Das sanfte, fluoreszierende Leuchten der Neon-Röhren, das immer wieder von gelegentlichen Ausfällen unterbrochen wurde, tauchte den gesamten Diner in einen unwirklichen Schein von Weiß-bläulicher Unwirklichkeit.
Es war dieser Augenblick, in welchem er den denjenigen erblickte, auf dessen Ankunft er seit einiger Zeit gewartet hatte. Der halb-zerschlissene Mantel, die heruntergekommenen, aufgebrochenen Jeans, und das mit dreckigen Spuren durchzechter Nächte versehene, auf dem Knopfansatz offene dunkelblaue Hemd machten ihn unübersehbar. Er stach heraus, weil er sich perfekt in die Umgebung einfügte.
Eine letzte Zigarette. Das hatte sie sich selbst versprochen. Mit einem Seufzer ging sie daran, das kleine Streichholz-Päckchen zu öffnen, und eines daraus zu entzünden. Mit dem Rauschen der Flamme konnte sie sehen, wie das Feuer das Holz zu verzehren begann. Wie es sich im Feuer wand.
Geistesabwesend, ohne wirklich die Zeit zu lesen, schaute sie auf ihre Armbanduhr. Sie wusste, dass es lange nach der vereinbarten Zeit war, auch ohne die genaue Stunde zu sehen. Er war nicht hier. Natürlich nicht. Kein Schneid. Stattdessen hatte er sich verkrochen. Sie hatte längst aufgegeben, sich darüber aufzuregen. Zu viel Mühe, zu wenig das es ihr selbst brachte. Einsam war es trotzdem, unter dem Sternenhimmel am Rande der Straße in den Hügeln, wo nur noch Eicheln und Schakale umherstreunerten. In der Ferne konnte sie den Lärm der Großstadt hören.
Er hatte gelauert. Seit Stunden schon. Ihr Geruch war ihm ein willkommener Duft. Seine Zunge zog sich langsam von links nach rechts über die Lippen. Sein Atem ging schwer. Die Finger zogen sich über den Erdboden, tiefe Risse wo Gras den eindringenden Nägeln weichen musste. Er drückte sich flacher auf den Boden. Er konnte sehen, wie ihr Mund sich öffnete, um die entzündete Zigarette zwischen die Lippen zu ziehen, und einen harten Zug nahm.
Er setzte sich auf die andere Seite des kleinen Tisches. Mit Bewegungen die an träumende Tänzer erinnerten, machte sich die Bedienung zu ihrem Tisch hin. Belanglosigkeiten wurden ausgetauscht. Sie tingelte davon. Die beiden hatten einen schwarzen Kaffee vor sich stehen.
Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, nur um im gleichen Moment direkt nach der nächsten zu greifen. Sein Gegenüber zog im selben Augenblick ein Feuerzeug aus dem Mantel. Ein schiefes Grinsen umspielte dessen Gesicht, als er ihm die Zigarette anzündete.
Ihr Kopf ging ruckartig zur Seite. Sie hatte sich öfter gefragt, ob wilde Tiere hier des Nächtens ihr Unwesen trieben. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, was es war. Sie drückte sich mit den Knien etwas hoch. Sie rief nach ihm. Wappnete sich innerlich. Er konnte ihr keine Angst machen.
Er wusste, dass sie ihn bemerkt hatte. Dies war sein Augenblick. Er riss sich hoch und begann den Lauf. Sein wildes Heulen erfüllte die Nacht als er aus den Büschen hervorstach.
Er fragte nicht, ob sein Gegenüber hungrig war. In diesen Kreisen war Etikette von höchstem Wert. Stattdessen begann davon zu berichten, wie er zuletzt einen höchst bemerkenswerten Fang gemacht hatte. Noch während er davon sprach, konnte er das Augenrollen und Abwenden der Bedienung hören. Sein Gegenüber hingegen nahm jedes Detail mit schier unerschöpflicher Neugier auf.
Sie rannte. Über Stock und Stein, entlang des Asphalts und über die betonierten Hindernisse und eisernen Relikte der Industrie.
Der Atem war langsam aber sicher am flattern, der Irre hinter ihr ließ aber nicht locker. Sie wusste, dass sie nur die Grenzen der Stadt erreichen musste. Setzte zum schnellen Sprint an, sicher waren es weniger als 100m den Hügel herunter.
Er musste immer wieder anhalten, aufheulen. Dies war ein Moment der Freude, des Triumphes. Er hatte zu lange auf diesen Augenblick gewartet, und war nun umso begieriger, ihn mit jemandem, mit ihr, zu teilen. Sie war beinahe in Reichweite seiner Klauen. Er konnte den Angstschweiß förmlich auf seiner Zunge schmecken.
Sein Gegenüber wusste einiges zu berichten, während sie genüsslich an einer Tasse nippten. Die Hitze verbrannte ihm fast die Finger. Es war an der Zeit. Er holte aus, während dieser mit andächtig leiser werdender Stille seine Ausführungen beendete. In diesem Augenblick glich das Diner eher einem Tempel.
Er begann: Das sanfte, fluoreszierende...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen