Zeichner – …
Anrufer – Dies
wird unser letztes Gespräch sein.
Blechern,
metallen, mit einem Unterton der Verzerrung, einer Stimme, die von Rauch und
Whiskey geschwängert ist. Ich habe diese Stimme schon gehört. Er hat schon mal
angerufen.
Anrufer – Ich habe
sie früher erwartet.
Zeichner – Wo
erwartet?
Keine Antwort. Ein
hörbares Schmunzeln.
Zeichner -
WO erwartet?
Anrufer – Club
Eshaton.
Eshaton. Eine Paradeprojekt
der Coldman-Towers, ein Club im Stilmotiv der christlichen Apokalypse, der
letzte Schrei, unter den großen Persönlichkeiten, den Stars und Sternchen der
Stadt, mindestens ebenso angesagt wie das Neptun, hier aber aufgrund der
Exklusivität und Exzesse, welche dem Club nachgesagt werden. Mit seinen drei
Ebenen und einer großen Unterhalle erlaubt er Zugang zu einem Komplex für den
Club, in dem man gut Hundertschaften unterbringen könnte, öffnet aber nur für
kleine Gruppen. Absolut perplex.
Anrufer – Sie ist
auch hier.
Zeichner – Sie?
Anrufer – Der
Fahrstuhl ist freigeschaltet, Zeichner. Sie müssen nur zu B2 fahren.
Zeichner – Soll
das ein Scherz sein? Meinen sie nach all dem
Das vernehmbare
Klicken beendet das Gespräch. Arschloch. Erhebe mich, und fange an, die Treppen
weiter runter zu latschen. Wo ein Fahrstuhl führt, geht auch eine Treppe hin.
Der Weg gibt mir
vielleicht die Chance, den Kopf etwas frei zu kriegen. Zum dritten Mal der
seltsame Anrufer. Erneut die Stimmverzerrung. Noch immer ist nicht klar, wer er
ist, oder was er will, oder ob es sich dabei überhaupt um einen Mann oder eine
Frau handelt. Es ist nur klar, dass die Person offensichtlich eine gewisse,
perfide Befriedigung daran findet, meinen Fortschritt zu überwachen und mir
obskure Hinweise auf die Situation zu übermitteln, ohne dabei das zu sagen, was
wirklich von Bedeutung ist.
Es bleibt die
Frage, wen der Anrufer mit „Sie“ meinte. Tatianna? Rassila? Handekker? Es wird
wohl um erstere gehen, da Deep Throat auch schon beim letzten Anruf Infos zu
dieser hatte, aber das macht ihn nicht weniger suspekt. Der Zugang zu diesen
Informationen als auch sein Wille, mir das mitzuteilen, deuten auf ein
Schuldbewusstsein hin, für jemanden, der dieses Wissen in Griffreichweise hat. Und
das macht ihn, als auch seine Infos gefährlich.
Dann noch der alte
Mann, der mich verfolgt, und vermutlich am Fuß der Treppe am Fahrstuhl auf mich
wartet. Ein Attentäter, der auch Dr. B´Quija auf dem Gewissen hat, welcher nun
weiter vor sich hin rottet in seinem Büro. Und dabei keinen einzigen Ton
verliert. Wenn ich jetzt noch überlege, dass es dieselbe Person ist, der ich im
CCPD und bei der Durchsuchung von Mokhovs Wohnung begegnet bin, jagt es mir
einen kalten Schauer über den Rücken.
Immerhin, 20ster
Stock. Beinahe unten. Beinahe auf dem Weg in den Untergrund. Aber warum sollte
Tatianna da sein? Wofür da sein, auch. Und wer sagt mir, dass das nicht alles
eine Falle ist, welche der alte Mann für mich bereitgestellt hat? Immerhin habe
ich bisher seine Stimme nicht vernommen und wenn er einen Verzerrer benutzt,
wäre es durchaus möglich, dass es seine Stimme sein könnte, welche da verzerrt
wird?
Vielleicht muss
ich ihn ablenken. Antäuschen, das ich auf seine Falle eingehe, um ihn zu
überwinden? 10ter Stock. Beinahe unten. Probieren wir die Korridortür einmal
aus. Aha, nicht abgeschlossen! Sehr gut. Vorsichtig, Revolver in der Hand,
langsam die Tür aufgedrückt und hinein. Ein sanfter, mit grauem Büroteppich
ausgelegter Flur vor den eigentlichen Räumlichkeiten. Eine nackte Innenfassade,
undurchsichtige große Baufolien, welche durch Zeit und Staub besetzt wurden,
offene Deckenbereiche, wo aus derselben Stromkabel offen heraushängen, oder
Platten einfach fehlen, weil sie noch nicht eingesetzt wurden.
WO ist denn…mit
den Fingern an der Wand entlang tasten...gefunden. Ein einfacher Kippschalter
macht deutlich wo das Licht eingesetzt sein sollte. Auch wenn ein paar Lampen
noch nicht eingesetzt wurden, sollte doch genügend da sein. Drücke Schalter
herunter. Blaue Blitze zucken umher und ein paar der schweren
Verkabelungsbündel reißen um sich gefährlichen Riesenschlangen gleich, während
woanders, vereinzelt, kleine Inseln des Lichts aufkommen. Ein einsamer Donner
im Hintergrund fährt durch Mark und Bein.
Immerhin, der
Fahrstuhl ist jetzt nicht mehr zu verfehlen, den Gang entlang hinunter zur
linken als doppelflügeliger Bereich in den man wohl später warten können
sollte. Mit ein paar einfachen Schritten das zuckende Kabelbündel umgehen, und
Fahrstuhlrufknopf betätigt. Und warten. Und warten. Keine Anzeige irgendeiner
Art, die mir sagt, wann der Fahrstuhl hier sein könnte.
Was wäre
eigentlich, wenn der Alte den Fahrstuhl benutzen sollte? Stelle mich etwas an
den Rand, nur für den Fall der Fälle. Es dingt im Hintergrund leise. Die
Fahrstuhltüren gehen nacheinander auf. Stille. Nur das Rauschen des Windes und
die wilden Stromschläge, welche vereinzelt in den langsam schwarz werdenden
Fußboden gehen, unterbrechen die Geräuschkulisse. Soweit, so gut. Revolver im
Anschlag langsam voran. Jede Schritt näher an die Fahrstuhltür. Sie fängt an,
zuzugehen. Verflucht! Ich laufe hinüber, Hände dazwischen. Was wenn sie keinen STOP-Mechanismus
haben?!
Als die Tür meinen Arm berührt, bleibt sie stehen. Uff. Mir wird etwas
mulmig. Die Fahrstuhl-Tür geht wieder auf. Hätte er auf seinen Moment gewartet,
wäre dies mein Ende gewesen. Jetzt den Schuss setzen, und PENG, Bye Bye
Zeichner. Einen kurzen Schritt in den immer noch leeren Fahrstuhl hinein, und
alle Tasten an seiner Seite betätigt. Das sollte sicherstellen, dass er
entweder vor diesem, oder auf jeder Etage verharren muss, um sicher zu sein,
dass ich nicht dort zufällig dort bin. Wenn er den Fahrstuhl im Blick hat,
heißt das natürlich.
Laufe so schnell
ich kann, trotz einer gewissen Erschöpfung, trotz des Reissens und Zerrens in
den Muskeln, zurück zum Treppenhaus, und nehme jede einzelne Stufe, jeden
Abschnitt so schnell ich kann, nur um vor dem Fahrstuhl schneller unten zu
sein. 8te Etage. Tiefer und Tiefer, ehe ich endlich das Erdgeschoß erreiche.
Das bringt mich zu einer neuen Frage.
Deep Throat hat erwähnt, dass der
Fahrstuhl für B2 freigeschaltet sei, aber es gibt auch einen normalen Zugang zum
Club Eshaton über eine Rolltreppe. Gehen wir davon aus, dass irgendwas mit
Tatianna da unten umgeht, und Kaltenstadt sich da rum treibt, für den Fouquier
die ganze Chose nahe White Springs überhaupt abgezogen hatte. 5te Etage. Beim Gedanken
daran geht mir direkt wieder ein kalter Schauer über den Rücken. Brrr.
Das Stechen in
meiner Lunge will nicht aufhören. 4te Etage. Aber das ist nicht so schlimm. 3te
Etage. Da unten ist es schon. 2te Etage. Fast geschafft. 1ste Etage. Komm
schon... Michael. Du ...hast es ...fast geschafft. Nur noch ...ein paar …Meter. Drücke
mich …keuchend gegen …die Treppenbrüstung des …Erdgeschosses. Muss erst mal…wieder
…Luft …kriegen.
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