20171129

Lust am Töten - In unkriegerischen Zeiten

Gestorben wird immer. Meistens unfreiwillig, oft durch Gewalt. Gewalt, und das Töten dominiert massiv unsere Gesellschaft. Gleichzeitig entmartialisiert die westliche Wertegemeinschaft das Töten, stempelt es langsam zu einer Fehlentwicklung ab. Wie ist das im Einklang mit Rollenspiel zu sehen, wo Kampf das dominante Erlebnis ist?

Frühere Betrachtungen, die wir angestellt haben, haben einiges zuTage gefördert. Rollenspiel hat seine Wurzeln im Wargaming, also im Simulieren von fantastischen oder weniger-fantastischen Szenarien der Gewalt, im Kriegsspiel. Es ist soweit also eien Simulation des Tötens, welche mit der Zeit alternative Spielwege gegeben wurde.

Gleichzeitig hat sich die Gesellschaft aber weiter entmartialisiert. Von den Anfängen des 18ten Jahrhunderts, in welchem der Ruf zu den Waffen des Lehnsherren noch durchaus als sittlich angesehen wurde, wo Krieg nach Hobbes noch der gemeine Zustand eines Jeden war (vgl. War of All against All), ist es angebracht, das Sterben einen anderen Stellenwert hat. Eine Gesellschaft die viele Mitglieder durch frühen Kindstod, Krankheiten und Nahrungsprobleme verliert benötigt stetigen und starken Nachschub. Die Kinderproduktion, so man es denn so bezeichnet, ist wichtig, um die Chancen auf überlebende Linien zu sichern.

In dieser Zeit ist es auch, wo der Tod noch am stärksten ein steter Begleiter des Einzelnen ist. Es ist kaum möglich, nicht jemanden zu treffen, der von einer der drei Aspekte betroffen ist. Der letzte, klassisch, ist der Tod durch Krieg. Sei es als un- oder freiwilliger Teilnehmer, ist Krieg der letzte und oft ein großer Beweggrund für den Tod. Und es gibt viel Krieg 1701-1714 der spanische Erbfolgekrieg (von vielen oft als erster "echter" Weltkrieg gesehen), Der Österreichische Erbfolgekrieg 1740, der Sieben-Jahres-Krieg 1756, die Kategorie der Konflikte alleine nimmt über 200 Seiten auf Wikipedia in Anspruch. Krieg ist unvermeidbar, da es aufeinander kommende Interessen der Mächtigen sind.

Aber die Entwicklung ist unaufhaltsam. Die Kriege, bis hin zum industrialisierten Vernichtungskrieg des frühen 20sten Jahrhunderts führen zu einer massiven Abkehr und einer Wendung im Gewaltmonopol. Was Ende des ausgehenden 19ten Jahrhunderts schon im Entstehen begriffen war, zeichnet sich in den 1950ern massiv ab, zumindestens in Europa, aber der Trend ist durchaus in den westlichen Staaten zu sehen. Eine teilweise Zivile Demilitarisierung setzt ein. Der Rüstungssektor existiert, wird aber in der Öffentlichkeitswahrnehmung dezenter gesetzt. Die Menschen werden dazu angehalten, weniger auf Konflikte, und mehr auf diplomatische Problemlösung zu setzen. In den USA kollidiert dies massiv mit der Bürgerrechtsbewegung, in Europa mit den Ausläufern des politischen Kalten Krieges. Einzelne Gruppen bleiben bewaffnet. Der Kulturelle Wandel aber bleibt.

Was heißt das? Keine Duelle. Keine großartige Bewaffnung des Einzelnen. Stattdessen das Ausleben von Aggressionen im rationalen Maßstab, oft ungenügend. Bleiwüsten-gleiche Textsammlungen und Regeln werden geschrieben, Krieg wird zum theoretischen Spielfeld der Sesselstrategen. Daraus wird sich später auch das Rollenspiel abwandeln. Sein Hauptspielfeld, wie oben benannt, ist der Kampf.

Das Beispiel von 1974, dem ursprünglich aus Chainmail kommenden DnD, ist ohne Kampf undenkbar. Da es aus dem Wargaming kommt, also erwartungsgemäß Kampf als Lösungsmechanismus für Konflikte einsetzt, ist das vermutlich auch wenig verwunderlich. Auch in Folge-Iterationen von Rollenspielen ist das zu beobachten. Kampf, egal in welcher Ausdehnung, nimmt mit Talenten, Sonderfertigkeiten, Kampffähigkeiten und anderen Spezialitäten (Kritische-Treffer-Tabellen, Manöver, Position, etc.) oft die größte Stellung ein. Die Regeln werden oft komplexer, gerne auch ausgedehnt für "größeren Realismus". Wir beobachten also das verlagen der aggressiven Erfahrungen auf den rollenspielerischen Bereich.

Reicht das aber aus, um zu erklären, wieso andere Lösungsmechanismen so deutlich weniger zum Einsatz kommen? Ich denke, das ist nur teilweise richtig. Menschen sind im gleichen Sinne Adrenalinjunkies, Spannungsheischer und Aufregungssucher. Von der Natur durchaus mitgegeben, begrüßen wir die Spannung welche ein Kampf gibt, weil es sich "sofort gefährlicher" anfühlt als jede Diskussion, die uns sonst zwingt möglicherweise mit Köpfchen zu agieren. Kampf heißt emotional, und mit emotionalen Stakes (Einsätzen, der Begriff wurde stark durch FATE und PbtA-Spiele erweitert) zu arbeiten. Demgegenüber scheint es eine starke Herausforderung in der modernen Gesellschaft, in welcher viele den Mund nur noch Online aufbekommen, wo sie eine gefühlte Anonymität wahren können, sich im gleichen Maße in andere Lösungsmechanismen, Konflikte des Wortes oder geistiger Ebene zu begeben.

Wie geht man also im Rollenspiel damit um? Wie setzt man im Design diese Erkenntnis ein? Ein mechanisches Gleichstellen von Kampf und anderen Elementen scheint hier die logische Folge. Macht das Rededuell auch im wörtlichen Sinne zu einem Duell, einem Kampf auf Leben und Tod. Es muss ja nicht gleich, dem Duell von Zhuge Liang und Wang Lang in Romance of Three Kingdoms gleich zum Tod eines Kontrahenten führen. Es gibt Systeme die das so machen. Leider sind meine Erfahrungen mit diesen begrenzt. Wie sieht das beim Rest aus? Was für Erfahrungen habt ihr mit sowas gemacht?

1 Kommentar:

  1. Moin,
    zuerst einmal ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass Bücher, Spiele und Filme Gewalt feiern, gehört sie doch ganz zu uns Menschen. Dieses Erzählmuster "recreation through violence" (also die Wiederherstellung der Ordnung durch Gewalt gegen das "Böse") kommt nicht nur im Western vor, sondern durchzieht alle Zeiten,Genres und Medien. Und wenn ein solches Narrativ (Germanisten und ihre sperrigen Fremdwörter!) so hartnäckig ist, muss es wohl zum Menschen gehören. Das erklärt zwar nicht die Ursache des Problems, zeigt aber, dass es nichts ungewöhnliches ist, wenn Gewalt im Rollenspiel so gut funktioniert.
    Und zu deiner Frage: Konflikte auf mentaler Ebene funktionieren genauso, man greift dann eben mit Charisma/Einschüchtern an und verteidigt mit Wille/Täuschen, ist ja schließlich Gewalt. Das ist jedoch leider ziemlich meta und z.T. unheimlich schwierig, weil man sich in Diskussionen o.Ä. ja ständig etwas ausdenken muss, schlimmstenfalls Argumente. Und dann hängt das Ergebnis des Konflikts auch nicht so ganz von der Argumentation, sondern viel mehr von den Charakterwerten ab. Du siehst also, es gibt sie, sie funktionieren nur in meinen Augen nicht besonders gut, weswegen ich dazu übergegangen bin, Rededuelle auszuspielen. Als begeisterter Fatespieler eigentlich ein Armutszeugnis. (Nur für wen?)
    Gruß,
    Herr Littelmann

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