Herrje, ein echt schwerer Titel. Keine Sorge, es geht nicht um persönliche oder familiäre Situationen sondern um zwischenmenschliche.
Der aufmerksame Beobachter wird schon gesehen haben, das ich das Label Rollenspiel gewählt habe, also wird es wohl auch um dieses gehen. Um genau zu sein geht es heute um ein Thema, auf das ich zurück gebracht wurde, als ich, inspiriert durch die Cat-Piss-Guy-Geschichten (glorreiche Bezeichnung) aus dem Something Awful-Forum, an Momente zurück dachte, in denen ich schlechte Spielerfahrungen gemacht habe.
In meiner Gedankenwelt prangt ein Moment sehr deutlich in meinen Erfahrungen als Spielleiter hervor, und spätestens seitdem ich dazu nachgeforscht habe, weiss ich auch alle Begleitumstände wieder.
Seit damals sind das jetzt 6 Jahre, 2 Monate, 7einhalb Tage.
Es war der 10.6.2009, ein Mittwoch damals noch, wir befinden uns in den Abendstunden im örtlichen Jugendhaus. Ich leite die aktuelle Runde, wir sitzen im Kaminzimmer, der Rest des Hauses ist ruhig, kein Wunder, außer uns ist ja keiner mehr da.
Wir spielen DSA, genauer, die Jahr-Des-Feuers-Kampagne (Die ich hier inhaltlich eigentlich auch mal zuende posten müsste, zumindestens soweit meine Aufzeichnungen reichen. Über die Kampagne selber hätte ich auch noch einiges zu sagen, aber wenig gutes das nicht von besseren Schreibern schon gesagt wurde).
Ab hier ist Spoiler-Territorium, also falls ihr noch vorhabt, die Kampagne jemals zu erleben (warum auch immer ihr euch das antun wollt), solltet ihr hier abschalten.
Wir befinden uns in 2ten 5tel von Band 2 - Aus der Asche, die Spieler haben den Reichskongress in Elenvina effektiv hinter sich gebracht und wollen nun Galottas Turm erkunden, der sich in der Umgebung befindet. Gesagt getan, trotz aller Warnungen und einem praiotischen Verbot, in den Turm einzudringen, stolzieren unsere wackeren Helden in den Turm hinein.
Es folgt ein Possenspiel. Die Spieler tappen in so ziemlich jede Falle, die man finden kann, bekämpfen Geister und Dämonen und stellen dabei fest, dass der Turm vielleicht doch ein wenig gefährlicher war als sie befürchtet haben. Dabei stolpern sie auch durch das Schlafgemach des G.C.E. Galotta und bemerken auch sein wandgroßes Porträt. Das kommt ihnen zwar spanisch vor, sie vermuten sogar folgerichtig, das damit etwas nicht stimmt, aber auch ein Odem bringt keine magische Aura in Erkenntnis, also lassen sie erstmal die Finger davon.
Wir spulen in der Zeit etwas vor. Beide Magier der fünfköpfigen Spielerrunde sind von Astralpunkten ausgelaugt, einer sogar dem Tode nahe, auch die drei kampfkräftigeren Gesellen, ein Söldner, ein Schwergeselle und Adliger in Spe sowie der KGIA-Agent entscheiden sich, über und über mit Wunden und Schmerzen übersät, den Turm lieber zu verlassen. Währenddessen setzt draußen strömender Regen ein, und sie müssen ermattet feststellen, dass sie noch knapp 4 oder 5 Kilometer (DSA-typisch MEILEN....) vor sich haben ehe sie ein warmes Bett oder die nächste Peraine-Geweihte finden werden.
Da entscheidet sich der zweite, noch nicht halbtote Magier, ein Schwarzmagier erster Güte, und eigentlich eine inhaltlich vollkommene Fehlbesetzung für die Kampagne aber ich war damals als junger Spielleiter jemand der nicht Nein sagen wollte zu Spielkonzepten, doch noch einmal in den Turm zurück zu laufen, mit der Aussage "Ich komm gleich nach".
Der Charakter schlich also noch einmal ins Schlafzimmer des Galotta, des letzten verbliebenen Supermagiers zu der Zeit, und betrachtete das Gemälde sehr eindringlich. In der Hoffnung, dass das Gemälde nicht verschleiert sei, weil er keine magische Aura entdeckt hatte, nahm er einen Hocker und drückte mit dessen Beinen das Bildnis von der Wand, nichts ahnend, dass er damit in die Falle tappte.
