20170626

Semi-Wöchentlicher Rollenspiel-Rundumblick

Heute im Rundumblick:
SOTH - A game of cultists vs investigators by Steve Hickey


Soth behandelt, auf halbwegs erzählerische Art, wie Spieler, als Kultisten, versuchen den dunklen Gott SOTH zu beschwören. Cthulhu mit abgefeilter Seriennummer. Auch gut. Schauen wir uns das ganze mal an.

Zunächst optisch. Der Band ist im A5-Design gehalten, und kommt mit 106 Seiten, also knapp 50 Blatt Dicke daher, ist also auch nicht so wirklich umfangreich. Dazu kommt, dass die meisten Seiten recht spärlich gehalten und in einem einfachen Schwarz-Weiß-Design zusammen gesetzt wurden. Keine Seite, die wirklich vor Text strotzt, dafür sind manche farb-umgekehrt bei weißer Schrift auf schwarzem Grund. Sieht trotzdem erst mal stilistisch ganz gut aus. Zudem sind 13 Seiten davon auch noch reine Handout-Dokumente im Querformat, welche den Regeltext zusammenfassen, oder für den Spielablauf das ganze noch einmal als Kurztext angeben. Es ist also wirklich dünn geraten.

Sehr positiv, kommen wir nach dem sehr kurz gehaltenen, aufgeräumt wirkenden Inhaltsverzeichnis zu einer Struktur- und Regelübersicht, in welchem die Inhalte und Kapitel kurz vorgestellt werden. Ordentlich und sauber, dazu kommt das mir vorliegende PDF noch mit Quicklinks und Kapitel-Bookmarks. Ausgezeichnet gemacht.

Danach geht es direkt in die Frage, wie dass Spiel vorbereitet, aber noch nicht gespielt wird. Praktisch, man geht halt abschnittsweise das ganze durch. Dabei wird auch deutlich, das SOTH ganz genau weiß, wofür es geschrieben wurde, und legt den Fokus auf Gruppen von 3, besser 4 bis 7 Personen, welche dunkle Kulte, Film Noir und Cthulhu-inspiriertes mögen sollten. Ein aufmerksames Nischenprodukt. Da wir diese Information auch auf dem Rückentext wiederfinden können, kommt das schon mal sehr praktisch rüber. 

Dabei geht das Spiel von einer Viertelstunde zur Vorbereitung und drei bis sieben Stunden für eine einzelne Sitzung aus, wobei diese Angaben wie üblich mit der klassischen Vorsicht zu behandeln sind, andererseits aber auch ideell eine einzelne Sitzung bereits alle handlungsrelevanten Elemente enthalten müsste.

Eine Partie beginnt dann auch mit einem kleinen Vorlesetext, welcher die einzelnen Teilnehmer darauf einstimmen soll, was in den nächsten Stunden passiert, mit einer kurzen Liste der Einflüsse die zur Entstehung Soths geführt haben, darunter sachen wie Dexter, Hannibal, Psycho und True Detective. Eigentlich erstmal eine ganz grandiose Auswahl an Einflüssen, muss ich ja mal sagen.
 
Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich zunächst dann auch erstmal mit der Stadt-Erschaffung, und der Epoche, in der man spielt, sowie den Spielercharakteren und ihrem Kult, der Art von Kult und wie sich die Rolle der Charaktere in der Gemeinschaft und der Gruppe ausnimmt. Ein bisschen was von Homegrown-Terrorism, wenn ich ehrlich bin, aber gut. Was einem hier besonders stark ins Auge geht, ist die Tatsache, dass Soth weniger auf effektive oder klare Regeln, sondern mehr auf die Idee der Rulings geht, und den gesamten Spielfluss als eine Konversation verschiedener Teilnehmer mit Sprechrollen ansieht.

So ist dann auch die Charaktererschaffung dergestalt zu betrachten, dass man weniger Fertigkeitspunkte verteilt, als vielmehr Namen, Aussehen, Rolle, und satzweise dann Obligationen oder Beziehung in der Gesellschaft. Dabei wird auch bestimmt, wer Soths großes Buch hält, und wer die Gruppe anführt. 

Schnell wird hierbei deutlich, dass Soth in all seinen Facetten zwar trotzdem Würfelei und andere Merkmale verbergen mag, aber diese recht geschickt versteckt indem es die Werte im Fließtext unterbringt, und dann von dem dazugehörigen Attributen spricht, was mir tierisch auf den Keks geht. Ein Verhalten, das sich später etwas fortsetzt. Hier beißt sich optisch schönes und sinnvolles Layout ein bisschen.

