20190630

Illaris oder wie ich lernte das Chroniken nunmal altbacken sind...


Endlich an einer Tastatur. Kommen wir, von vorneweg einmal zum Punkt der Sache, und gehen wir den Band nach und nach durch, dann kann ich vermutlich am besten strukturieren, was meine Meinung zu Illaris angeht. Denn ich kann dir jetzt schon sagen, dass diese nur verhalten ist, und stellenweise ins Negative abrutschen wird. Aber der Reihe nach...

Eigentlich wollte ich jetzt seelenruhig und schlummertief pennen. Aufgrund verschiedener Umstände bin ich heute Nacht aber irgendwie schlaflos, also kann ich auch lustig rumtexten. Illaris.

Für ca. 25€ erhält man auf knapp 220 ein schlankes Hardcover A4, mit einer schnieken und sehr beschwörerischen Front-Illustration welche die mystische Kraft des W20 beschwört, und einen einfachen Rückentext, der neben ein paar Bildern erläutert, was wir sehen. 

Illaris ist ein von Fans verfasstest Rollenspielregelwerk, das versucht, DSA5 und indirekt durch seinen Konvertierungsleitfaden auch 4 zu verschlanken, schnell und einfach spielbar zu machen.

Der Anspruch, selbstgesetzt? "Schlanke Regeln für Aventurien". Den erfüllt es. Mein Anspruch? Narratives DSA mit konsequenter Mechanik und vereinfachten, weil sinnvoll zusammengefassten Regeln. Den erfüllt es nicht. Nicht ansatzweise. Wie kommt das?

Illaris ist innen vollfarbig in einem typischen Altmanuskript-Layout in einem hellen Papierbraun gehalten, die Schrift ist recht Verlagstypisch irgendwo um 8p gelandet, der Font ist lesbar. Es scheint keine großartigen Textaussetzer zu geben, Layoutweise haben wir das klassische Rollenspiel-2-Spalten-Layout. Unschön ist, dass an einigen Stellen Absätze im Satz auf die nächste Seite abknicken, das ist bei Langsätzen unangenehm, bei Textkästen wie Zaubern, die zusammen formatiert sein sollten, irgendwie versagend. 

Es wird ein detailliertes Innenverzeichnis verwendet, der Band ist an verschiedenen Stellen zur optischen Auflockerung mit Bildern untermalt, es gibt ein üppiges Werks- und Zauberglossar im Anhang. Echte Aussetzer, von wegen schwarzer Text in schwarzem Grund habe ich nicht gesehen. Optik also B-Note.

Zum Inhalt
Illaris eröffnet mit seinen grundlegendsten Mechaniken. 3w20. Ich müsste in der Vergangenheit dargelegt haben, dass ich kein Freund dieser Mechanik bin. Das hat sich nicht geändert. *stöhn* Illaris schüttelt das Ganze auf, indem es ansagt, dass man immer den zweithöchsten Würfelwert verwendet um Proben zu bestimmen. 

Positiv ist, dass man Werte nur noch aufaddiert und hochrechnet, kein Unterwürfeln mehr notwendig. Immerhin. Ansonsten, vergleichende Proben, Intervallproben (Detailgrade, so ein Quatschname), Modifikationen in vier festen Stufen (2, 4, 8,16) sind sehr lobenswert. Charaktere können helfen, und es werden mit Wahrscheinlichkeitstabelle auch die Erfolgschancen offengelegt. Vorbildlich.

Nicht vorbildlich: Welche Art von vergleichender Probe gemacht wird, muss sich die Runde erst für entscheiden. Alá DnD gegen Festwert, alá DSA beide würfeln? Oder Mittelding mit, nur der "Aktive" würfelt gegen semi-Festwert? Das kann erheblichen Spieleinfluss haben, und ist zu schwammig, als dass man das der Runde überlassen sollte. Inkonsequent.

Weiter Unschön, denn danach folgt die Charaktererschaffung. Ein Manko vieler Rollenspiele bleibt, dass Spielern nahegelegt wird, ohne Wissen der Mechaniken Charaktere zu erstellen. Kommt zu Anfang meistens Grütze bei raus, sollte man anders machen, versucht man es, wird genau das mokiert, weil Rollenspieler auch keine Veränderungen mögen. Wie man es macht, macht man es falsch.

Positiv: Charaktere können "Eigenheiten", also Aspekte haben, die recht frei benennbar sind, und diese können sich ändern. Sozialstatus ist auf Status in 5 Stufen eingedampft, aber macht DSA5 qua auch schon. Man verteilt EP, selbst ein Neuling fängt mit 2000 an. Schön zu sehen, dass sich das System im Spiel so weiter fortsetzt, aber doof dass man wieder mit Gigantozahlen rechnet, statt mit kleinen, am besten einstelligen Werten. 

Zudem wird vorgeschlagen dass man so 20-40 EP je 4h Rollenspielsitzung bekommen sollte. Da viele typische Rollenspielrelevanten Talente schnell teuer werden, ist das...schlicht zu wenig. Hier scheint Bauerngaming angesagt... Attribute sind übrigens noch schlimmer. Jeder Punkt ist neuer Wert x 16. Argh.

Fertigkeiten sind in Relevanten und freie unterteilt, wobei letztere günstig für wenige Punkte in 3 Stufen gekauft werden können. Warum so, und nicht anders, erschließt sich mir nicht, aber hey, muss es ja auch nicht. Insbesondere, weil man das ja auch super hätte anglichen können mit den normalen Fertig...ach, lassen wir das, ich bin zum Rezensieren, nicht modifizieren hier. Zauber und Liturgien werden separat erwähnt, kosten aber systematisch gleich zum Steigern. Immerhin. Ausrüstung muss man sich nach dem jeweiligen DSA-Werk kaufen, Illaris enthält nur den echten, notwendigsten Regelkern.

Nebenbemerkung: Charaktere kriegen auch Schicksalspunkte, was ich grundsätzlich positiv finde. Interessant ist zudem, dass Eigenheiten vom Spielleiter gereizt werden können für...ach, fuck, es sind wirklich Fate-Aspekte. Entweder durch Spieler reizen, Spielleiter, oder selbst anwerfen, um neue Schicksalspunkte zu generieren. Wirkt akzeptabel zusammengefasst, etwas befremdlich das hier so zu sehen. 

Zum Schluss noch eine Übersicht für Beispiele von Eigenheiten, die ...nicht immer super gut benannt sind. Es fehlt das Feuer, das FATE verlangt, viele sind eher...suspekt in seiner Art. Abschließend gibt es dann noch Regeln für den Status, welcher sich auf...Lebenserhaltungskosten auswirkt. Und recht überraschend, selbst Abschaum lebt von einer Dukate im Monat. Zu kleinteilig, aber typisch DSA.

Es werden die klassischen DSA-Attribute benutzt, sowie sechst abgeleitete Werte...Wundschwelle, Geschwindigkeit, Ini, Schadensbonus, Durchhaltevermögen. Wirkt noch nicht so recht intuitiv. Schöne Symbole dafür aber. Positiv, dass alle nur je 4 Punkte Boni bringen. Sehr stringent.

Fertigkeiten und Talente sind...recht altbekannt. Wobei Fertigkeiten grundlegende Beschreibungen sind, und Talente eher Spezialbegabungen. Würfelt man mit einer Fertigkeit, deren Talent man gerade nicht hat, halbiert man seinen Wert. Nicht so geil, ich sehe viel gezielte Inkompetenz. Dann kommen die Vorteile. Etwas verwunderlich NEBEN den Eigenheiten, aber hey, typisch DSA. 

Und ebenso fungieren die meisten davon, man bekommt einen passenden Bonus und hofft, dass er entweder immer greift, und der Spielleiter ihn nicht wegnimmt, und viele haben den Faktor mit Selten oder extrem selten für Nachkauf. Vorteile können auch nach der Charaktererschaffung erworben werden, aber auch das wieder ein "GM MAY I?". Unschön. Ich werd die Dinger nicht aufzählen, bin ich viel zu faul zu. Sind weniger als im großen DSA, aber eine sehr...durchwachsene weil seltsame Auswahl.

Statt Lebenspunkte haben Charaktere einfach eine Statusleiste mit 8 Punkten, die gekreuzt werden und Mali geben, je weiter sie geht, damit man eine schöne Todesspirale hat. Wer einmal im Sterben liegt, kann sich schlechter wehren, liegt danach also noch mehr im Sterben. Besonders gut: Optionalregeln für Trefferzonen. VERSCHLANKEN...VER...ach vergesst es. 

Charaktere können Wunden oder Erschöpfung ansammeln, denn es ist wichtig, das differenziert aufzutragen, wer nämlich zu lange auf Marsch, Lauf oder Schwimmen ist, kriegt schnell schwere Erschöpfung, und muss dann 1-8h rasten, je nachdem. Die Regeln sind da unklar, weil mindestens eine Stunde und "maximal" eine Nacht ist schwammig...da ist es wichtiger, das wir von Lavahitze zur niederhöllischen Kälte auf jeden Fall alle Temperaturmodifikatoren mit einbringen...so ein unwichtiger Quark. 

