ist das sinnvoll? - Es gibt unterschiedliche Punkte, an denen man Zeitdruck im Spiel einsetzen kann. Grundsätzlich gilt, dass jede Entscheidung, welche man den Spielern gibt, die direkte und klare Konsequenzen hat, dafür sorgt, dass hier nachhaltige Folgen ins Bewusstsein eingepflanzt, und man damit also Spielerverhalten erzeugen wird, wenn es so genutzt wird. 

Dazu kommt, dass einige Rollenspiele, entsprechend Genre-typisch, besonders gut darauf reagieren, Spieler vor Split-Second-Entscheidungen zu stellen, welche unabsehbare Konsequenzen haben, insbesondere diejenigen, welche einen Epos-Stil pflegen und kontinuierliche Geschichten oder Kampagnen erzählen, oder sich besonders im Horror wiederfinden, sind dafür prädestiniert, die Spieler anhand der begrenzten Informationslage sich ihr eigenes Grab schaufeln zu lassen. 

Dies muss nicht einmal unbedingt antagonistisch in der Leitung passieren, sondern kann auch ein sinnvolles Mittel sein, um spätere Plot-Fäden aufzugreifen oder zu erschaffen und wieder einzuführen.

Wann ist es nicht sinnvoll? - Wird ständig Zeitdruck aufgebaut, flacht seine Bedeutung mit der Zeit ab, und sein Nutzen verschwindet alsbald gänzlich. Jede Entscheidung damit zu unterstreichen, dass die SPieler JETZT und SOFORT entscheiden müssen, nimmt damit auf Dauer der Effekt, den man dadurch erzielt, ab. 

Dazu kommt, dass nicht jedes Genre von solchem Druck profitiert. Ebenso muss man die weiter oben beschriebene Komfort-Zone beachten. Nicht jeder, der sich vom Rollenspiel einen gewissen Eskapismus verspricht, möchte dies auch mit Adrenalin oder dem Zwang unabsehbarer Entscheidungen verbinden. Vielmehr ist es durchaus nicht unüblich, dass der Moment genutzt werden soll, man zieht sich mit den Mitspielern noch einmal die Köpfe zusammen, und überlegt, welches Vorgehen hier am sinnvollsten ist. 

Dort dann Hast zu erzwingen, ist dem allgemeinen Spielgefühl und -Spass durchaus abgängig und kann dazu führen, dass die Qualität des Spieltermins Gesamt sinkt. Dazu kommt, dass Persönlichkeiten hier einen Stein in den Weg legen können. Nicht jeder ist in der Lage, von JETZT auf GLEICH eine Entscheidung zu treffen, egal welcher Art, und dies im Rollenspiel zu erzwingen, führt zu unangenehmen sozialen Interaktionen, welche viele lieber vermeiden wollen, als andere blosszustellen. 

Auch hier gilt wieder, wie oben benannt, dass nicht jedes Genre sich dafür gibt. Wer mit seiner Gruppe eine Slice-Of-Life-Style FATE-Story bespielt, wird sich umgucken und fragen, welchen Gag der Spielleiter vorbereitet, dass man plötzlich Zeitdruck haben soll, wie zum Beispiel wenn man GOLDEN SKY STORIES spielt. Das heißt nicht, dass es nicht möglich sei, aber es vermutlich weniger passt, als in anderen Rollenspielen. Der andere Aspekt ist die Frage von Entscheidungskompetenz. 

Viele Spiele nutzen Fertigkeiten und Kompetenzgrade von Charakteren im besonderen ja auch deswegen, damit Spieler nicht sagen müssen, welche chemischen Elemente sie benötigen um ihr Vorhaben fertig zu stellen, sondern damit sie darauf würfeln oder verweisen können, da es im Eskapismus ja auch darum geht, einen ANDERE Person darzustellen, als man selbst ist. 

Gerade in solchen Momenten wäre es wieder negativ, mit Zeitdruck ein Fenster des Erlebten zu erschaffen, welches letztlich dazu dient, den oder die Einzelne/n blosszustellen, auch wenn das nicht so beabsichtigt war.

Es zeigt sich, dass es doch einige Dinge gibt, die zu beachten sind, wenn man sich mit Zeitdruck auseinandersetzt. Ich selbst habe bei Silent Memories, einer DREAD-Variante sehr erfolgreich mit einem Counter gearbeitet, aber dies war zu Unterstützung des Spannungsbogens gedacht. Auch hier war die einhellige Meinung, dass es unglaublich anstrengend war, aber gut. Aber es war eben auch so nicht direkt wiederholbar aus genau diesen Aspekten. Einmal erlebt, ist es verflogen, und der Stress, der beiderseitig erzeugt wurde sorgte dafür, dass es zwar sehr intensive, aber auch sehr kurze Spieltermine waren (kurz im Sinne von 2-4h).

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