20180128

English Eerie III - Die Bestie des Moores

Zunächst erschien es mir wie von selbst natürlich, als das Essen serviert war, und die große Uhr die Abendstunde schlug, darauf zu warten, dass Cunningham auftauchen möge. Dies war jedoch nicht der Fall. Stattdessen begann der Herr vor mir nur, genüsslich, und aufs unhöflichste schlürfend, einem Kleinkind gleich, sich an seiner Suppe zu vergehen, dass es mir den Appetit verschlug.

Auch das aufgebotene Mahl tat nichts, um meinen Eindruck von der Situation zu verbessern. Vielmehr wirkte es im Kontrast noch seltsamer. Aufgetragen durch die junge Dame, welche im Haushalt als Dienstmädchen beschäftigt war, wie mir Mrs.Bristles, nun mit einer bandagierten Hand, erläuterte, und auf den Namen Douglas hörte. Ein junges Ding aus dem nahegelegen Dörfchen, das selbst für einen Namen zu jung, aber für die Umgebung zu alt war.

Das stetige Klinkern des Silberbestecks meines Gegenübers im Kerzenlicht und das saftige Schmatzen waren nicht abzuschütteln. Wie ausgewaschene Küstenlichter des Meeres dröhnten sie stetig, ihre Glocken ein Schwall der die Feste meines Geistes abschürften, zu schleifen drohten. In einem Moment der Schwäche überkam es mich.

Die Uhr schlug die halbe Stunde an. Härter, als ich es dachte, schlug ich mit dem Besteck auf dem Tische auf, stieß meinen Stuhl zurück, empört aufgerichtet. Mit glasigem Blicke sah der alte Mann mich an, während ich ihn zu Recht wies ob seiner Manieren in Anwesenheit eines Gentlemans und angesichts des Fehlens des Hausherrn einfach so zu essen.

Der fragende Blick meines Gegenübers verunsicherte mich. Das Getrappel von Stiefeln von Stiefeln vom Flure deutete an, dass Mr.Enfield wohl etwas gehört hatte. In meiner Empörung muss ich gestanden haben wie der Leibhaftige selbst, ehe dem seltsamen Herrn der Löffel aus der Hand fiel. Konnte es sein, dass ich so blind war?

Enfield riss die Tür auf, während mein Gegenüber die Hände vors Gesicht warf, und wie ein Wahnsinniger anfing, zu heulen, zu schreien, sich die Hände über die Kleidung zog und Besteck im Raum umher zu werfen. Die Situation ließ mich fassungslos zurück. Von Ms.Douglas beruhigt, wurde der Alte weggebracht, ehedem seine Worte verhallten. Mein fragender Blick blieb nicht unbemerkt, aber niemand aus der Bedienstetenschaft vermochte oder war indes willens mir zu antworten. Sie wichen meinem Blick lieber aus. Was war hier gerade geschehen? Die Reste der Suppe tropften langsam an der Tischdecke entlang herunter.

Ich zog mich auf mein Zimmer zurück. Um meinem Gedanken Gewissheit zu verschaffen, war es notwendig, Cunningham aufzuspüren. Eine Expedition war vonnöten, in die Tiefen des Manors. Gleichwohl machte man es mir einfacher, als ich erwartet hätte. Kaum hatte ich die große Halle betreten, durch welche ich vorher Einlass erhalten hatte, bedrängte mich Enfield, welcher aus den Schatten hervor gekrochen kam, wie ein Kanaille um ein verletztes Tier kriechen musste.

Er beschimpfte mich, wies mir an, den Frieden zu stören, und seinen Herren zu beschimpfen. Fragte, wie ich es wagen könne, zu behaupten, von ihm verlangt worden zu sein, wo ich ihn nicht einmal erkannt hätte. Alle Versuche mich zu rechtfertigen, verblieben unausgesprochen. In meinem Geiste dröhnte und brüllte die Sonne Transvaals unter seinen Worten auf mich ein, die Lichter des großen Kerzenleuchters über uns ein Mahnmal an die Himmel. Unwillkürlich musste ich meine Fingerknochen knacken lassen. Es war wahr. Enfields Worte ließen nur den Schluss zu, dass der alte Mann Cunningham wäre. Mein alter Freunde, mein Weggefährte, und derjenige dem ich mein Leben an den Ufern des Vals zu verdanken hatte.

