20211116

Legend Divide 2 oder "Echo-Kammer Design"

tl;Dr: Legend Divide 2 war eine wichtige Lehrlektion darin, wieso nicht alles gepaart mit Anime ein gutes Spiel ergibt, und Spielkonzepte die Spieler gegeneinander zwingen wenig Zuspruch bekommen.

2020. März.

Die Namenlosen Tage sind frisch abgesagt, Deutschland stürzt in seinen ersten Lockdown. Alle sind voller Hoffnung, die Medien sprechen von einem Impfmittel potenziell bis Weihnachten. Die Inzidenzen bis 35 bedeuten, dass ich mehr als genügend Zeit habe, um in den kommenden 12 Wochen am OkashiCon Anime RPG Wettbewerb teilzunehmen.

Es sind Wochen voller Entbehrungen. Fast alle Termine fallen aus. Versuche, Online-Rollenspiel zu starten, laufen ins Leere, ein Spieltest wird zu einer surrealen Erfahrung. Am Ende wird ein Spiel abgegeben, dass in der Rückschau seinem Thema nicht folgt, und nicht für das funktioniert das ich im Spiel erreichen will.

Aber fangen wir von vorne an. Im Rahmen des Wettbewerbs werden folgende Feststellungen gemacht:

  • Das Spiel muss eine Animesque Ästhetik und Spielgefühl haben
  • Es muss als Fokus eine Zeitspanne der Vergangenheit haben, und diese inhaltlich integrieren
  • Es muss zudem Riesenroboter einbauen

Da ich es bevorzuge, Dinge aufeinander aufzubauen, war ein früheres Spiel von 2017 Pate für ein paar Ideen, das damals geschriebene Legend Divide. Worum sollte es also gehen? Anders als in der frühen Bronzezeit und der dazugehörigen Sandbox, würden die Spieler eine Legende durch das Benutzen von Riesenrobotern und dem Schaffen von "göttlichen" Taten erlangen.

Inspiration war hier sehr stark Assassins Creed Odyseey sowie klassische Anime-Serien wie Gundam oder Evangelion. Wie aber das verwandeln? Mir half, dass ich, nachdem Legend Divide bereits den nahen Osten als Thema hatte, dass ich in der Eisenzeit das antike Griechenland bespielen könnte. So wurde das heroische Zeitalter des Mittelmeers meins Spielercharaktere, die sich ihre Göttlichkeit im Wettstreit verdienen mussten. Eine Idee war da.

Wettstreit. Spieler würden ihre Fähigkeiten durch Entwicklung der Charaktergeschichte wie ihrer Beziehung zu ihrer Heimat aufbauen. Damit war ein Grundstein sich entwickelnder Fähigkeiten gelegt. Wie aber das ganze verzahnen? Hier kam ich auf den Gedanken, dass Spieler grundlegend immer in ihre Titanen steigen müssten, da sie nie in nicht überlebensgroßen Herausforderungen auf eben solche Kontrahenten und Gefahren treffen würden. Der Titan war somit nicht Ultima Ratio, sondern das Mittel der Wahl.

So wurde das Konzept zu:

  • Spieler vertreten mächtige Krieger der wichtigsten Städte der Eisenzeit im Mittelmeer
  • Im Wettstreit mit und gegeneinander in "historischen Momenten" treten sie gegeneinander an, um in Titanen einander zu bekämpfen und sich und ihre Legende zu beweisen
  • Indem Spieler ihre Legende ausbauen, werden sie zu mythischen Taten und Momenten gezwungen, was ihnen den tragischen oder besonderen mythischen Touch gibt
  • Je weiter sie sich von ihren Wurzeln entfernen, umso unmenschlicher, aber auch besser im Titanensteuern werden sie
  • Diese Menschlichkeit wird durch "mythische Handlungen" reduziert, welche ihre Geschichte historisch tragisch oder mythisch machen soll, oder einfach animesqué
  • Gleichzeitig müssen sie sich in und außerhalb ihres Titanen mit wechselnden Fähigkeiten verteidigen oder Aktionen machen

 
 
Der fertige Charakterbogen deutet schon etwas an, das mir beim Basteln nicht vollständig bewusst war. Da er im Stil meiner bisherigen Werke als Excel-Werk gebastelt worden ist, ist er dichtgedrängt, übervoll, und vor allem verwirrend für das Auge gestaltet, wenn man nicht meine Erklärungen als Decodierung hat. Diese Überfülle ist jedoch nicht nur auf dem Charakterbogen erkennbar, sondern deutet sich auch im Spiel an. Was jedoch in anderen Spielen stärker versteckt wird, weil ein gutes Layout hier Gold wert ist, wird dem Spieler ins Gesicht gedrückt und macht prinzipiell unglücklich.

Neben den Verbindungen zu ihren Städten wird mit einem World Sheet die Spielwelt dargestellt, die entsprechenden "Krisen" dargestellt, welche dazu dienen die Spieler mit entsprechenden Gegnern und Bedrohungen zu füttern, und eine Karte zu geben, auf der die Ereignisse stattfinden. Das wiederum sorgt aber auch dafür, dass die Spieler sich auf eine Meta-Ebene begeben müssten, um die Karte sinnvoll zu nutzen. Eine Herausforderung.

