Endlich an einer Tastatur. Kommen wir, von vorneweg einmal
zum Punkt der Sache, und gehen wir den Band nach und nach durch, dann kann ich
vermutlich am besten strukturieren, was meine Meinung zu Illaris angeht. Denn
ich kann dir jetzt schon sagen, dass diese nur verhalten ist, und stellenweise
ins Negative abrutschen wird. Aber der Reihe nach...
Eigentlich wollte ich jetzt seelenruhig und schlummertief
pennen. Aufgrund verschiedener Umstände bin ich heute Nacht aber irgendwie
schlaflos, also kann ich auch lustig rumtexten. Illaris.
Für ca. 25€ erhält man auf knapp 220 ein schlankes Hardcover
A4, mit einer schnieken und sehr beschwörerischen Front-Illustration welche die
mystische Kraft des W20 beschwört, und einen einfachen Rückentext, der neben
ein paar Bildern erläutert, was wir sehen.
Illaris ist ein von Fans verfasstest
Rollenspielregelwerk, das versucht, DSA5 und indirekt durch seinen
Konvertierungsleitfaden auch 4 zu verschlanken, schnell und einfach spielbar zu
machen.
Der Anspruch, selbstgesetzt? "Schlanke Regeln für
Aventurien". Den erfüllt es. Mein Anspruch? Narratives DSA mit konsequenter
Mechanik und vereinfachten, weil sinnvoll zusammengefassten Regeln. Den erfüllt
es nicht. Nicht ansatzweise. Wie kommt das?
Illaris ist innen vollfarbig in einem typischen
Altmanuskript-Layout in einem hellen Papierbraun gehalten, die Schrift ist
recht Verlagstypisch irgendwo um 8p gelandet, der Font ist lesbar. Es scheint
keine großartigen Textaussetzer zu geben, Layoutweise haben wir das klassische
Rollenspiel-2-Spalten-Layout. Unschön ist, dass an einigen Stellen Absätze im
Satz auf die nächste Seite abknicken, das ist bei Langsätzen unangenehm, bei
Textkästen wie Zaubern, die zusammen formatiert sein sollten, irgendwie
versagend.
Es wird ein detailliertes Innenverzeichnis verwendet, der Band ist
an verschiedenen Stellen zur optischen Auflockerung mit Bildern untermalt, es
gibt ein üppiges Werks- und Zauberglossar im Anhang. Echte Aussetzer, von wegen
schwarzer Text in schwarzem Grund habe ich nicht gesehen. Optik also B-Note.
Zum Inhalt
Illaris eröffnet mit seinen grundlegendsten
Mechaniken. 3w20. Ich müsste in der Vergangenheit dargelegt haben, dass ich
kein Freund dieser Mechanik bin. Das hat sich nicht geändert. *stöhn* Illaris
schüttelt das Ganze auf, indem es ansagt, dass man immer den zweithöchsten
Würfelwert verwendet um Proben zu bestimmen.
Positiv ist, dass man Werte nur
noch aufaddiert und hochrechnet, kein Unterwürfeln mehr notwendig. Immerhin.
Ansonsten, vergleichende Proben, Intervallproben (Detailgrade, so ein
Quatschname), Modifikationen in vier festen Stufen (2, 4, 8,16) sind sehr
lobenswert. Charaktere können helfen, und es werden mit
Wahrscheinlichkeitstabelle auch die Erfolgschancen offengelegt. Vorbildlich.
Nicht vorbildlich: Welche Art von vergleichender Probe
gemacht wird, muss sich die Runde erst für entscheiden. Alá DnD gegen Festwert,
alá DSA beide würfeln? Oder Mittelding mit, nur der "Aktive" würfelt
gegen semi-Festwert? Das kann erheblichen Spieleinfluss haben, und ist zu
schwammig, als dass man das der Runde überlassen sollte. Inkonsequent.
Weiter Unschön, denn danach folgt die Charaktererschaffung.
Ein Manko vieler Rollenspiele bleibt, dass Spielern nahegelegt wird, ohne
Wissen der Mechaniken Charaktere zu erstellen. Kommt zu Anfang meistens Grütze
bei raus, sollte man anders machen, versucht man es, wird genau das mokiert, weil
Rollenspieler auch keine Veränderungen mögen. Wie man es macht, macht man es
falsch.
Positiv: Charaktere können "Eigenheiten", also
Aspekte haben, die recht frei benennbar sind, und diese können sich ändern.
Sozialstatus ist auf Status in 5 Stufen eingedampft, aber macht DSA5 qua auch
schon. Man verteilt EP, selbst ein Neuling fängt mit 2000 an. Schön zu sehen,
dass sich das System im Spiel so weiter fortsetzt, aber doof dass man wieder
mit Gigantozahlen rechnet, statt mit kleinen, am besten einstelligen Werten.
Zudem wird vorgeschlagen dass man so 20-40 EP je 4h Rollenspielsitzung bekommen
sollte. Da viele typische Rollenspielrelevanten Talente schnell teuer werden,
ist das...schlicht zu wenig. Hier scheint Bauerngaming angesagt... Attribute sind
übrigens noch schlimmer. Jeder Punkt ist neuer Wert x 16. Argh.
Fertigkeiten sind in Relevanten und freie unterteilt, wobei
letztere günstig für wenige Punkte in 3 Stufen gekauft werden können. Warum so,
und nicht anders, erschließt sich mir nicht, aber hey, muss es ja auch nicht.
Insbesondere, weil man das ja auch super hätte anglichen können mit den
normalen Fertig...ach, lassen wir das, ich bin zum Rezensieren, nicht
modifizieren hier. Zauber und Liturgien werden separat erwähnt, kosten aber
systematisch gleich zum Steigern. Immerhin. Ausrüstung muss man sich nach dem
jeweiligen DSA-Werk kaufen, Illaris enthält nur den echten, notwendigsten
Regelkern.
Nebenbemerkung: Charaktere kriegen auch Schicksalspunkte,
was ich grundsätzlich positiv finde. Interessant ist zudem, dass Eigenheiten
vom Spielleiter gereizt werden können für...ach, fuck, es sind wirklich
Fate-Aspekte. Entweder durch Spieler reizen, Spielleiter, oder selbst anwerfen,
um neue Schicksalspunkte zu generieren. Wirkt akzeptabel zusammengefasst, etwas
befremdlich das hier so zu sehen.
Zum Schluss noch eine Übersicht für Beispiele
von Eigenheiten, die ...nicht immer super gut benannt sind. Es fehlt das Feuer,
das FATE verlangt, viele sind eher...suspekt in seiner Art. Abschließend gibt
es dann noch Regeln für den Status, welcher sich auf...Lebenserhaltungskosten
auswirkt. Und recht überraschend, selbst Abschaum lebt von einer Dukate im
Monat. Zu kleinteilig, aber typisch DSA.
Es werden die klassischen DSA-Attribute benutzt, sowie
sechst abgeleitete Werte...Wundschwelle, Geschwindigkeit, Ini, Schadensbonus,
Durchhaltevermögen. Wirkt noch nicht so recht intuitiv. Schöne Symbole dafür
aber. Positiv, dass alle nur je 4 Punkte Boni bringen. Sehr stringent.
Fertigkeiten und Talente sind...recht altbekannt. Wobei
Fertigkeiten grundlegende Beschreibungen sind, und Talente eher
Spezialbegabungen. Würfelt man mit einer Fertigkeit, deren Talent man gerade
nicht hat, halbiert man seinen Wert. Nicht so geil, ich sehe viel gezielte
Inkompetenz. Dann kommen die Vorteile. Etwas verwunderlich NEBEN den
Eigenheiten, aber hey, typisch DSA.
Und ebenso fungieren die meisten davon, man
bekommt einen passenden Bonus und hofft, dass er entweder immer greift, und der
Spielleiter ihn nicht wegnimmt, und viele haben den Faktor mit Selten oder extrem
selten für Nachkauf. Vorteile können auch nach der Charaktererschaffung
erworben werden, aber auch das wieder ein "GM MAY I?". Unschön. Ich
werd die Dinger nicht aufzählen, bin ich viel zu faul zu. Sind weniger als im
großen DSA, aber eine sehr...durchwachsene weil seltsame Auswahl.
Statt Lebenspunkte haben Charaktere einfach eine
Statusleiste mit 8 Punkten, die gekreuzt werden und Mali geben, je weiter sie
geht, damit man eine schöne Todesspirale hat. Wer einmal im Sterben liegt, kann
sich schlechter wehren, liegt danach also noch mehr im Sterben. Besonders gut:
Optionalregeln für Trefferzonen. VERSCHLANKEN...VER...ach vergesst es.
Charaktere können Wunden oder Erschöpfung ansammeln, denn es ist wichtig, das
differenziert aufzutragen, wer nämlich zu lange auf Marsch, Lauf oder Schwimmen
ist, kriegt schnell schwere Erschöpfung, und muss dann 1-8h rasten, je nachdem.
Die Regeln sind da unklar, weil mindestens eine Stunde und "maximal"
eine Nacht ist schwammig...da ist es wichtiger, das wir von Lavahitze zur
niederhöllischen Kälte auf jeden Fall alle Temperaturmodifikatoren mit
einbringen...so ein unwichtiger Quark.
