20170217

Fall 1 - LXIX

Die Lücken zwischen Brüstung und Etagen-Plattform des Zwischen-Areals sind durchlässig. Es sind nur wenige Meter hinab. An die Etagen-Brüstung gedrückt. Vorsichtig darauf achtend, dass die beiden mich nicht sehen, steige ich mit einem Fuß möglichst leise über diese, und ziehe den anderen nach. Halte mich dabei hartnäckig an derselben fest. Jetzt einfach rückwärts fallen wäre schmerzhaft. ...
Sie latschen die Treppe hoch. Im Dunkelroten Licht ist die gesamte Umgebung in einen unnatürlichen, schwer erkennbaren Schein gehüllt. Wenn sie jetzt gleich oben ankommen, werde ich sie fast nicht mehr ausmachen können vor den garstigen Wandmotiven und dunklen Türen.

In die Hocke. Vorsichtig. Ganz …vorsichtig. Erst das eine Bein. Dann das andere. Baumle halb hinunter. Alles oder nichts. Ziehe ruckartig das andere Bein nach. Meine Arme rutschen herunter, meine Hände gleiten schreckartig tiefer. Die Hitze an den Fingern reißt schlagartig durch. Scheiße. Vom Schmerzensschock angetrieben losgelassen. Es sind nur wenige Meter bis nach unten. Komme unsanft auf den Füßen auf, der Sturz drückt mich bis auf Knie und lässt mich beinah vornüber fallen. Zähne zusammenbeißen. Fast auf die Zunge gebissen. Der Untergrund scheint hart, mit einem billig wirkenden schwarzen Teppich versehen, das Geräusch meines Aufpralls kaum hinauf gedrängt. Keine Zeit abzuwarten.

Dränge mich nach vorne. Meine Beine schreien, jede Muskelfaser brennt, Adrenalin in meinem Kopf, Angstschweiß auf der Stirn. Direkt vor mir, eine ins Halbdunkel getauchte Theke, eine Bar, die mit seltsamen phantastischen Motiven von Monstern, Vampiren und Werwölfen besetzt, verziert ist. Drücke mich an den Tresen, Kopf noch auf halber Höhe, über mir laufen die Stimmen weiter. Sie haben mich nicht gesehen. Gut. Ein Blick in die Umgebung. Fahre langsam mit der Hand meine Beine ab, der pochende Schmerz geht nur langsam davon. Aufrichten wäre gerade unangenehm.

Mit dem Rücken, in halber Hocke vor dem Tresen, blicke gerade so auf Sofa-Höhe mit dem Kopf hervor, dass ich, mit zusammen gekniffenen Augen halbwegs die Umgebung hier unten erkennen kann. Direkt vor mir, neben einem freien Areal, das sich zur Tanzfläche gibt, flankiert von kleineren Sitzreihen und sehr hässlich wirkenden Steh-Tischen, zur Linken ein Durchgang zu Fahrstühlen, Treppen und Toiletten. Zur rechten, neben einer kleinen Anhöhe mitsamt VIP-Schild ein paar edler wirkende Sitzecken, und einigen Türen auf denen PERSONAL steht. Ein seltsamer Geruch, eine Mischung aus Citrus und Reinigungslauge liegt hier unten in der Luft.

Personal klingt immer gut. Im besten Fall vielleicht auch etwas, wo ich mir einen besseren Überblick verschaffen kann. Schleiche langsam zur Rechten entlang, am Tresen vorbei, und neben der Neon-Beleuchtung welche das dunkle Rot stärker treibt, schattengleich hinter den Sofas zur Wand. Ich kann die Anzugträger kaum noch sehen oder hören von meiner aktuellen Position aus, was sowohl ein gutes, wie auch ein schlechtes Zeichen sein kann. Drücke mich an der Wand etwas hoch, dann langsam Richtung der ersten PERSONAL-Tür. Einfacher Knauf. Hand ran, drehe. Abgeschlossen. Mist. Schiebe mich etwas weiter, nächste Tür. Drehe, eine Hand an der Waffe, die andere am Türknauf. Offen! Ziehe die Tür langsam auf. Stimmern aus dem Inneren. Kurzer Blick hinein durch den Spalt. Ein Korridor, der weiter führt, mit mehreren Abzweigungen. Gelächter im Hintergrund. Synchronisierte schwere Schritte.

Drücke mich schnell hindurch, an die Wand, das unstetig flackernde Licht an der Decke beleuchtet nur alle paar Meter die schwarzen Wände, an denen immer wieder Fotos und Bilder von Personen hängen. Ziehe die Tür sanft mit gedrehtem Knauf zu. Zwei Türen nach ein paar Metern zur linken, eine Treppe mit Geländer und Glasfassade dahinter, hinter welcher sich wohl ein kleiner Saal befindet in dem etwas beleuchtet wird. Sowohl zur linken als auch rechten vor der Treppe geht es um ab, wer weiß wohin. Klatschen in der Entfernung. Beifall?! Vielleicht komme ich meinem Ziel näher.

Ein paar Schritte weiter, zur linken in den Türrahmen gelehnt. Moment, was war das? Tür zu meiner Linken geht auf. Ich falle fast hinein, stolpere. Falle In etwas Weicheres hinein, eine Person.

Person – HUH?!

Wir stürzen beide. Im hellen, weißlichen Licht der normalen Neonbeleuchtung bin ich auf einer Person in weißem Anzug und bizarrer schwarzer Karnevals-Maske. Ein Mann. Hole mit dem Revolverkolben aus.

Person – Wer sind

Lautes Knacken. Sein Kopf sinkt zur Seite. Sorry, aber so eine Gelegenheit kriege ich nie wieder. Sein Körper ist erschlafft. Seine Maße wirken etwas zu groß. Aber das hier ist eine Umkleide, da sollte das kein Problem darstellen. Aufgestanden, kurzer Blick hinaus, niemand zu sehen. Schließe die Tür. Kurzer Blick in die Regale. Weiße Hose. Jackett vom Gestürzten. Maske vom Gesicht. Revolver in die Jackett-Innentasche. Telefon in die andere. Ein paar Hemden herunter genommen von den Haken. Fessle und kneble den armen Burschen. Drücke ihn vorsichtig in sicherer Lage in eine Ecke. Abklopfen. Es klopft an der Tür.

Gedämpfte Stimme - Hey, was dauert da so lange?

Stehe auf, öffne die Tür soweit, dass ich durchgucken und schlüpfen kann, ohne dass man den ausgeknockten Typen in der Umkleide sieht. Vor der Tür steht ein großgewachsener, leicht bärtiger Typ mit Kurzhaarschnitt und schusssicherer Weste. Maschinenpistole im Anschlag, Headset mitsamt Ohrstöpsel an der Seite. Ich grunze ihn unverständlich an. Jeder Moment kann dafür sorgen, dass ich mit der linken gegen seine MP und ihn gegen die Wand drücken muss. Schweiß im Nacken. Komm schon. Komm SCHON!

Er begutachtet mich kurz. Von Kopf bis Fuß. und wieder zurück.

MP-Träger – Los.

Er dreht sich um und wandern den Korridor hinab, ohne auf mich zu warten, scheinbar befriedigt in seiner Aufmerksamkeit. Wenn ich ihm jetzt den Revolver über den Schädel ziehe…wird ihn das vermutlich nicht ausknocken. Folge ihm schnell nach, während er um die Ecke zur rechten wandert, und nach ein paar Metern auf der Treppe nach unten wieder in meinem Sichtfeld auftaucht.


Vor mir erweitert sich der Sichtbereich durch die Glasfassade hinter der Treppe deutlich. Der Lichtkegel, den ich vorher nur entfernt wahrgenommen habe, beleuchtet in der Tat eine kleinen Saal mitsamt Bühne im Hintergrund, auf der ein älterer Herr, weißes, zurück gegeltes Haar, teures Jackett, grell-orangener Schlips auf schwarzem Hemd, mit einem Mikrofon in der Hand steht, während er dabei ist zu einer Gruppe von Personen zu sprechen, welche vor ihm an verschiedenen kleinen Tischen mitsamt Begleitern sitzen. Mir gehen die Nackenhaare hoch, wie ein kalter Schauer. Es sind einige Bekannte darunter.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen