20160327

Fall 1 - XLVII

Das erste was ich höre.

Ein Piepen. Stetig. Immer wieder. Kalt. Medizinisch. Mein Körper ist ein einziger wunder Punkt.  Alles pulsiert. Auf und ab, als hätte jemand jeden einzelnen Punkt gleichzeitig mit einer Nadel gestochen.

Es ist mühsam, die Augen aufzubekommen. Flatterhaft. Grell. Blendend. Wie kleine Sterne, tanzende Punkte auf meiner Netzhaut. Bunte Farben. Ein Reigen aus kaleidoskopartigem Flickern. Und daneben das stetige, immer wieder kehrende Piepen.

Ein Schlürfen, ein Schmatzen. Ein Saugen. Ein ekelhaftes Geräusch. Meine Arme fühlen sich durchstochen an. Ich kann selbst meine Finger nur gerade so rühren. Selbst mein Kopf will nicht so recht, wie mein Geist es befiehlt. Kann kaum hochkommen, geschweige denn gucken.

Langsam fokussiert der Blick. Aus vielen Lichtern werden scharfe, stärker umrissene Lichtpunkte, welche eine größere Halle beleuchten. Und Vorhänge. Dicke, weißliche Maler-Vorhänge, als würde jemand hier gerade umdekorieren.

Was angesichts der großen Metallröhren und Stützpunkte unter der Decke vielleicht weniger abwegig wäre, wenn neben mir nicht medizinisches Gerät stehen würde, wie aus den Augenwinkeln auffällt. Nicht, dass ich den Kopf aber auch nur ansatzweise in diese Richtung drehen könnte. Geschweige denn sonst etwas anderes, interessanteres beobachten hier. Mein Kopf ist fixiert.

Der Versuch, mit den Fingern zu wackeln ist auch nicht von Erfolg gekrönt. Vielleicht mit dem Zeh...Nein. Tarantino hat mich belogen. Mist. Eine Stimme im Hintergrund. Die noch dazu nicht zwischen laut und leise unterscheiden kann. Oder jemand dreht gerade den Lautstärkeregler an meinem Ohr stetig rauf und runter.

Stimme - hEy, T! eR isT WAcH!

Geklapper im Hintergrund. Schritte, eifriges Gemurmel, aber nichts, dass ich direkt oder klar entziffern könnte. Dann jemand, der sich durch die Vorhänge schiebt, wie eine Pestbeule durch die Haut. Im weißen Kittel. Nicht einmal hier konnte man den Klischees entkommen.

Die Person bewegt sich, nach kurzem begleitet von einer weiteren in einer dunklen Lederkutte, die über und über mit irgendwelchen Abzeichen bedeckt ist, während der Mohawk sein übriges dazu tut, Richtung meiner Position. Nur aus den Augenrändern ist es mir überhaupt möglich, etwas zu sehen, und selbst das macht den Eindruck nicht gerade rosig.

Der näherkommende Typ, soweit ich es erkennen kann, trägt, Ende 30, dunkle Hautfarbe, aber gleichzeitig blondiertes, wenn gleich eher zurück laufendes Haar. Eine grauenhafte Mischung mit seinen Geheimratsecken, dem 3-Tage-Bart und den harten Augenbrauen, vor denen auch Doktor Mabuse Angst gehabt hätte.

Hinter ihm stellt sich derweil der Kuttenträger auf. Über und über kann ich die bunten Logos und Symbole verschiedensten Coleurs entdecken, wenngleich ich absolut keinen blassen Schimmer habe, was sie bedeuten sollen oder wozu sie eigentlich dienen würden. Vielleicht, um die Risse zu flicken? Der grünliche Mohawk macht neben dem halbkahlen Schädel den Rest, um dem von Akne und Jugendsünden zerfressenen Gesicht den Rest zu geben, wobei eine offensichtlich mehrfach gebrochene und "gerichtete" Nase ihr übriges tut.

