Keuchen. Der Druck auf der Brust. Der Schweiß, der langsam durch das Haar Richtung Hals und Nacken, über die Augenbrauen und die Nase rinnt. Brauche etwas mehr Eisen im Blute. Drücke mich von der Brüstung ab. Darf keine Müdigkeit vorschützen. Die halb aufstehende Tür vom Treppenhaus, welche dasselbe mit dem Foyer verbindet, wirkt einladend und abschreckend. Ein einsames, Bullaugen-gleiches Fenster im oberen Drittel, durch das ich das schwache Licht der Nachtbeleuchtung erkennen kann, das immer wieder flackert. Ich kann hier drinnen schon den Lärm des Regens hören, der gegen die große Front-Fassade des Turms hämmert.
Drücke mich vorsichtig
um die Ecke. Ein Fehler an dieser Stelle kann mein Ende bedeuten. Ein Bye Bye
Zeichner. Mit dem Unterschied, dass sie meine Leiche niemals auffinden lassen
werden. Nur ein weiterer Irrer im Fluss, der die Green Bay entlang geschwemmt
wird. In der Mitte des Foyers der dunkle Basalt-verkleidete Block, in dem die
Fahrstühle unter gebracht sind, gedeckt durch den vorderen Eingangsbereich. Ah.
Offensichtlich der
mittlere der Fahrstühle, gerade auf Ebene 6. Ich habe noch ein paar Sekunden.
Ausgehend davon, dass mein Plan funktioniert hat. Und wenn nicht, ist es jetzt
auch zu spät. Unter mir scheint, reflektiert der Marmorboden mein verzerrtes
Antlitz. Einzelne Schritte lassen immer wieder einen Tropf, ob Regenwasser oder
Schweiß, hinunter klatschen.
Schleiche langsam
um den Block herum. Fahrstühle zum Vordereingang mitsamt Rezeption. Dieselbe
ist unbesetzt, ein einfacher Drehstuhl steht inmitten der kleinen Dienststelle,
angestrahlt von grell-hellen Monitoren. Kameras. Aber kein Wachmann in
Sichtweite. Ein Flackern. Für einen Augenblick war das Licht weg. Etwas knallt
draußen. Ein Blitz. Eine kleine Wellte sprenkelt die Außenfassade. Da ist
gerade etwas von oben irgendwo herunter gestürzt. Ein Baustück, Trümmer des
Nebengebäudes? Ein Helikopter. Fokus!
Weiter um den
Block umher. Lastenfahrstühle. Keinerlei Freischaltmechanismus. Weiter. Ahhh.
Eine Reihe von drei Fahrstühlen im hinteren Eck, versteckt hinter Sitzbanken,
einer Betreten-Verboten-Tür mit Stromzeichen und ein paar Getränkeautomaten.
Zwei davon stehen auf B1. Ein Pfad in die Tiefgarage. Der mittlere Fahrstuhl,
auf der Null stehend, steht offen. Ein Spiel mit dem Teufel. Hmm. Wandere in
den Fahrstuhl hinein. Drei Knöpfe. EG. B1. B2. Drücke auf B2. Ein sanftes
Klingeln im Hintergrund. Der vordere Fahrstuhl ist im Treppenhaus angekommen.
Vor mir schließen sich die Fahrstuhltür und mein letzter Ausweg. Ein
entfernter, rollender Donner begleitet den Augenblick. Surrend setzt sich der
Fahrstuhl in Bewegung, hinab, in die Tiefe.
Krame in den
Taschen. Schwierig, immer noch das B3 Astor in der Hand. Selbst mit leichtem
Bruch drin reagiert es noch auf die wichtigsten Bewegungen. Gewählte Nummern. Heh.
Vielleicht sollte ich Rückmeldung geben? Informationen einholen? Wer kann mir
jetzt noch weiterhelfen? Rieé. Er sich auf jeden Fall verwickelt, spätestens
durch seinen Neffen. Auf einen Versuch kann ich es ankommen lassen.
Wahlwiederholung bekannter Nummern. Dieselbe Nummer, unter der ich damals auch
Handekker erreicht habe. Er versucht eine Verbindung aufzubauen. Vermutlich
schwierig unter den aktuellen Umständen.