Als ob es einen Unterschied macht, ob ich in Khomglut laufe, oder nicht. Davon ab, dass "Heiß" 40-60°C sein sollen. Temperaturen, die übrigens keinen Schaden, nur Erschöpfung verursachen. Erst darüber gibt es dann echten Schaden bei Handlungen. Zudem unzählige Gifte, yay...wie man es aus DSA gewohnt ist, von Arax, zu Purpurblitz und Kukris ist alles dabei.

Danach geht es mit den Kampfregeln weiter. Positiv: Charaktere handeln nach fester Initiativereihenfolge, haben einige wenige Aktionen. Negativ: Es gibt alleine 7 Aktionen, zusätzlich zu freien und Reaktionen. Richtig bizarr wird es, wenn das Spiel implizit Hex-Bodenpläne auffährt in kleinen Bildern. Sieht super aus, steigert den Komplexitätsgrad und die Kampfdauer massiv. 

Dann die Anzahl an Manövern, welche von Basis, zu Eingeschränkt, über Aufbauende gehen, was sich als eine Art kleines Kombo-System entpuppt. Nette Idee, aber ideal nicht gut eingebracht, da es nicht auf dem Bogen erwähnt wird, zusätzliche Komplexität befördert und im Grunde genommen wieder nur kleine Vorteile gibt. Positiv immerhin, sie ziehen ihr Mali-System konsequent weiter. Verteidigen ist übrigens schnell sehr stark mit Mali behaftet (Ab 2ter Verteidigung jeweils -4 auf Probe), was zu einer schnell Untergangsspirale führt. Überzahl-Kämpfe eher nicht, kein Pulp im System. 

Wer mehr Attacken hat, gewinnt, da mehrere Attacken keinen derartigen Malus haben. Interessant ist hier, dass Verteidigung hier immer vergleichend mit einem w20 gewürfelt wird, was klassisch und richtig ist, sich aber gegen die Logik des "Wir bieten alle Möglichkeiten an stemmt" und wieder mehr Zeit kostet. Und natürlich wieder ganz diverse Klein-Klein-Modifikatoren für Lichtverhältnisse, Reichweite, Position, etc...

Positiv: Kampfvorteile, schicke Symbole zu den Attributen passend, dabei schöne Sachen drin, aber schnell sehr teuer. Fernkampf wird nur eine halbe Seite unter den Optionalregeln eingeräumt, was seltsam inkohärent ist. Dafür ist Reiterkampf eine Viertelseite, was mich freut und jeden der die DSA-4-Reiterkampf-Regeln kennt. Dann haben alle Waffen schicke Bilder und es gibt Weapon Tags, aber jede Waffe hat wiederum eigene TP, Reichweite und Modifikatoren...gut angefangen, falsch zu Ende gebracht. Argh

Im Kapitel Profanes geht es um Rededuelle (SEHR GUT!), sowie Verfolgungsjagden, beides schnell und kurz abhandelbar, aber mit krassen Mali behaftet teilweise. Die Massekampf-Regeln hingegen sind sehr seltsam, da sie kurz und knapp laufen, als Intervall auf Anführen gehen in vergleichenden Proben, aber von Heeresstärke reden, ohne dass ich weiß, woher die kommt, wie die sich berechnet, und was das Ergebnis eines solchen Interwallwurfes aussagt. 

Das ist...gelinde gesagt etwas verquer. Dann kommen die Handwerks-Regeln, denn es bleibt ja DSA, zudem Alchemie für Gifte und Tränke, und Jagdregeln. Alter...; Im Vergleich dazu finde ich die Informationen Recherchieren-Regeln sogar sinnvoll, aber sie laufen irgendwie im Korpus des Profanen den anderen Regeln zu wieder, und sind auch kleinteilig.

Dann kommt das Magiekapitel. Das läuft grundsätzlich gleich ab, über Vorteile und Astralpunkte, man wählt den Zauber, nutzt die Aktionen, würfelt gegen 12 oder Magieresistenz und dann wird der entsprechende Effekt durchgeführt. Das wäre an und für sich, neben den nutzlosen Klein-Klein-Modifikatoren noch ok, auch die Vorteile, nach Tradition aufgeteilt sind seltsam explizit aber differenzierbar, weitere Regeln sind nett, aber eigentlich nicht sinnvoll, aber dann kommt das Liturgien-Kapitel, dabei werden Karmatiker wieder kacke beim Regenerieren von Karma-Energie weil DSAler keinen Spaß wollen, und sonst wirken Liturgien wie Magie die nicht mächtig sein darf. 

Dem folgt das ähnliche Kapitel mit Paktierern und Gunstpunkten, kleinen Pakten, Paktbrüchen, und Anrufungen. Jetzt kommt ein Bestiarium, die Monster sind schön nach Kategorien und Symbolen eingeteilt, dazu kommen Regeln für Kolosse und Endgegner wie Schwärme, man kriegt Hoffnung, ein paar Besonderheiten als Tags, ich werd ganz fuchsig weil ich Hoffnung schöpfen und dann...ist es doch wieder für jedes Monster ein einzelner besonderer Bestiariumseintrag mitsamt ganz dolle viel Platz und Werten. Gnaaa.

Achso, und natürlich noch Sonderfähigkeiten, Kampfvorteilen, eventuellen tausend Attacken, Zaubern und besonderem Vorgehen. Nein, ich find das nicht super gelöst. Alle Elemente und Dämonen werden zudem nach typischen Diensten in Listenform aufgeführt, immerhin sind die Bilder knuffig, und der Zant und Heshtot wirken sehr gelungen und fies. Vor allem ohne Tigerpuschen.

Die Zauberliste ist dann nur noch lächerlich. Nimmt fast 80 Seiten ein, ist nach Tradition, Gottheit, speziellem Zaubernamen getrennt, und jeder Zauber ist ewig lang und nicht gut formatiert. Ja, DSA hat sehr einzigartige Zauber, nein schlanke Regeln müssen das nicht direkt so abbilden sondern könnten das auf 20 Seiten generalisiert runter brechen, aber dann meckert ja wieder jeder weil der Zauberer und Paktierer beide "Elementarstrahl" nutzen und der eine halt als Ignifaxius, der andere als Dämonenstrahl...grummel grummel

Der Anhang listet alle wichtigen Sachen in Tabellenform noch einmal auf, gibt Glossar und Zauberindex wieder, und den...eher nicht so schönen Charakterbogen.

Fazit
Illaris schreibt sich auf die Fahne, schlankere Regeln in einem Buch für DSA zu bieten. Das ist sein eigener Anspruch, das klappt, es ist alles dabei, ich kann DSA komplett mit einem, nämlich diesem Regelwerk bespielen, egal was meine Spezies, Profession oder magische Begabung ist. Alle Monster, Sonderregeln und sonstige Elemente werden angesprochen.

Aber für mich ist das Ganze ein vollkommen illusorisches und auf Kleinteilerei bedachtes nutzloses Buch, da ich DSA viel zu nutzlos komplex finde, und Illaris das nicht besser macht, da es quasi alte Traditionen beibehält und nicht bereits ist mit dem zu brechen, was DSA letztlich in der Design-Steinzeit hält. 

Die Zugabe von Eigenheiten alá FATE-Aspekten und Schicksalspunkten ist ein nettes Gimmick, passt aber weder in den restlichen Regelkörper, noch ist das ganze sinnvoll verzahnt, die tausend Modifikatoren an allen Ecken sind nutzlos wenn man zu Anfang ein 4-Stufen-System etabliert und dann doch wieder jeder Situation einen Modi zuordnet, statt das dem SL zu überlassen und an vielen Stellen ist das Werk extrem unausgereift. 

Kurzum, wer DSA mit schlanken Regeln will, die immer noch fast 1zu1 DSA5/4 sind, kann bedenkenlos zu Illaris greifen, der Rest bespielt Aventurien bitte weiterhin mit ...was weiß ich, FATE, Fragged Kingdoms, Gurps Lite oder so. Irgendwas, wo das Spiel halt funktioniert und weiß was es will. Ich mag’s nicht, aber ich bin auch Rollenspiel-Masochist.

2 Kommentare:

  1. Darf ich deine Rezension kurz zusammenfassen:
    "Ilaris behauptet ein Erzählrollenspiel zu sein, ist aber in Wirklichkeit ganz fürchterlich gamistisch und daher doof".

    Es gibt tatsächlich Spieler (wie mich), die ein Rollenspiel (auch) als Strategiespiel spielen - für die DSA4/5 aber wieder zu umfangreich ist.
    Für diese Zielgruppe ist deine Rezension nicht wirklich hilfreich.


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  2. Ich kann nachvollziehen, wie der Eindruck entsteht. Du hast recht, den Blickwinkel ziehe ich im Review nicht durch, dir aber widersprechen, dass es aufgrund der "Gamismus vs Narrative"-Aspekte wäre.

    Mir missfällt ja, dass sie nicht konsequent runtergeschlankt haben, alá Spellbound Kingdoms oder ähnliche Spiele, da die Mechaniken das Taktik- und Strategiespiel dann ...naja, "runder" machen würden. Es ist im Grunde genommen für mich eine vertane Chance.

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