20181128

KdRsB - Das Böse - Von Böse, Böse & Böse

tl;Dr Das Böse ist die moralische Bemessung des uns fremden Anderen, den wir internalisiert haben, um uns den gewissensbisslosen Konflikt zu ermöglichen. Es gibt kein echtes Böses, weder in der realen Welt, noch im Rollenspiel. Denn jeder Schurke ist Held seiner eigenen Geschichte.

Bösewicht. Schurke. Feind.

Was ist Böse? Diese Frage ist vermutlich älter als unsere frühesten Aufzeichnungen. Laut Wikipedia ist es ein zentrales Motiv religiöser Weltanschauungen. Und tatsächlich, Zoroaster empfand die Welt als ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, das moderne Christentum kennt Böse als ein Ergebnis der Einflüsterungen des Teufels, die Hindus sehen je nach Schule Böses als ein freiwilliges Falschtun des Menschen an, während die Buddhisten wiederum sagen dass es durch unser Verlangen nach etwas entsteht.

Was aber ist das Böse? Banal, wenn wir Hannah Arendth glauben wollen. Und überall. In jedem von uns. Wirklich? Nun, wahr ist vermutlich, das wir alle den Kern des Bösen in uns tragen, denn ohne Menschen würde die Einteilung in Gut und Böse nicht existieren. Desweiteren tritt das Böse nie auf, ohne das wir das Gute implizit mit annehmen. Es ist Teil des Dualismus. Es muss, denn ohne Gut kein Böse, ohne Böse kein Gut. Nur wenn wir um das eine Wissen, können wir das andere erfahren.

Es ist somit Ausdruck einer bestimmten, recht einfachen und vor allem eingeschränkten Perspektive. Gut und damit auch Böse sind moralische Einteilungen der Welt, die sagen "Böse ist Schlecht" und "Gut ist Gut". Es dient also dazu, zu beurteilen, ob eine Handlung, und wie sie ist. Ist dem Typen der dich anpöbelt die Fresse zu polieren das eine oder das andere?

Von sich aus, sagen wir von Natur aus, keines von beiden. Der Naturzustand kennt keine moralische Einteilung. Er kennt nur das Schützen der Artverwandten und Fressen & Gefressen werden. Insofern ist es also unser Maßstab, der entscheidet, was Gut und Böse ist. Und diese Einteilung wird gerne nach weltlichen Aspekten, oder wie in der Religion, nach Kontrolle gesetzt. Loyalität zur Religion ist gut, denn es stärkt und schützt diese. Das Beschwören anderer Götter ist schlecht, denn es steht im WIderspruch zur Loyalität. "Du sollst keinen Gott neben mir haben!". Macht kommt daher, dass man verehrt wird unabhängig davon, wer noch verehrt wird. Nur wer andere Götter fürchtet, muss sie verbannen, denn sie könnten eine bessere Wahrheit besitzen.

Besser. Anders. Böse. Dualismus. Letzteres ist das Stichwort für das Böse. Es drückt sich in unserer gesamten Weltsicht aus, Böse, das ist immer das, was wir, so oben gesehen, als Falsch, als Schlecht, als ungut empfunden wird. Und ungut, das will niemand. Aber Ungut ist immer eine Entscheidung aller und der Gesellschaft als ganzes. Was heute ungut ist, kann morgen gut sein. Homosexualität und offene feminine Sexualität war bis in die 70er hinein problematisch, wenn nicht gar strafbar, heute wird es zumindestens nicht mehr strafrechtlich verfolgt oder nicht mehr im gleichen Maße (Maßstab ist Deutschland, der Essay erhebt keinen Anspruch darauf, für die gesamte Erde zu sprechen).Was gut und Böse ist ändert sich also. Moralische Vorstellungen ändern sich. Böse ist also nur das, was wir für eine gewisse Zeit für schlecht halten. 

Aber was heißt das? Was ist DAS BÖSE? Es ist die einsame Insel, auf der unser Ich wohnt. Wir sind, so der aktuelle Stand der Technik, im Inneren unses Schädels gefangen, gezwungen die Welt außerhalb desselben durch ungenaue Instrumente, Augen und Verstand, wahrzunehmen, zu erfassen. Und da laufen andere Menschen herum. Menschen, die wie wir sind, und doch nicht wie wir. Sie sind einsame Inseln des Verstandes inmitten von Schädeln. Sie sind uns, mit einem Wort, fremd. Und dieses fremde, unverständliche, ist es, das wir sehen. Da wir nicht in der Lage sind, diese andere zu verstehen müssen wir uns mit imperfekten Mitteln behelfen, wir nutzen Empathie, Mitgefühl, Perspektiven um zu verstehen, warum Menschen handeln, wie sie es tun. Wir setzen uns an ihre Stelle. "Walk a mile in my shoes!"