Immerhin hat die
Verbindungsanzeige noch einen Balken. Es klingelt. Endlich mal etwas, das genau
so funktioniert, wie es soll. Jetzt noch auf die Stimme vom Fließband warten
nach der Abnahme und dann kann ich weiter sehen. Es klingelt immer noch. Hmm. Drittes
Klingeln. Immer noch keine Reaktion. Und, was fast noch seltsamer ist, wir
fahren immer noch in die Tiefe. Entweder ist das der langsamste Fahrstuhl aller
Zeiten, oder es geht bei B2 deutlich tiefer, als die Bezeichnung erwarten
lässt. Mist. Natürlich geht es noch tiefer. Vermutlich ist das so etwas wie der
VIP-Eingang in den Club, der ja selbst noch ein paar „Ebenen“ tiefer gehen
kann. Fünftes Klingeln. Kein Zweck. Lege auf. Seltsam.
Ruckartig kommt
der bisher recht flüsterleise gefahrene Fahrstuhl zum Stehen.
Die Tür öffnet
sich. Greife nach dem Revolver, dessen Form sich hart an meine Linke schmiegt. Burgunder-rotes
Licht dringt durch den sich öffnenden Türschlitz, und offenbart dunkle Wände in
einem kleinen Raum, der nach wenigen Metern durch eine dunkle, schwarz
anmutende Tür abgegrenzt wird. Eine einsame Lüftung in der Wand darüber,
deutlich zu klein für eine Person, macht deutlich dass hier auf Ambiente Wert
gelegt wird. Es spielt Musik im Hintergrund, irgendwas sanftes klassisches, wie
man es von einer Jazz-Bar erwarten würde, nicht unbedingt von einem Club mit
apokalyptischen Motiven. Die Wände selbst sind über und über mit Motiven der
Endzeit besetzt. Engel. Dämonen. Hmm. Interessant, die Engel sind auf der
Unterseite, die fratzenverzerrten Dämonen auf der oberen Seite der Wand
angesetzt.
Schnell an die
Tür, kurzer Griff zum Türknauf, der vorsichtig hinunter gedrückt wird, und ein
Blick hindurch. Vor mir eröffnet sich ein mehrstöckiger, im Zentrum offener
Raum, der an verschiedenen Stellen mit Glaspanelen den Blick und auch den
Durchgang hinunter und hinauf erlaubt. Es geht noch mindestens zwei Stockwerke
hoch, mindestens ein hinunter. Alles ist in das dunkle, rote Leuchten getaucht,
offensichtlich wurde hier aufwendig Arbeit bezogen um einen gewissen Blick zu
ermöglichen. Entlang der Galerie sind Holzbrüstungen mit handgearbeiteten
Schnitzereien und Mustern im persischen Stil angebracht. Das erste Mal, das mir
sowas auffällt. Hat sich der Kunstkurs an der Hochschule also doch gelohnt.
Der freie Raum vor
mir, inmitten des großen Beriches, ist locker an die Zwanzig mal Zwanzig Meter
groß, ein Riesenbereich. Vermutlich ein Zwischen-Bereich? Wäre für einen Club
dieser Art nicht untypisch. Stimmen. In einiger Entfernung, langsam näher
kommend?! Moment, nicht ganz. Sie bewegen sich, aber eher unter mir, als neben
oder vor mir. Schiele über das Geländer hinüber. Personen, im Stockwerk unter
mir. Anzugträger. Mist. Jetzt heißt es Alles oder nichts. Blick nach rechts,
dem Geländer entlang Türen in unbekannte Räumlichkeiten. Noch keine Spur von
Deep Throat oder Tatianna zu sehen.
Die Anzugträger laufen unter mir zur linken
weiter, offensichtlich ist der Bereich an der Stelle deutlich auslaufender noch
mal. Der normale Zugangspunkt? Zu meiner linken geht das Geländer noch ein paar
Meter, ehe es biegt und sich um die Ecke weiter fortsetzt, wo eine Treppe …EINE
TREPPE! den Weg ins untere Stockwerk ermöglicht. Zu dumm nur, dass die beiden
Anzugträger diese scheinbar genau jetzt ansteuern. Dunkelheit. Für einen
Augenblick. Flackerndes Licht. Stromprobleme. Das kommt gelegen.
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