Das plötzliche Brüllen und Schlagen brachte mich aus dem Konzept. Enfield hatte versucht mich zu bewegen, mit brachialer Gewalt von meiner Stelle zu schieben, dachte sich vielleicht einen leichten Schubs. Wie im Reflex hatte ich reagiert, mein Körper agiert lange bevor mein Geist verstanden hatte, was hier vor sich ging. Der tiefe Schnitt zog sich weithin über Enfields Arm, als mein altes Taschenmesser plötzlich in meiner rechten saß, nur einzelne kleine blutige Kristalle als Tropfen auf den schweren Teppich fielen.

Sein Aufschrei, Zeter und Mordio gleich. Und doch, ich verwies ihn nur der Tatsache dass er sich dies selbst zuzutragen hätte, und ich umgehend mit Lord Cunningham sprechen würde, müsste. Eine Entschuldigung war das mindeste, aber ein Verständnis war umso wichtiger. Der schwitzige Blick, voller Verachtung, den Enfield mir entgegenwarf, die Augen wie rasend, die Zähne knackend, trieften. Dies hätte kein Ende, und er würde den Coppern schon Bescheid geben über meine Art, sobald er sich seiner Wunde versichert hätte. Ein Nachspiel, so drohte er mir an, wagte aber im Angesicht meines Messers keinen weiteren Schritt.

Es muss schnippisch angemutet haben, aber ich zog nur mein Taschentuch und wischte das Messer sauber. Das gute Stück hatte mich durch holländische Boers, afrikanische Dschungel und die Hitze Chinas getragen, es wäre vermessen es nicht in jedem Moment bei mir zu haben. Meine Füße suchten, und fanden, im Gewissen dass meine Schritte beobachtet wurden, den Weg in Cunninghams Bibliothek.

Der zweistöckige schwere Raum, in dessen Mitte ein massiver, großer Kamin trotzig, von dunklen Gargylen bewacht den schweren Ohrensesseln gegenüberstand, war entfacht, du eine enorme Hitze durchzog den gesamten Raum. Die wenigen Fenster, welche im Obergeschoß alleine existieren, scheinen alsbald vor Feuchtigkeit beschlagen. Eine leise Stimme, ein Flüstern durchzog das Ambiente zwischen den Regalen. Die halbleere Flasche Brandy und die Person in einem der Sessel machten deutlich, dass ich mein Ziel hier finden würde, denn kaum jemand sonst in diesem Haus würde wagen, sich an den Platz des Hausherren zu verirren.

Erst beim Weg an den Regalen vorbei, gefüllt mit unzähligen Familienbüchern, Historiographien und Dokumenten okkulter wie sachlicher Natur, fiel mir auf, dass noch jemand anderes am Sessel stand. Ms.Douglas, wie sie, leicht gebeugt, in das Ohr des Sitzenden sprach, flüsterte. Kleine Nichtigkeiten? Mein Erscheinen war ihr sichtlich unangenehm, sie zeigte sich ertappt, und senkte schnell den Blick als sie sich vom Sessel hoch und hinweg brachte. Obwohl mein Blick ihr folgte, tat sie alles, dass sie mir nicht in die Augen sehen musste.

Noch immer war dieser Tag nicht vorüber, aber schon war er angefüllt mit einem Sammelsurium von Seltsamkeiten. Wie konnte ich daher verstehen, was in Cunningham vorging, wenn er mich so dringlich brauchte? Ich näherte mich dem Sessel, ließ mich auf der gegenüber liegenden Seite in den anderen fallen, und goss mir etwas vom Brandy ein. Eine unangenehme Geste, unhöflich, aber sie weckte die Aufmerksamkeit.

Der tattrige Kerl, der so seltsam und alt erschien, jetzt, im Anblick des Kaminfeuers, der Leib halb hinein gesunken und spindeldürr, dass kein Frack oder Korsett ihn noch hoch halten könnte, das Gesicht unverkennbar, wenngleich schwer behaart und stark ergraut. Cunningham. Alter Freund. Was mag dir widerfahren sein. Ich bin mir sicher, dass er mir meine Fragen ansah, als er sich zu mir, und dann wieder den Flammen zudrehte.

Seine Hand hingegen, ruhte auf einem schweren Wälzer auf dem kleinen Tischlein vor ihm. Für den Moment erfüllte nur das Knacken und Knistern des Kamins die Umgebung.

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