Indem wir so eine andere Perspektive annehmen, versuchen wir zu ergründen, warum andere so handeln, ausgehend davon, dass wir die Erkenntnis, die wir haben, versuchen auf das, was wir von Ihnen erfahren haben, umzumünzen. Aber auch das ist, wie schon unsere Erfahrungsinstrumente, imperfekt. Fehlerbehaftet. Wir können uns nur annähern, niemals 100% Verständnis erzeugen. Wir leben nur unser eigenes Leben, nur auf unserer Insel. Eine andere Insel ist unerreichbar. Unser Ozean ist die Leere zwischen Verstand und Existenz.

Setzen wir uns nun an die Stelle eines anderen, eines Dritten, und sind nicht in der Lage ihn zu verstehen, nichtmal nährungsweise, bauen wir instinktiv auf unsere Furcht vor dieser Person. Denn was der Mensch nicht versteht, das fürchtet er, instinktiv. Und was er fürchtet, das kann er töten. Denn die letzte Instanz des Unverständnisses ist das Eliminieren. Hier spielt auch der Gedanke des Ungut, den die moralische Einteilung erzeugt mit rein. Indem wir Schranken senken, etwas als Ungut zu sehen, schaffen wir für diejenigen, die etwas Gutes tun ein Wir-Gefühl, und stärken deren Gemeinschaft, denn sie können auf die für sie unverständlichen Bösen zeigen, welche Ungut sind. Und diesen Gegenüber müssen sie, weil sie sie fürchten, verachten und als Böse, als Ungut ansehen, sich auch negativ verhalten, was dadurch deutlich einfacher wird. Denn wen wir fürchten, für den zeigen wir keine Empathie, setzen uns nicht an deren Stelle, sind wir einfacher in der Lage Schmerzen zu erzeugen. Der andere, der Böse, der ist fremd, und fremd gehört weg.

Aber letztlich sind wir für den anderen auch fremd. Hier kommt der humanistische Relativismus ins Spiel. Böse ist eine Frage der Perspektive. Für den russischen Soldaten des Zarenreichs 1916 war der deutsche Soldat ebenso fremd wie dieser ihm, aber beide sahen sich als Helden ihrer eigenen Geschichte, als gute IHRER Seite. Hier zählt also die Perspektive, und wie bei diesen zieht es sich durch alle Geschichten, alle Historie. Böse, das sind immer nur die anderen. Wir können für uns selbst nicht böse sein, denn Böse sein ist für das Selbstverständnis unvereinbar. Das wäre der Ego-Tod, und das Ende unserer Psyche. Der einzige Ausweg ist das Selbstverständnis zu ändern damit man nicht mehr selbst böse ist, oder das endgültige, finale Ende. Es wird schnell klar, da der Menschen eine innewohnende Angst vor dem Tod hat (verständlicherweise), dass vorgezogen wird, eine innere Perspektive einzunehmen, in der man selbst der Gute ist. 

Es ist umso befremdlicher, wenn wir mit dieser Erkenntnis ins Rollenspiel gehen. Der DnD Ork ist immer Chaotisch Böse, es sei denn der Spielleiter möchte ein moralisches Dilemma aufmachen. Der Teufel immer rechtschaffen Böse. Hier wird deutlich, wie bei allen Spielen mit Gesinnungen, dass die Kreatur nicht Ausdruck echter Befindlichkeiten oder Perspektiven ist, sondern sie rein als Bedrohung für die eigentlichen, einzigen echten Perspektiven dienen müssen. Für den Spielercharakter ist der Ork ein Sack voll Erfahrungspunkten und Schätzen der sich gegen das Öffnen wehrt, nicht mehr, denn er hat keine Bewandnis für die Ereignisse darüber hinaus.

Erst unsere moralische Perspektive als Spieler führt das System ad absurdum, denn es war ja, als Alignment aus der Red Box, wo man noch Moorcock-artig Moralität als Kampf zwischen Chaos, Ordnung und Balance verstanden hat, nie dafür gedacht, menschlicher Moral gleichgesetzt zu werden. Rollenspielböses ist daher immer feindlich, aber nie realweltlich böse. Diese Problematik zieht sich aber, durch die starke, ja inzestiöse Beziehung, die Rollenspiele zueinander haben, durch fast alle großen Systeme. Ein Streitpunkt für andere Zeiten. Indem wir Moral gleichsetzen mit dem Alignment, missverstehen wir, wie es auch die Autoren späterer DnDs missverstanden haben, Sinn und Zweck dieser Einteilungen, denn auch Moorcock selbst schrieb schon, dass ein Überhang einer Seite niemals positiv ist. Denn zuviel Gut ist erstickend, zuviel Böses zersetzend, und zuviel Balance einschläfernd. Hier hilft nur Oscar WIldes "Mäßigung in Allem, selbst im Mäßigen."

Was ist das Böse? 
Eine Frage der Perspektive.

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