20241126

I thought I lost you

Hier entlang! Die Stimme einer Peitsche gleich, knallt sie gegen Telemar, der Zug der eisernen Kette ein letztes Zeichen, seinen Widerstand wieder und wieder zu brechen..

Jeder Zentimeter seines Leibes eine Karte der Narben, Schmerzen. Wieder und wieder hat er sich aufgebäumt, und doch sieht er es längst. Nun ist es nicht mehr lang. Sein Widerstand gebrochen, sein Geist keine Festung mehr, nur noch ein Riff, an dem er sich selbst aufschlitzen will.

Er drückt sich gegen die Wand, der kalte Stein, die leichte Feuchtigkeit, tausend Spuren von Blut und Pein in jeder gebrochenen Wandtafel. Er hört, wie der Wärter die Peitsche erneut zieht. Nun komm schon, mach nicht noch mehr Ärger für mich. Der Zug, der seinen Hals zerrt. Die Schritte in der Ferne, derer die zu privilegiert sind, und derer die ihre Opfer sein werden. Er drückt sich weiter an der Wand entlang, zerrt die Kette wie seinen Wächter längst mit sich, der mit der anderen Hand erneut die Peitsche schwingt. Der Unwille, die Flammen seines Rückens. Der kehlige, kaum noch kommende Schmerzschrei. Längst ist er es gewohnt, dass dieser Schmerz mit ihm wandert.

Einem Rettungsanker gleich, als er an der Wand hineinrutscht. Eine Gattertür. Schwere eiserne Stangen, die ihn von der Freiheit trennen. Flackerndes Licht, das nur schemenhaft Umrisse deutlich macht, wandernde Schatten, dreckiges Lachen. Schwere Schritte. Erneut die Peitsche. Seine Knie brechen, sein Blick geht schief, die Stangen, die seinen fallenden Leib auffangen wie ein alter Freund. Der Wärter einige Schritt hinter ihm. Wir kommen zu spät du Bastard! Er kann die Peitsche hören, der schwere Griff seines Wärters, der sich anspannt.

Und die undeutlichen Ausrufe. Die schnellen Schritte, die schweren Stiefel, der Schemen, der auf der anderen Seite des Korridors in seine Richtung läuft. Ein Sklavenhändler? Ein anderer Gladiator? Mehr Wärter, die seine unendlichen Schmerzen verlängern werden?

TELE!

Die helle Stimme reißt ihn aus der Finsternis seiner Gedanken. Sein Blick ist undeutlich und doch hört er es. Wie die Gestalt auf der anderen Seite sich im dimmen Licht des Fackelscheins nähert, das Gesicht eine Maske des Unglaubens. Die große Gestalt, die nun so unendlich viel kleiner wirkt, kaum größer als er, die stark vernarbten Hände, die die seinigen umfassen, mit einer Sanftheit, einer Wärme, die er nie wieder zu sehen glaubte.

TELE! Die Hände, die durch die Gitterstäbe greifen, und ihn zerren, gegen Brust und Stangen. Wie losgelöst er aufschaut und Tränen sein Antlitz treffen. Sie ist so viel älter geworden. Furchen, tiefe Linien, Falten und neue Narben, welche das starke Gesicht durchfahren. Und er selbst, der so viel durchgemacht hat, und in diesem Augenblick spürt, wie die Dämme brechen. Wie seine trockenen Augen unsicher werden, und Tränen seine eigenen Wangen hinunterfließen.

Tele. - Mamé? Es kommt aus seiner Kehle eher einem Kratzen gleich, ein schiefes Geräusch, ein Strich auf einer Schiefertafel, eine Kehle die kaum Wasser noch Liebe kennen mag. Und in seinem Inneren, der Schmerz. Jahre, die aus ihm herausbrechen, des Wanderns, der Einsamkeit, der Sehnsucht.

Endlich. Nach all der Zeit, all der Angst, drückt sie ihn an sich. Er ist ausgemergelt, sein Gesicht verzerrt durch all die Narben, die schwere Eisenkette um seinen Hals, das Sklavenmal auf seiner Wange. Und doch wusste sie, dass sie ihn immer wieder erkannt hätte, in jeder Masse. Als er sie umarmt, und sie seine Stimme hört, seine ach-so-sanfte Stimme, die sie rief, wenn er und die anderen etwas gefunden hatten, wenn er vor Freude quietschen mochte wie es Kinder in Euphorie tun angesichts von Kuchen, jeder Augenblick, in dem sie sich in den letzten Jahren gewünscht hatte, zu wissen, ob ihr Tele noch lebte. Jeder Augenblick ein Stück der Ewigkeit, in dem sie spüren, dass sie etwas wiedergefunden haben, das ihrer Seele fehlte.