Als ob es einen Unterschied macht, ob
ich in Khomglut laufe, oder nicht. Davon ab, dass "Heiß" 40-60°C sein
sollen. Temperaturen, die übrigens keinen Schaden, nur Erschöpfung verursachen.
Erst darüber gibt es dann echten Schaden bei Handlungen. Zudem unzählige Gifte,
yay...wie man es aus DSA gewohnt ist, von Arax, zu Purpurblitz und Kukris ist
alles dabei.
Danach geht es mit den Kampfregeln weiter. Positiv:
Charaktere handeln nach fester Initiativereihenfolge, haben einige wenige
Aktionen. Negativ: Es gibt alleine 7 Aktionen, zusätzlich zu freien und
Reaktionen. Richtig bizarr wird es, wenn das Spiel implizit Hex-Bodenpläne
auffährt in kleinen Bildern. Sieht super aus, steigert den Komplexitätsgrad und
die Kampfdauer massiv.
Dann die Anzahl an Manövern, welche von Basis, zu
Eingeschränkt, über Aufbauende gehen, was sich als eine Art kleines Kombo-System
entpuppt. Nette Idee, aber ideal nicht gut eingebracht, da es nicht auf dem
Bogen erwähnt wird, zusätzliche Komplexität befördert und im Grunde genommen
wieder nur kleine Vorteile gibt. Positiv immerhin, sie ziehen ihr Mali-System
konsequent weiter. Verteidigen ist übrigens schnell sehr stark mit Mali
behaftet (Ab 2ter Verteidigung jeweils -4 auf Probe), was zu einer schnell
Untergangsspirale führt. Überzahl-Kämpfe eher nicht, kein Pulp im System.
Wer
mehr Attacken hat, gewinnt, da mehrere Attacken keinen derartigen Malus haben.
Interessant ist hier, dass Verteidigung hier immer vergleichend mit einem w20
gewürfelt wird, was klassisch und richtig ist, sich aber gegen die Logik des
"Wir bieten alle Möglichkeiten an stemmt" und wieder mehr Zeit
kostet. Und natürlich wieder ganz diverse Klein-Klein-Modifikatoren für
Lichtverhältnisse, Reichweite, Position, etc...
Positiv: Kampfvorteile, schicke Symbole zu den Attributen
passend, dabei schöne Sachen drin, aber schnell sehr teuer. Fernkampf wird nur
eine halbe Seite unter den Optionalregeln eingeräumt, was seltsam inkohärent
ist. Dafür ist Reiterkampf eine Viertelseite, was mich freut und jeden der die
DSA-4-Reiterkampf-Regeln kennt. Dann haben alle Waffen schicke Bilder und es
gibt Weapon Tags, aber jede Waffe hat wiederum eigene TP, Reichweite und
Modifikatoren...gut angefangen, falsch zu Ende gebracht. Argh
Im Kapitel Profanes geht es um Rededuelle (SEHR GUT!), sowie
Verfolgungsjagden, beides schnell und kurz abhandelbar, aber mit krassen Mali
behaftet teilweise. Die Massekampf-Regeln hingegen sind sehr seltsam, da sie
kurz und knapp laufen, als Intervall auf Anführen gehen in vergleichenden
Proben, aber von Heeresstärke reden, ohne dass ich weiß, woher die kommt, wie
die sich berechnet, und was das Ergebnis eines solchen Interwallwurfes aussagt.
Das ist...gelinde gesagt etwas verquer. Dann kommen die Handwerks-Regeln, denn
es bleibt ja DSA, zudem Alchemie für Gifte und Tränke, und Jagdregeln. Alter...;
Im Vergleich dazu finde ich die Informationen Recherchieren-Regeln sogar
sinnvoll, aber sie laufen irgendwie im Korpus des Profanen den anderen Regeln
zu wieder, und sind auch kleinteilig.
Dann kommt das Magiekapitel. Das läuft grundsätzlich gleich
ab, über Vorteile und Astralpunkte, man wählt den Zauber, nutzt die Aktionen,
würfelt gegen 12 oder Magieresistenz und dann wird der entsprechende Effekt
durchgeführt. Das wäre an und für sich, neben den nutzlosen
Klein-Klein-Modifikatoren noch ok, auch die Vorteile, nach Tradition aufgeteilt
sind seltsam explizit aber differenzierbar, weitere Regeln sind nett, aber
eigentlich nicht sinnvoll, aber dann kommt das Liturgien-Kapitel, dabei werden
Karmatiker wieder kacke beim Regenerieren von Karma-Energie weil DSAler keinen
Spaß wollen, und sonst wirken Liturgien wie Magie die nicht mächtig sein darf.
