20100223

An einem dieser Tage

Als ich die Tage mit der Bahn fuhr, hatte ich beim Blick auf den schmelzenden Schnee der letzten Tage einen Gedanken. Ich dachte, wie es wohl wäre, wenn ich vor 100 Jahren geboren wäre, und wie ich wohl damals gelebt hätte.

Pferdekutschen würden gerade gegen erste Automobile ausgetauscht, die Industrialisierung in vollem Gange, Schreibmaschinen halten Einzug in das literarische Genre, Die Kriegsmaschinerie erlaubt in 4 Jahren den ersten wirklich weltumspannenden Krieg der Epoche. Die Menschen leben vollkommen anders und doch so vergleichbar wie wir heute.

Danach dachte ich, wie verlogen dieser Gedanke eigentlich sein musste. Ich wusste bereits, dass ich eigentlich nicht wirklich vorhatte, den Komfort der Moderne aufzugeben, und wirklich damals leben würde ich nur wollen, in dem Wissen darum, was sich ereignen würde, ein überlegener Beobachter und Manipulator von Geschehnissen die ihm selbst bereits bekannt waren. Ein Profiteur, wenn ich das so sagen darf.

Und so ist es oft, eine Lüge uns selbst gegenüber. Wie seltsam. Fast tragikomisch.

Ein anderes Ereignis spielte sich die Tage in der Straßenbahn Bremens ab, auch witzig, ich sage immer S-Bahn, nur um von meinen Mitmenschen berichtigt zu werden, dass S-Bahn ja die Abkürzung für Schnellbahn sei.

Ich war mit einem Bekannten, den ich an der Uni getroffen hatte und mit dem ich kurzerhand Richtung Innenstadt gezogen war, gerade in jener S-Bahn also, und wir standen gegenüber einer der doppelflügeligen Türen in jenen Bereichen, in denen sonst Kinderwägen und ähnliches standen, während wir uns über dieses und jenes den Kopf zerbrachen. An einer Station stieg ein älterer Herr ein, zwischen 35 und 50, braungrauer Vollbart, ungewaschen oder insgesamt gepflegt, wippt stetig an einer der Haltestangen, grinst in sich hinein, und öfter mal am kichern. Aufgrund meiner Position zur Tür wippt er dabei öfter zu mir herüber. Es ergab sich ein folgender Gesprächsablauf.

Er(E):Na!
Ich(I):Guten Tag
E: *kichert*
E: Und wie gehts der Katze?
I: (Verwundert, aber scherzhaft) Gut.
E: *kichert, unterbrochen von kurzem Auflachen*
E: Und wie gehts dem Esel?
E: *kichert*
I: Ich habe keinen Esel. (Stirnrunzeln meinerseits)
E: *erneutes Auflachen seinerseits, heiseres kichern*
Ich verlasse hiernach die Bahn aufgrund der erreichten Station.

Wie seltsam. Nun, immerhin konnte mich der Bekannte davon überzeugen, dass Johann König bei Langeweile sehr witzige und mindestens ebenso denkwürdige Bücher schreibt. Müsste ich mir mal zulegen.

Das letzte Ereignis war vor nicht allzulanger Zeit und hatte mit der Janusköpfigkeit der modernen Gesellschaft im allgemeinen und meiner selbst zu tun.
Ich war im Rahmen meiner Herumtraberei in Bremen in eins der mir besser bekannten Geschäfte gelangt, in welchem ich dann ein bisschen verweilte, mich mit dem Eigentümer unterhielt und ein bisschen mit der Kundschaft diskutierte.

War lustig, hat Spass gemacht, etwas verwundert über manche Personen aber darüber ein andernmal. Jedenfalls unterhielt ich mich neben der Ausgangstür gerade mit dem Geschäftebesitzer, als einer seiner wohl nicht so häufigen Kunden ihn ansprach. Faselte kurz etwas davon, dass er ja momentan an einem Buch schreiben würde. Ob der Herr Ladenbesitzer und offensichtlich in dieser Funktion auch Koryphäe des Wissensgebietes aller im Laden enthaltenen Artikel, denn als Testleser zu gewinnen wäre. Für des Fragenden Buches. Es wäre noch nicht so ganz sauber, wegen Rechtschreibug und Grammatik, da müsste er nochmal rüber, aber es habe alles wichtige, Raumschiffe, Action, "so" Mittelalter. Und er hätte ja bereits Kritiken von einem Bekannten, der ihm mitteilte, dass er ja ständig auf das nächste Kapitel warten würde. Das sporne ja an. In diesem Moment verließ uns der Ladenbesitzer eilig um sich "dringend etwas wichtigem zu widmen".

Ich stand verdutzt alleine dem Herren gegenüber. Mir bohrte sich ein unangenehmer Körperduft seinerseits in die Nase. Er gab dann zu, dass er immer alles zuschnell passieren ließe, die Charaktere wären immer bereits am Ort des Geschehens, könnten sofort in die Kämpfe eingreifen und gewinnen, weil er selbst ja auch immer gerne zu diesen Stellen kommen wolle. Dann direkter Augenkontakt, er fragt mich, ob ich denn als Testlester zu gewinnen wäre. Meine Erfahrungen mit einem LEMANTIS-Roman seitens eines lokalen Fantasy-Literaten ließen mich innerlich erschaudern, aber perfider Masochismus ließen mich zusagen. Ein paar Schritte ins Off und die Rettung war erreicht.

Warum janusköpfig? Ich selbst bin seit langen, langen langen Zeiten daran, ein Manuskript für eine epische Geschichte zu schreiben, einen Roman der von der Dauer nicht unähnlich der Geschichte der 3 Königreiche werden soll, hab zig Einfälle vertieft in kurzen Text-Ausflügen und oder poesiehafter Form habhaft gemacht. Habe Bekannte und gute Freunde die selbst immer wieder freudig in die Tasten greifen um etwas zu Werk und Papier zu bringen, das wenigstens halbwegs erquicklich zu lesen ist. Und ich dachte schon beim Anblick des Fragenden, wie grausam sein Machwerk nach seiner Beschreibung sein musste. Das ist Heuchlerisch von mir. Und ich wusste es. Dachte es sogar schon, als ich ihm gegenüberstand.

Manch einer mag es für Bescheidenheit halten, was ich hier zu demonstrieren versuche, aber das kann es nicht sein, nicht in meinen Augen, denn Falsche Bescheidenheit ist auch ein Zeichen von Arroganz.

Wie sagte Drakes Großmutter immer?
Den ganzen Berg sieht man nur aus der Ferne.

Und G´kar?
It´s the quiet ones, that change the universe. But you´ll never see it, as you´ll always be to busy, to hear the loud ones roar.


Betrachten wir die Sache nicht von innen, sondern von außen. Und denken wir darüber, statt zu sprechen.

Reden heißt Urteilen. Schweigen Geurteilt haben.

2 Kommentare:

  1. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  2. Immer diese Spammer. Geht mir das auf die Zwölf.

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