Ich habe dich gefunden. Er weint bitterlich in ihren Armen. Ich habe dich gefunden. Ich halte dich fest. Jede Erschütterung, die sie spüren kann, selbst durch die Eisenstangen der Gattertür hindurch, die seinen Körper schütteln. Und gleichzeitig der weißglühende Zorn. Jemand hatte ihm dies angetan. JEMAND WAR SCHULD AN SEINEM ZUSTAND! Wie ein glühend-heißes Skalpell sickerte die Erkenntnis in ihren Geist. Sie musste ihn hier herausholen. Diese Arena war kein Ort für ihn. Es würde ihn das Leben kosten. War dies ebenfalls Bleimanns Werk? Wusste er, dass Tele hier war, als er sie nach Atelei sandte, statt ihr Recht zu geben, als sie davon gesprochen hatten, dass Sklavenhändler in der Gegend waren?

Mit einem Mal wird er ihr entrissen und sie sieht im Halbdunkeln seines Korridors zwei Gestalten, eine Teles Kette in der Hand haltend. Seine Wärter. Mit Schlägen traktierend, drängen sie ihn zu Boden, zerren ihn mit sich. MAMÉ! Seine flehenden Hände. Wie sie die Arme ausstreckt, und doch nur das wölfische Grinsen seiner Wärter sehen kann. Jede Träne, die ihr das Gesicht hinunter rinnt, ein Mahnmal für die Jahre, die sie verloren hatten.

Als seine Rufe verstummen, und die schweren Räder rumoren, weiß sie, was zu tun ist. Die Arena. Er wird in die Arena gebracht. Diese Wahnsinnigen wollen ihn benutzen, als Opfergabe, als Belustigung. Genug. Sie rafft sich auf, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, die Spuren ihres gemeinsamen Leids. Und fängt an zu laufen. Sie weiß, wo Dorvals Zimmer sind und er wird sie anhören, oder den nächsten Morgen nicht mehr sehen. Tele wird frei sein, selbst wenn sie dafür selber in die Arena springen muss, um seine Ketten zu sprengen.

Als sie die Tür aufbricht liegen seine zwei bewaffneten Handlanger davor bereits am Boden, nur keuchend mit dem Zeichen ihrer Hände überall dort, sie Brüche hinterließ. Dorvals angsterfüllter Blick, sein Stammeln von Regeln und Gefahren.

Ich warne dich Elara, ich kenne Leute, die du nicht zum Feind haben willst! Elara. Elara! NEIN! Als sie ihn mit der Wucht ihrer linken Hand erreicht, knallt er fast zu Boden, ein Zahn der über seinem Schreibtisch blutig liegen bleibt. Du hast meinen Sohn. Gib ihn frei, oder ich schwöre bei Eris, dass mein Zorn deine letzte Erinnerung auf dem Weg nach Bathor sein wird. Die Angst in seinen Augen. Du bist verrückt! Verrückt! Er wirft ihr eine Rolle zu. Nimm es hin du wahnsinnige Hexe, und ersticke dran. Sie kann ihn noch hören, tritt noch einen der Handlanger als sie geht, während er ihr hinterherruft. Meine Leute werden dich finden, Elara! Und du wirst leiden! Hörst du?? DU WIRST LEIDEN!

Als sie die Tunnel zur Arena erreicht, sieht sie die Gladiatoren, alte abgewetzte und harte Veteranen unzähliger Duelle. Sie keuchen, weichen vor ihr zurück. Den Ruf einer Erwählten Eris' eilt ihr voraus, selbst nach all den Jahren noch. Als sich der junge Wärter weigert, ihr das Tor zu öffnen, schlägt sie ihn nieder. Ergreift selbst das schwere Rad, um das Tor hinaus aufzuziehen. Die alten Veteranen sehen ihr zu, ungläubig. Selbst sie kann nicht. Nicht so eine Macht haben, dieses Tor allein zu heben. Es ist ein stummes Gebet. Dafür, es richtig zu machen, einmal in ihrem Leben das zu tun, für das sie geschaffen wurde. Einmal in ihrem Leben ihr zu ermöglichen, das zu retten, was sie liebt. Ein Gebet, das erhört wird. Und unter den schier wahnsinnigen Blicken der Sklavenkrieger das Tor öffnet, und in den heißen Sonnenschein hinausschreitet. Um Tele zu retten. Um Blut zu vergießen. Um gutzumachen, wofür sie damals versagte, 12 Jahre zuvor.

Die Menge draußen tobt...

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