Dem folgt das ähnliche Kapitel mit Paktierern und Gunstpunkten, kleinen Pakten,
Paktbrüchen, und Anrufungen. Jetzt kommt ein Bestiarium, die Monster sind schön
nach Kategorien und Symbolen eingeteilt, dazu kommen Regeln für Kolosse und
Endgegner wie Schwärme, man kriegt Hoffnung, ein paar Besonderheiten als Tags,
ich werd ganz fuchsig weil ich Hoffnung schöpfen und dann...ist es doch wieder
für jedes Monster ein einzelner besonderer Bestiariumseintrag mitsamt ganz
dolle viel Platz und Werten. Gnaaa.
Achso, und natürlich noch Sonderfähigkeiten, Kampfvorteilen,
eventuellen tausend Attacken, Zaubern und besonderem Vorgehen. Nein, ich find
das nicht super gelöst. Alle Elemente und Dämonen werden zudem nach typischen
Diensten in Listenform aufgeführt, immerhin sind die Bilder knuffig, und der
Zant und Heshtot wirken sehr gelungen und fies. Vor allem ohne Tigerpuschen.
Die Zauberliste ist dann nur noch lächerlich. Nimmt fast 80
Seiten ein, ist nach Tradition, Gottheit, speziellem Zaubernamen getrennt, und
jeder Zauber ist ewig lang und nicht gut formatiert. Ja, DSA hat sehr
einzigartige Zauber, nein schlanke Regeln müssen das nicht direkt so abbilden
sondern könnten das auf 20 Seiten generalisiert runter brechen, aber dann
meckert ja wieder jeder weil der Zauberer und Paktierer beide
"Elementarstrahl" nutzen und der eine halt als Ignifaxius, der andere
als Dämonenstrahl...grummel grummel
Der Anhang listet alle wichtigen Sachen in Tabellenform noch
einmal auf, gibt Glossar und Zauberindex wieder, und den...eher nicht so
schönen Charakterbogen.
Fazit
Illaris schreibt sich auf die Fahne, schlankere Regeln in
einem Buch für DSA zu bieten. Das ist sein eigener Anspruch, das klappt, es ist
alles dabei, ich kann DSA komplett mit einem, nämlich diesem Regelwerk
bespielen, egal was meine Spezies, Profession oder magische Begabung ist. Alle
Monster, Sonderregeln und sonstige Elemente werden angesprochen.
Aber für mich ist das Ganze ein vollkommen illusorisches und
auf Kleinteilerei bedachtes nutzloses Buch, da ich DSA viel zu nutzlos komplex
finde, und Illaris das nicht besser macht, da es quasi alte Traditionen
beibehält und nicht bereits ist mit dem zu brechen, was DSA letztlich in der
Design-Steinzeit hält.
Die Zugabe von Eigenheiten alá FATE-Aspekten und
Schicksalspunkten ist ein nettes Gimmick, passt aber weder in den restlichen
Regelkörper, noch ist das ganze sinnvoll verzahnt, die tausend Modifikatoren an
allen Ecken sind nutzlos wenn man zu Anfang ein 4-Stufen-System etabliert und
dann doch wieder jeder Situation einen Modi zuordnet, statt das dem SL zu
überlassen und an vielen Stellen ist das Werk extrem unausgereift.
Kurzum, wer
DSA mit schlanken Regeln will, die immer noch fast 1zu1 DSA5/4 sind, kann
bedenkenlos zu Illaris greifen, der Rest bespielt Aventurien bitte weiterhin
mit ...was weiß ich, FATE, Fragged Kingdoms, Gurps Lite oder so. Irgendwas, wo
das Spiel halt funktioniert und weiß was es will. Ich mag’s nicht, aber ich bin
auch Rollenspiel-Masochist.
Darf ich deine Rezension kurz zusammenfassen:
AntwortenLöschen"Ilaris behauptet ein Erzählrollenspiel zu sein, ist aber in Wirklichkeit ganz fürchterlich gamistisch und daher doof".
Es gibt tatsächlich Spieler (wie mich), die ein Rollenspiel (auch) als Strategiespiel spielen - für die DSA4/5 aber wieder zu umfangreich ist.
Für diese Zielgruppe ist deine Rezension nicht wirklich hilfreich.
Ich kann nachvollziehen, wie der Eindruck entsteht. Du hast recht, den Blickwinkel ziehe ich im Review nicht durch, dir aber widersprechen, dass es aufgrund der "Gamismus vs Narrative"-Aspekte wäre.
AntwortenLöschenMir missfällt ja, dass sie nicht konsequent runtergeschlankt haben, alá Spellbound Kingdoms oder ähnliche Spiele, da die Mechaniken das Taktik- und Strategiespiel dann ...naja, "runder" machen würden. Es ist im Grunde genommen für mich eine vertane Chance.