Spielercharaktere haben ein Attribut, Clarity (Geistige Klarheit), welches als Würfelwert genutzt wird, und nur Spielercharaktere, die auch eine Rolle haben, ein solches Attribut bekommen. Zudem gibt es zwei Spezialfähigkeiten, eine vom Buchhalter, welcher übernatürliche Kreaturen beschwören und kommandieren kann, und eine vom Kultführer, welcher den Opfernden eines Rituals bestimmt und dessen Clarity damit steigert. Zudem ist der Kultführer etwas härter im Nehmen und darf Kultisten einmal pro Session befehlen, wenngleich nichts was selbstmörderisch ist. Hier ist Squick-Potential vorhanden und muss von Gruppe zu Gruppe Einzelfallartig behandelt werden.

Nachfolgend werden den Spielern dann Reputation und Beruf gegeben, ihre Beziehungen zu Personen und wie ihre gesellschaftlichen Obligationen sind.  Gerade letztere sind dabei weniger Pflichten als mehr gleich harten Story-Hooks ähnlich und dienen dazu, letztlich ein "Beziehungs-o-gram" zu erstellen.

Der Einstieg in eine Partie geht dann nach der Charaktererschaffung, das durch den Keeper (SL), ein Begriff den man schon aus Cthulhu kennen sollte, die Startsituation genannt wird, und man nach und nach einführt, wie das erste Opfern problematisch wurde, und wie die Investigatoren auf die Spuren der Spielercharaktere kommen. Dies führt dazu, dass Charakteren dann für ihre Handlungen Suspicion (Verdacht) gegeben wird, und je offener sie gehandelt haben oder handeln, umso mehr davon sammeln sie, was wiederum den Investigatoren zugute kommt. Dies wird dann schrittweise in Zeitzügen behandelt, und erlaubt so ein phasenweises Verschlimmern der Situation, und erzwingt dass ein Problemfall als Charakter auftaucht, und ein Zeuge, man die Spieler in Gespräche zwingt und dann darauf eingehend weitere Verdachtsmomente erzeugt, sowie alle wichtigen Obligationen.

Falls es schon offensichtlich wird, Soth folgt einer sehr starken Grundstruktur, welche den eigentlichen Spielfluss enorm einzwängt. Hier ist es deutlich mehr Storygame noch als man auf den ersten Blick vermuten würde, und man sieht die Anleihen des Brettspiels in seiner Art herausragen. Rollenspieler könnten sich hier stark eingepfercht fühlen, insbesondere da Spiel ausserhalb der jeweiligen Momente eher unter geht und weniger erwünscht zu sein scheint, als vielmehr innerhalb der Punkte die jeweiligen Szenen zu ergänzen. Es erinnert mich inso fern an ein Storyboard oder Protocoll-Style-Game.

Interessanterweise wird es erst nach diesem etwas holprigen Start eingeführt, dass die eigentliche Handlung sich vom Skript einer TV-Serie entfernt und wir zum klaren, offenen Rollenspiel kehren, bis eine gewisse Zeitspanne reinkommt, welche das zweite Ritual erzwingt, und somit die Handlung vorantreibt. Dabei ist der SL angehalten, immer stärker die Konsequenzen der Rituale und der Handlungen, des Wahns der Kultisten herausragen zu lassen, und schliesslich die klassischen cthulhuesken Investigatoren sowohl auftreten als auch agieren zu lassen, was die Spieler wiederum weiter unter Druck setzt. 

Schön beschrieben 
"The game ends, when all the cultists are dead."

Insgesamt lässt mich Soth sehr gespalten zurück. Ich werde es sicherlich ausprobieren, sofern ich die Muße dazu habe, weiß aber auch jetzt schon, welche Kritikpunkte an dem Spiel von einer typischen deutschen DSA-Fantasy-gewöhnten Gruppe kommen werden. Das Gefühl, das man hier zwar freie Geschichte macht, schüttelt einen nicht gänzlich davon, dass man als Spieler hier eher eine Tragödie zuschaut, denn dem was wir unter Player-Empowerment-Fantasy typischerweise kennen. Wer auf sowas steht, dem sei wärmsten empfohlen, einmal einen Blick mehr auf das doch sehr seichte Regelwerk zu werfen.

Apropos, als Nebensatz, das Spiel verwendet einen w6 und Hochwürfeln, wobei Über dem Clarity-Wert würfeln einen Erfolg bedeutet. Aber das scheint insgesamt eh weniger wichtig als gutes Beschreiben zu sein. Naja.

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