Was war jetzt der Gameplay-Loop? Wie sollte Spiel aussehen?:

  • Die Spielleitung schafft eine Krise, oder präsentiert sie entsprechend der Beispiele
  • Die Spieler verköpern im freien Spiel ihre Charaktere und erkunden die Krise und ihre Auswirkung
  • Im Rahmen des Spiels idenzifizieren sie eine Bedrohung und konfrontieren diese
  • Das Konfrontieren kann zu Anfang ohne Titan passieren, wird aber zwangsläufig auf einen Titanenkampf hinauslaufen
  • Der Titanenkampf läutet einen "dramatischen Moment" ein
    • Im Dramatischen Moment agieren die Spieler nur mithilfe besonderer Fähigkeiten
    • Die Nutzung ihrer Fähigkeiten gibt Ihnen Dramapunkte
  • Nach Ablauf mehrerer Aktionen/Am Ende der Szene/Mit Höhepunkt des dramatischen Moments muss festgestellt werden, wie der dramatische Moment ausgeht
  • Die Handlung wird zuende geführt, die Krise kommt zu einem Ende
  • In kurzen, Vignetten, also angespielten Szenen, zeigen die Spieler was ihre Charaktere mit den Dramapunkten machen, und geben sie für mechanische Effekte aus
    • Das Ausgeben von Dramapunkten kann ihre Charaktere verbessern
  • Die Handlung geht in Richtung nächster Krise weiter
Damit ergibt sich, dass das Spiel eigentlich um die Krisen und ihre Lösung rotiert, ohne dass die Mechaniken dies indirekt andeuten würden, und eigentlich auch nciht darstellen, weil diese andeuten, dass es um die Mechs, also Titanen, und die Spielercharaktere sowie ihre Verbindungen geht. Hier ist schon ein Themenkonflikt deutlich.

Spieltest: Ein einzelner Spieltest wird während der Schreibphase gemacht. Ich habe ein gutes Gefühl, aber ich bin von meiner Idee auch überzeugt. Ein Fehler. Die Gruppe arbeitet nicht gut gegeneinander, man bevorzugt kooperatives Spiel. Ein Effekt, den ich, in der Rückschau, bei vielen Rollenspielrunden beobachte. Es benötigt die Bereitschaft und Fähigkeit, einander Böses zu tun in Rollenspielen, die über das normale "Gefrotzel" hinausgeht. Ein weiterer Grund, warum Grundkonzepte von Spielen wie Vampire etc. oft nicht gut funktionieren.

Die Spieler spielen dominant positiv zueinander, bringen die Sache ihrer Städte voran, der historische Moment funktioniert. Aber im Effekt bleibt das Feedback: "Es fühlt sich mehr wie ein Brettspiel, denn ein Rollenspiel an." Es werden fehlende Freiheiten mockiert, der Zwang, dass einen das Spiel in eine gewisse Richtung drängt, man immer Richtung Tragik geht, und der historische Hintergrund sich mit den Anime-Anteilen streite, überhaupt nicht zusammenpasse teilweise.

Der Buy-In ist nicht da. Für einen Oneshot ist es zu stark regellastig, das Hintergrundwissen zu gering bei den einzelnen. Für einen Kampagnentest bleibt keine Zeit, und die Gruppe passt nicht für das Spielprinzip.

Konzeptionell ist es niederschmetternd, weil das Spiel eine Gruppe braucht, die sowohl miteinander wie auch gegeneinander arbeiten kann. Faktisch werden damit die Einstiegskosten für die Spieler zu hoch. Letztlich gebe ich das Spiel später trotzdem so ab. Richtig glücklich damit bin ich nicht. Ich gewinne auch keine Preise damit, jenseits des Teilnehmerpreises, schlicht weil ich bis um Ende durchgehalten habe, im Kontrast zu denen, die vorher den Wettbewerb verlassen haben. Grmpfl.

Was ist jetzt mein Moratorium?

  • Zuviele Symbole verkomplizieren Charakterbogen und Regelwerk
    • Mehr Symbole als Ersatz funktioniert nur, wenn die Grundlagen verinnerlicht sind
  • Spieler spielen in 9/10 Fällen lieber kooperativ, als gegeneinander
    • Diejenigen, die gerne gegeneinander spielen, machen das lieber in Brettspielen als offen
    • Gegeneinander kann okay sein, wenn es verdeckte, kleine Sachen sind, nicht offenes gegeneinander agieren
  • Historie und Anime mixen sich nur gut, wenn der Buy-In für die Spieler einfach ist
  • Einfach ist ein Buy-In, der die Spieler anspricht, oder so überzogen ist, dass es kein Hintergrundwissen erfordern würde
  • Riesenroboter stellen die Frage, warum sie nicht ständig benutzbar sind
  • Ein zwingend tragisches Ende macht Spieler unglücklich
  • Spielerentwicklung, die nur mit Schmerzen verbunden ist, kann okay sein, wenn es nur Dinge betrifft, die Spieler nicht relevant für ihren Charakter finden
    • Umkehrschluss: Entwicklung die charakterrelevante Züge verändert finden Spieler scheiße
  • Brettspiel-Elemente dürfen Rollenspiel nicht ersetzen, nur ergänzen
    • Nicht alle Spieler werden gleichsam von Brettspiel-Anteilen angesprochen

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