Der Weißkittel rückt ans Bett heran, während ich versuche, mich einigermaßen aufzurichten. Keine Chance. Ich kann es nicht sehen, aber selbst Ich spüre es, wenn ich irgendwie festgemacht, fixiert wurde. Warum zum Henker kann ich meine Arm nicht richtig spüren? Dann ist es wieder grell-hell, als er ein kleines Taschenlicht direkt in meine Augen hält, was mich zum Aufschreien bringt. Selbst den Kiefer dafür auseinander zu reißen schmerzt, während ich verzweifelt die Augen zukneife, nur um zu spüren, wie er mit seinen grabbeligen Fingern anfängt, mir diese aufzureißen.

Zeichner - Argh! Fi...nn...er....we...!

Meine eigene Zunge hat mich verraten! Sie lallt nur so vor sich hin, weil sie wie ein durch die Wüste gezogener afghanischer Teppich liegt, genauso kalt und ebenso trocken.

Die Tortur dauert nur einige Sekunden, ehe er sein Folterwerkzeug wieder einsteckt, und mich anfängt abzutasten. Er setzt am Kopf an, setzt dann über meinen Hals zu den Schultern fort, ehe die Finger aus meinem Sichtbereich verschwinden. 

Weißkittel - Spüren sie das?

Ein prüfender Blick von seiner Seite.  Als ob er abwarten würde. 

Mohawk - Und?

Weißkittel - Die Narkotika sollten am Abklingen sein. Ich denke wir können anfangen, die Fixierungen zu lösen.

Im nächsten Moment ist sein Gesicht ganz nahe vor meinem, unangenehm kann ich seinen Atem wahrnehmen, ein Geruch von Chlor, Blut und schlechtem Aftershave, der sich in meine Nase zwängt wie ein fettleibiger Einbrecher durch ein Kellerfenster.

Weißkittel - Bleiben sie jetzt ruhig, wir lösen jetzt die Fixierung.

Er zieht seinen Kopf wieder zurück und wandert zur anderen Seite des Bettes, während der Mohawk anfängt, auf seiner Seiten, Verschlüsse klappernd zu öffnen. Dann auf beiden Seiten, und mit ein paar klackenden Tönen spüre ich, wie das Ziehen nachlässt.  Ich endlich den Kopf frei bekomme. Gleichzeitig, ob der Drogen womöglich, bemerke ich endlich, wie verkrampft meine Haltung gewesen sein muss.

Wie ein Strahl flüssigen Eisens, gleich einer Kaltfront, welche sich den Weg ebnet, reißt sich Gefühl meine Schulter hoch. Ich beiße die Zähne zusammen. Als würde jemand jeden Nerv einzeln ausreißen, brennt und kreischt meine Schulter, mein Arm auf. Selbst die Hand fühlt sich an, als würde man sie mit unzähligen Nadeln immer und immer wieder durchstechen. Jedes Zittern ist Schmerz. Jede Bewegung ist ein Aufbäumen.

Zeichner - Aarghg..h.g..g...hggghg...!

Zu meiner Seite drückt sich der Weißkittel plötzlich gegen das Bett, drückt mit aller Kraft meinen Arm und die belastete Schulter herunter.

Weißkittel - Ruhig, Zeichner.  Oder wollen sie meine gesamte Arbeit der letzten Stunden sofort anfangen zunichte zu machen?

Selbst mit zusammen gebissenen Zähnen ist klar, dass er hier ein Spielchen spielt, bei dem er sich im Vorteil glaubt.

Zeichner - Sie wissen wer ich bin?

Weißkittel - Sie meinen, nach ihrem Stunt mit dem Taxi, das sie fast vollständig an der Seite der Halle entlang gestriffen haben? Oder der Tatsache, dass sie bei Spritzer Entertainment aufgelaufen sind? Ich weiß eine ganze Menge über sie. Vor allem aber...

Mit diesen Worten zieht er, geradezu auftriumphierend vor mir, ein kleines ledernes Objekt aus seiner Kitteltasche.

Weißkittel - ...weil ich ihre Brieftasche gefunden habe und sie ungefähr so subtil sind wie ein bunter Hund. Sie haben Glück, dass ich mich an die Beschreibung von Candy erinnert habe, sonst hätte sie Blitz hier vermutlich sofort einen Kopf kürzer gemacht, nachdem was sie alles angerichtet haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen