...oder wie ich aus Versehen mein Projekt in einen Blades in the Dark-Hack verwandelte...
Diejenigen unter euch, die meine Berichte zu Gates of Gehenna etwas verfolgen, werden sich daran erinnern, dass ich schon seit knapp 2 Jahren an diesem Passionsprojekt arbeite. Als erstes echtes Langprojekt ist und bleibt GoG eines der wenigen Spiele, das von mir immer wieder neuen Spielarten unterzogen wurde.
So auch als wir den vorletzten Spieltest hatten. Es war unbefriedigend für mich als Spielleiter zu sehen, dass die Momente der Verzweiflung, die Spirale in den Abgrund, wohlgemerkt nicht als Todesspirale, aber als Spirale der Ereignisse, nicht im gleichen Maße das Spiel voran brachten, wie ich mir das gewünscht hatte.
Es wäre aber ein Fehler gewesen, diese Problematik bei den Testgruppen zu verorten. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Teil, den ich als Designer wirklich ansprechen konnte. Die Regeln selbst, die Struktur und das Spiel als ganzes.
Obwohl die gleichlautende Litanei immer wieder heißt, dass die Regeln für ein Rollenspiel ohne Bedeutung für das Erlebnis des Abends sind, kann ich es an dieser Stelle nur wie Vincent Baker halten, der die schöne Aussage gebracht hat "Spaß ist kein Spielziel, Spaß ist etwas, das man beim Spielen haben sollte. Spielziel sollte etwas anderes sein. Und nach diesem Spielziel sollte sich das Spiel ausrichten."
Zu diesem Thema hat er auf der RopeCon und auch später erneut ein paar interessante Vorträge gemacht. Warum spreche ich das an? Weil mich diese Geisteshaltung angesprochen hat, wo ich doch lange ein Vertreter der Fraktion war "Spaß ist oberstes Gebot". Also nahm ich GoG erneut unter die Lupe. Es ergaben sich eine Reihe von Änderungen, die ich ganz interessant fand, und welche sich als logische Konsequenz bisheriger Design-Entscheidungen ergaben.
Attribute werden Charakteristika
Worte sind der Schlüssel zum Verständnis. Die Worte, die wir verwenden, um etwas zu beschreiben, formen unsere Sicht auf dieses Etwas. Nun ist der Begriff Attribute im Rollenspielbereich extrem stark vorbelegt, und klassisch kennt man es aus DnD/DSA/SR et. al. als Beschreibungen von körperlich-geistigen Beschreibungswerten, welche ungefähr die Person wieder geben. Sowohl PDQ als auch FATE hatten mit dieser Logik durch ihre Struktur aufgeräumt, und in der Art wie man diese Würfelwerte anwendet, sah ich mich genötigt, es Ihnen ähnlich zu tun. Auf den ersten Blick ist es nur eine Umbennenung. Da aber Charakteristika gleichzeitig darstellen sollen, wie man an eine Aufgabe herangeht. Damit gehen wir weg vom eigentlichen "Ich bin stark wegen Stärke Hoch"-Element. Der Charakterbogen ist keine optische Beschreibung, er ist eine Personen-, besser noch, Persönlichkeitsstudie. Indem wir es statt Attribute Charakteristika nennen, kommen wir der Idee dessen was sie präsentieren näher.
Spielstruktur durch Dreiklang
Angetrieben durch die Erfahrungen mit Spire und Blades in the Dark modellierte ich das Spielprinzip komplett um. Da ich schon vorher mit den anfänglich eingefügten Quests angefangen hatte, Spieler in eine Richtung von Ereigniskomplexen zu drücken, war es nun an der Zeit, den letzten Schritt zu vollführen. Mit Freispiel-Phase, Missionsphase und Ruhephase (FreePlay, Mission, Downtime) war mechanisch stärker und klarer abgrenzbar, in welchem Bereich welcher Effekt eintreten kann und sollte, und wie man mit bestimmten Spielmechaniken umgehen könnte. Dabei sollte Spiel immer im gleichen Zyklus laufen.
Spielziel-Formulierung
Wie oben erwähnt, habe ich mich intensiv damit auseinander gesetzt, was genau das Spiel eigentlich erreichen soll. Auch die Arbeit an Cthulhu, die ich in letzter Zeit durch Berge des Wahnsinns mache, floß dabei herein. Spielziel ist, als Spielergruppe gemeinsam den Abstieg der Charaktere trotz aller probleme durch Nachteile so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Gewinnen ist für ein Rollenspiel natürlich schwierig, aber da jeder Charakter einen klaren Endpunkt hat, ist davon auszugehen, dass auch mit dem neuen Steigerungssystem der Weg hinab Hauptspielinhalt sein muss. Damit steht unser Spielziel fest. Alles dreht sich um Korruption, Charakteristika-Verbesserung und Probleme, welche die Spielercharaktere verursachen, ob un- oder absichtlich.
Ressourcenmanagement von Charakteristika-Punkten
Charakteristika bleiben würfelbar, haben aber keinen +N Würfelmodifikator mehr. Stattdessen können Punkte von Charakteristika ausgegeben werden, um die gegen zu würfelnde Schwierigkeit zu senken. das führt dazu, da man nur begrenzr Punkte hat, dass ein Ressourcen- und Knappheitselement ins Spiel eingefügt wird. Man muss strategisch und taktisch denken, um Proben und Schwierigkeiten zu bewältigen. Das kann auf dem Charakterbogen markiert werden, im Testspiel kam aber auch der Vorschlag, das vielleicht durch kleine Token zu markieren, was ich eine unglaublich charmante Idee finde, so Daumengroße Marker zu haben, die man direkt hat und anzeigt, wieviele Punkte man noch zum investieren für eine Probe hat.
