20171114

Wo Soll Das noch enden?!

Endgame. Martialisch, der Zeitpunkt, wo im Heldenleben fast alles vollbracht wurde. Der letzte Akt. Gibt es überhaupt ein Ende, Mechanisch gesehen?
Eine vergleichende Betrachtung.


Im modernen Rollenspiel scheint die abgeschlossene Geschichte, der logische Schluss ein attraktives Ding. Es erlaubt einen klaren Schlusspunkt unter einer Sache und somit den Teilhabenden, sich von der Geschichte zu distanzieren. Sie "abzuschließen". Aber nicht jedes Spiel, und schon gar nicht Rollenspiel erlaubt das auf die gleiche Art und Weise, oder macht es überhaupt. Betrachten wirdie größten Vertreter, bemerken wir sogar eine Tendenz zum Ewigspielen. Aber der Reihe nach.

DSA - Überblicksweise gucken wir hier mal DSA4.1 an, da ich in 5 niemals die Erfahrung gesammelt habe. Sowohl meine Regelerfahrung als auch mein Hintergrund im System sagen mir, DSA kennt kein Ende. Auch Mechanisch nur mathematisch bedingt. Ein DSA-Charakter kann weiter wachsen, wobei hier die Kosten explosiv werden, bis zu...ich überlege gerade, ich meine für Fertigkeiten liegt der Wachstumsendpunkt bei höchstes verbundenes Attribut+3, aber es ist nebensächlich, Punkt ist dass hier kein logischer, systemischer Endpunkt existiert. Der DSA-Held geht also freiwillig in den Ruhestand, oder stirbt im Abenteuer.

Shadowrun - Geboren aus der Natur seiner Module, sind Shadowrun-Plots stark fragmentiert und oft an einzelne Runs gebunden, welche durch den Zahlungshintergrund verbunden sind. Das System kennt maximale Fertigkeits- und Attributswerte, die erreicht werden können, kennt aber keine logische Karma-Endstation. Auch hier geht der Charakter also nur freiwillig in Ruhestand, hoffentlich mit genügend Nuyen auf der hohen Kante, oder stirbt auf dem Run.

DnD - Durch die Stufenbasiertheit kommt es hier darauf an, welche Edition man betrachtet. ADnD kannte Maximalstufen für die Rassen/Klassen, 3.x geht nur bis Stufe 20 (40 Episch) erlaubt aber ein mathematisch stimmiges weiteres aufsteigen. Dazu kommt dass Epische Stufen theoretisch kein oberes Maximum kennen. 5E kennt die 20ste Stufe als Maximallevel und alle damit einhergehenden Effekte. 4E wiederum kennt 30 Stufen, wobei man auf der letzten sein Episches Schicksal erfüllt. Was ist nun was? ADnD, 3.x und 5E teilen sich letztlich alle dasselbe Problem. Es gibt keinen mechanischen Grund Schluss zu machen, ausser dem, dass die Spielmechanik aus den Latschen kippt auf höheren Stufen (also allem ab Stufe 12+). Auch hier also Abenteuertod oder freiwilliger Ruhestand. 4E wiederum kennt mit dem Epischen Schicksal (Epic Destiny) welches mit Stufe 21 gewählt wird wenigstens den Ansatz, die Charaktere aus dem Spiel zu nehmen, und dadurch den eigenen Platz in der Welt zu finden. Dies wird durch den klaren Endpunkt auch nur unterstrichen.

Vampire The Masquerade -  Charaktere können Fertigkeiten entsprechend Generation verbessern bis zu einem Maximum von 10, wobei hier Fertigkeiten/Attribute/Disziplinen und Generation auf unterschiedlichen Schienen laufen und Generation letztlich der Bestimmer ist. Dabei gibt es einen Maximalwert, welcher von Spielern jedoch nicht erreicht werden kann mit Generation 1, was Kain entspricht, dessen Charakterwerte mit "You die." gleichgesetzt werden. Also ist logischerweise Generation 2 der letzte Stichpunkt, den Spieler erreichen können. Aufgrund ihrer Natur sind die Spieler hier also dem Freitod durch die Sonne, dem freiwilligen Torpor (Langer Totenschlaf im Sarg) oder dem weiteren Intrigieren in den Nächten bis Gehenna ausgesetzt.

FATE - Seiner fluiden Natur geschuldet entwickeln sich FATE-Charaktere eigentlich immer weiter, ersetzen alte Aspekte durch neue und machen den nächsten Plot mit. Das Abenteuer endet eigentlich nie.  Hier ist also nur das freiwillige Spielende möglich, da ein Charaktertod zwar denkbar, aber recht schwer erreichbar und nicht spielsinnvoll ist. Dies kommt auch daher, dass Charaktere zumeist im Rahmen einer Story gespielt werden und nur für diese existieren, was das Setzen eines Endpunkts an und für sich ad absurdum führt. FATE braucht und sucht auch kein Ende.

Dungeon World -  Trotz seiner Struktur als dynamisch mit Moves arbeitendes Rollenspiel kennt DW, wie auch Apocalypse World, kein echtes inhaltliches Ende. Ähnlich FATE geht es hier eher darum, eine im fantastischen Kontext erlebende Story mitzumachen und laufende Fäden abzuschließen. DW-Charaktere leben also nur so lange, wie ihre Geschichte läuft, und ein echtes, mechanisch forciertes Ende ist eher nicht gesucht.

DREAD - Da Charaktere durchaus dynamisch generiert werden und in 99% aller Fälle nur in dem aktuell laufenden Plot auftauchen, enden DREAD-Charaktere meist mit dem Tod, selten durch das Ende des Plots. Mechanisch gesehen ist aber das Ende des Moduls auch ihr Ende, insofern ist dies gleichsetzbar. 

Die Liste kann noch beliebig erweitert, unzählige Rollenspiele scheren sich tatsächlich eher weniger darum, wo die Charaktere eigentlich hin sollen, da sich viele, sehr DND-artig, dem Simulieren einer fantastischen Wirklichkeit denn dem Erzählen einer abgeschlossenen Geschicht verschrieben haben. Gleichzeitig fallen Rollenspiele, welche dies versuchen, umso mehr auf, interessanterweise nicht immer unbedingt positiv. DnD 4E war die am stärksten die Gemeinschaft trennende Edition (wobei das diverse Gründe hatte, nicht nur das mechanische Ende). 

Natürlich kann man immer darauf abstellen, dass Charaktere in-fiction, also im Spiel selbst, einen Endpunkt finden. Da dies aber durch den freiwilligen Ruhestand abdeckbar ist, soll das hier nicht weiter betrachtet werden.

Was machen wir mit der Erkenntnis denn aber nun? Nun, zunächst einmal uns Gedanken. Ich denke, dass Mechaniken, welche ein Ende erzeugen, grundsätzlich etwas positives sind, da wir im Rollenspiel zu oft das Endlosspiel als ermüdende Schleife erleben können, welchem diese Mechanik, sofern sie existiert, einen passenden Riegel vorschiebt. Warum das so ist, oder wie das sinnvoll genutzt werden kann, erläutern wir in einem zukünftigen Artikel.

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