Die Situation kam wie es kommen musste. Die Falle war darauf geeicht, dass jemand das Bildnis irgendwie verschieben oder beiseite nehmen würde und zielte auf die nächste lebendige Gestalt in der Umgebung mittels Kulminato Kugelblitz ab. Zwar versuchte der Schwarzmagier, trotz Erschöpfung und Holzbein, noch die Flucht anzutreten, letztlich konnte er der magischen Kugel jedoch nicht entrinnen, noch auf dem Treppenhaus wurde er eingeholt und -gehüllt. Die elektrischen Blitze durchzuckten ihn und brachten ihn an den Rand des Todes. Er war nur Minuten vom Tod entfernt. Ein kritischer Moment.
Draußen tobte inzwischen das schwere Unwetter. Da die anderen sich wunderten, wo ihr Gefährte denn blieb, entschieden sie sich, doch einmal nachzusehen und fanden den noch zuckenden Körper, schrecklich geladen, auf den Treppenstufen.
Sie hieven ihn hoch, während der verletzte Magus unter ihnen noch versuchte, seine verbotenen Pforten zu öffnen, aber aufgrund seiner Wunden und durchmachten Strapazen nicht in der Lage war, die Konzentration aufzubringen. Also wurde, so schnell es ging, unter Donner und Blitz der Weg zur Magier-Akademie Elenvinas angetreten, wo sie zuerst auf magische Heilung hofften. Aber die Hoffnung war vergebens. Dort wurde ihnen schliesslich mitgeteilt, dass ihr Gefährte verstorben sei, seine Seele den Körper bereits verlassen hatte.
Schrecklich, sowas. Aber ein Teil des Spiels. Nicht ganz so schön wurde die Situation, dass ich mich damals in meinem jugendlichen Leichtsinn also zum Spieler drehte und ihn fragte "Und was willst als nächstes spielen?".
Man kann es süffisant nennen, clever war es jedenfalls nicht. Wie damals bin ich auch heute der Auffassung, dass der Tod ein Teil des Action-Rollenspiels sein sollte, sei es in der heroischen Fantasy wie von DSA und D&D oder im Cyberpunkt von Shadowrun und ähnlichen. Es gehört dazu, wir sind alle nur sterblich, und wenn wir wüssten, dass schon keiner zu Schaden kommt, wo wäre denn dann die Spannung?
Des Schwarzmagiers Spieler jedenfalls pluderte, Schnappatmung setzte kurz ein, er entschuldigte sich, verließ schlagartig den Raum. ich setzte den Spieltermin mit den anderen fort. Am nächsten Tag musste ich erfahren, dass der Spieler sich erstmal Luft in einem Online-Forum verschafft hatte. Unschön formuliert, davon ab, dass dort dann das ganze natürlich auch aufgrund unzulänglicher Faktenlage beschworen und zerrissen wurde, von diskutieren kann man nicht sprechen.
Es war der erste Moment, in dem mir aufs schmerzlichste klar wurde, wie sehr Wahrnehmung unterschiedlich sein kann. Für den Spieler kam der Moment, an dem sein Charakter starb, unerwartet und vielleicht sogar dramatisch, aber in jedem Fall als garstigster Moment. Für mich war es einfach Teil des Rollenspiels. Darüber hing aber, unter anderem, aber nicht nur, dann für das nächste halbe Jahr der Haussegen schief und letztlich sollte es die Stimmung für die restliche Kampagne noch deutlich weiter drücken, was insgesamt sehr schade war.
Fazit? Dialog. Damals habe ich ihn offen weniger gesucht und das führte dazu, dass ich und der Spieler vollkommen unterschiedliche Ansichten zum Spielstil und zur Gefährlichkeit hatten was auch für den Gruppenfrieden schädlich war. Hier war kein Dialog entstanden. Heutzutage handhabe ich das durchaus anders, kommuniziere auch mehr mit meinen Runden. Ich habe, so will ich zumindestens hoffen, deutlich daraus gelernt. Gleichwohl heißt das natürlich nicht, dass deswegen meine Spieler bei mir nur den Samthandschuhe bekommen, aber die Peitsche kommt oftmals verhüllter daher ;)