Würfelgrößen bleiben, beeinflussen aber Steigerung
Das gesamte alte Steigerungssystem von wegen 'Würfe sammeln bis besser' fliegt. Stattdessen dürfen Spieler in der Ruhephase für alle Charakteristika für die Punkte ausgegeben wurden mit einem (1) Würfel gleich ihrer Würfelgröße würfeln. Wenn sie gleich oder größer würfeln, steigt die Punktzahl um 1. Fertig. Mehr als 2 Steigerungen gehen nicht, aber die Würfelgröße bestimmt, wie hoch man kommt. Das wiederum führt dazu dass...
Nachteil kommt konstant in Ruhephase oder im Freien Spiel
Dadurch, dass Charaktere ihre maximal 2 Steigerungen direkt in der Ruhephase machen, ist der Nachteil und sein Auftreten als auch sein Effekt deutlich besser mechanisch steuerbar und tritt kalkuliert in einer vignetten-haft angespielten Kurzszene in der Ruhephase oder im nachfolgenden freien Spiel auf. Nach zumeist jeder Mission,was wiederum gleichzeitig ein Plotgenerator für die Spieler darstellt, da sie somit ihre eigenen Probleme erzeugen.
Talente raus, Eigenschaften Rein
Talents werden Traits. Spieler können diese Traits, oder Eigenschaften, nicht mehr verbessern, sie haben einen festen Einmal-Nutzen-Effekt, der auf einen Wurf oder bis Ende einer Szene läuft. Das macht die Effekte besser steuerbar und sorgt dafür dass Spieler etwas "nutzbares" haben, vergleichbar mit Kräften aus DnD 4. Aktuell plane ich, dafür kleine Kärtchen mit Rückseite und Regeltext auf Vorderseite zu basteln, aber ein Testspieler schlug auch grandios vor, einfach so kleine Büroklammern an den Charakterbogen neben Fähigkeiten zu setzen, die benutzt wurden. Direkt und offensichtlich sichtbar. Gegenstück ist, Spieler können auch negative Traits bekommen, die vom Spielleiter getriggert werden. Alle Traits sind dabei als Einmal pro Mission gedacht, wobei ich aktuell eine Auffrisch-Mechanik zwischend en Szenen überlege. Muss ich nochmal Gehirnschmalz für investieren...
Waffen, Rüstung, Ausrüstung allgemein
Waffen werden massiv zusammengekürzt, es gibt nur noch 3 Schadenswerte, es wird Stress verursacht, Kampfstile/Approaches sind komplett raus für den Moment, Rüstung wird zu Traits was es viel einfacher zu justieren macht und einen Abnutzungseffekt MIT einschließt, weil sie meist nur einen, dafür aber einen heftigen Treffer abfangen können.
Kontrahten werden Hindernisse (Opponents -> Obstacles)
Gegner-Werte werden weiter zusammen gestrichen. Sie haben nur noch 2 Werte. Eine Schwierigkeit fürs Gegenwürfeln und einen Stresswert. Letzterer wird nur benötigt, um festzustellen, wie man sie selbst ausschaltet. Wobei mir gerade auffällt, das könnte man auch rausrechenbar machen. Alle /3 teilen, TN (Target Number) 6 = 2 Stress, Tn 9 = 3 Stress, TN 12 = 4 Stress. Hmm. Dann bleiben nur Specials für 5 odre mehr Stress-Wesen. Interessant...
Achso, das Würfeln
Alle Proben haben Grundschwierigkeit 9, Unter 9 ist ein Misserfolg mit Fail Forward, 9-11 (Also =TN bis TN+2) ist ein Teilerfolg mit negativem Beigeschmack und 12+ (TN+3 u. mehr) ist ein voller Erfolg. Einfach, simpel, für alle Varianten anwendbar. Und Spielerkriegen bei Teilerfolgen immer 1 Stress, bei Missrefolgen Differenz um TN Stress. Da die Anchor-mechanik weiter existiert, kann ein Wurf effektiv oft genug wiederholt werden, dass es da zumindestens kein Problem geben sollte. -> Ein Regelkorsett für alle Situatonen
Das wiederum nötigte mir auf, das Kampfsystem wie es ist komplett zusammen zu streichen. Initiative ist wieder raus, wie auch die meisten Kampffähigkeiten. Hindernisse sind Kampf/Sozial/Abstrakt und bringen ihre Resolutionswerte gleich mit. und Spiel in Missionen passiert in kleinen Szenen, in welchen die Spieler ihre Punkte für Proben nutzen können und nach diesen direkte Erfolgserlebnisse bekommen, aber gleichzeitig unweigerlich auf der Korruptionsspirale weiter dem Abgrund entgegen schlittern...
Das System funktioniert ;)
PS: Natürlich fehlt das jetzt noch ne ganze Menge. Wie sieht eine Mission aus, wie stellt man sowas auf, die geht das mit den proben jetzt etc. Aber bin ich halt noch am ausklabüstern. Wird schon schiefgehen.
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