20191025

Review: Gesellschaft der Träumer

tl;Dr: Ein schönes, am Anfang etwas befremdliches stark larpiges Spiel, das mit seinem dynamischen Fokus und wackeligen Beschreibungen die Spieler zwar manchmal ins Schlingern, aber zu einer spannenden Erfahrung bringt. Kaufempfehlung für alle die kreative Ader, SL-Fähigkeit oder narrative Spiele bevorzugen.

 Gesellschaft der Träumer (fürderhin als GdT abgekürzt) ist ein 2019 von SystemMatters auf dem deutschen Markt veröffentlichtes Werk, das die Übersetzung des englischen Originals "The Society of Dreamers" von Matthjis Holter darstellt, einem freien, eher norwegischem Stil gehaltenes Erlebnis, das in seiner Freiheit sehr Rollenspiel im Sinne des Wortes, aber weniger im Sinne des typischen Verständnisses ist.

GdT spielt im frühen 20sten Jahrhundert, vermutlich zwischen Belle Epoque und den 40ern, als Esoterik und Idealismus stärker vertrete waren. Dabei  verkörpern die Spieler Personen, welche die namensgebende Gemeinschaft gründen, um Mnemositen zu erforschen, mystische Existenzen, die in den Kindheits- und Jugendjahren möglicherweise Einfluss auf die Leben der Spielercharaktere nehmen. Dabei basteln die Spieler ihre Charaktere aus vorher zufällig gezogenen Karteikarten, die sie selbst befüllt haben, und füllen diese dann im Laufe des Spiels mit Leben und Hintergrund an.

Dabei werden auch nach und nach die namensgebenden Mnemositen ins Spiel eingepflochten, ehe die Spieler schliesslich als Gesellschaft zusammenkommen und die weiteren Szenen mithilfe eines dem Ouija-Brett nachempfundenen Szenenbretts geestalten.

GdT ist ein zeitintensives Spiel. Der Band geht selbst von ca 4-6 Stunden aus, wir haben mit 5 Personen nach knapp 7h dabei noch längst nicht die volle Bandbreite ausgeschöpft und mussten das Ende etwas verkürzt und überhastet reinschmeißen, was eigentlich schade ist, aber auch sehr erschöpfend.

Wie kommt das zustande? Das Spiel ist extrem frei gestaltet, eben entsprechend seinen norwegischen, vermutlich LARP, Wurzeln geschuldet, wo man Regeln biegen, oder passend auslegen sollte, und auch die Texte sind eher als Inspiration, als Leitfaden, denn als Bollwerk zu verstehen. Das klingt erstmal seltsam, weil die meisten Spiele ja am Heimtisch auch angepasst werden, aber GdT ist insgesamt kein gutes Leitspiel, da jeder Spielleitung übernehmen muss und bereits sein muss, kreativ zu werden, was für ein narratives System gut möglich, aber für viele eher Spieler-orientierte Persönlichkeiten eher abschreckend ist.

Der Freiheit geschuldet ist auch, dass, wenn man das Spiel mit Leuten spielt, die das vielleicht nicht so oft gemacht haben, es schnell ins Stocken gerät. Hierbei ist der gute Wille und die Unterstützung der anderen ein unerlässliches Muss. Zudem sollte eine gewisse Bereitschaft da sein, jedwede Rolle sowie Szene mitzumachen, denn vom Thanatos bis Eros deckt GdT ein breites Spektrum möglicher Szenen ab.

Die Freiheit hat aber auch ihre Vorzüge. Das Spiel lässt komplett offen, was Mnemositen sind, und in welche Richtung sich die Ereignisse entwickeln. In unserer Partie wurden die Mnemositen zu körper-besitzergreifenden Geistern alá Cthulhu-Style, welche Einfluss auf Zeit, Welt und Menschen hatten, und sich an der Lebenskraft anderer labten, weswegen wir neben Selbstmorden aund einem Kampf im Finale gegen diese durch die Überlebenden schliesslich eine geheime Schutzorganisation gegen diese gegründet sahen. Das war unsere Geschichte, aber eure kann und sollte natürlich ganz anders aussehen, wie überhaupt jede Partie ganz anders aussehen wird, von den groben Grundzügen einmal abgesehen.

Insgesamt hat mir GdT zwar gefallen, aber es ist kein Spiel, das ich besonders oft aus der Kiste holen würde, da es ganz im Gegenteil dafür und für die Teilnehmer einfach zu speziell ist, aber ich finde, die 15€ haben sich für den coolen Spieltag mit Freunden definitiv gelohnt!

Empfehlen würde ich es trotzdem nur begrenzt. Wer Erfahrung mit narrativen Spielen, freier Entscheidung und Spielleitung hat, kann bedenklos zugreifen, für viele ist es vermutlich jedoch zu Freiformig, da es erfordert, dass man das Spielkonzept in seiner Idee, auch in den albern wirkenden Teilen, mitträgt.

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