Zunächst erschien es mir wie von selbst
natürlich, als das Essen serviert war, und die große Uhr die Abendstunde
schlug, darauf zu warten, dass Cunningham auftauchen möge. Dies war jedoch
nicht der Fall. Stattdessen begann der Herr vor mir nur, genüsslich, und aufs
unhöflichste schlürfend, einem Kleinkind gleich, sich an seiner Suppe zu
vergehen, dass es mir den Appetit verschlug.
Auch das aufgebotene Mahl tat nichts, um
meinen Eindruck von der Situation zu verbessern. Vielmehr wirkte es im Kontrast
noch seltsamer. Aufgetragen durch die junge Dame, welche im Haushalt als
Dienstmädchen beschäftigt war, wie mir Mrs.Bristles, nun mit einer bandagierten
Hand, erläuterte, und auf den Namen Douglas hörte. Ein junges Ding aus dem
nahegelegen Dörfchen, das selbst für einen Namen zu jung, aber für die Umgebung
zu alt war.
Das stetige Klinkern des Silberbestecks
meines Gegenübers im Kerzenlicht und das saftige Schmatzen waren nicht
abzuschütteln. Wie ausgewaschene Küstenlichter des Meeres dröhnten sie stetig,
ihre Glocken ein Schwall der die Feste meines Geistes abschürften, zu schleifen
drohten. In einem Moment der Schwäche überkam es mich.
Die Uhr schlug die halbe Stunde an.
Härter, als ich es dachte, schlug ich mit dem Besteck auf dem Tische auf, stieß
meinen Stuhl zurück, empört aufgerichtet. Mit glasigem Blicke sah der alte Mann
mich an, während ich ihn zu Recht wies ob seiner Manieren in Anwesenheit eines
Gentlemans und angesichts des Fehlens des Hausherrn einfach so zu essen.
Der fragende Blick meines Gegenübers
verunsicherte mich. Das Getrappel von Stiefeln von Stiefeln vom Flure deutete
an, dass Mr.Enfield wohl etwas gehört hatte. In meiner Empörung muss ich
gestanden haben wie der Leibhaftige selbst, ehe dem seltsamen Herrn der Löffel
aus der Hand fiel. Konnte es sein, dass ich so blind war?
Enfield riss die Tür auf, während mein
Gegenüber die Hände vors Gesicht warf, und wie ein Wahnsinniger anfing, zu
heulen, zu schreien, sich die Hände über die Kleidung zog und Besteck im Raum
umher zu werfen. Die Situation ließ mich fassungslos zurück. Von Ms.Douglas
beruhigt, wurde der Alte weggebracht, ehedem seine Worte verhallten. Mein
fragender Blick blieb nicht unbemerkt, aber niemand aus der Bedienstetenschaft vermochte
oder war indes willens mir zu antworten. Sie wichen meinem Blick lieber aus. Was
war hier gerade geschehen? Die Reste der Suppe tropften langsam an der
Tischdecke entlang herunter.
Ich zog mich auf mein Zimmer zurück. Um
meinem Gedanken Gewissheit zu verschaffen, war es notwendig, Cunningham
aufzuspüren. Eine Expedition war vonnöten, in die Tiefen des Manors. Gleichwohl
machte man es mir einfacher, als ich erwartet hätte. Kaum hatte ich die große
Halle betreten, durch welche ich vorher Einlass erhalten hatte, bedrängte mich Enfield,
welcher aus den Schatten hervor gekrochen kam, wie ein Kanaille um ein
verletztes Tier kriechen musste.
Er beschimpfte mich, wies mir an, den
Frieden zu stören, und seinen Herren zu beschimpfen. Fragte, wie ich es wagen
könne, zu behaupten, von ihm verlangt worden zu sein, wo ich ihn nicht einmal
erkannt hätte. Alle Versuche mich zu rechtfertigen, verblieben unausgesprochen.
In meinem Geiste dröhnte und brüllte die Sonne Transvaals unter seinen Worten auf
mich ein, die Lichter des großen Kerzenleuchters über uns ein Mahnmal an die
Himmel. Unwillkürlich musste ich meine Fingerknochen knacken lassen. Es war
wahr. Enfields Worte ließen nur den Schluss zu, dass der alte Mann Cunningham
wäre. Mein alter Freunde, mein Weggefährte, und derjenige dem ich mein Leben an
den Ufern des Vals zu verdanken hatte.
Das plötzliche Brüllen und Schlagen
brachte mich aus dem Konzept. Enfield hatte versucht mich zu bewegen, mit
brachialer Gewalt von meiner Stelle zu schieben, dachte sich vielleicht einen
leichten Schubs. Wie im Reflex hatte ich reagiert, mein Körper agiert lange
bevor mein Geist verstanden hatte, was hier vor sich ging. Der tiefe Schnitt
zog sich weithin über Enfields Arm, als mein altes Taschenmesser plötzlich in
meiner rechten saß, nur einzelne kleine blutige Kristalle als Tropfen auf den
schweren Teppich fielen.
Sein Aufschrei, Zeter und Mordio gleich.
Und doch, ich verwies ihn nur der Tatsache dass er sich dies selbst zuzutragen
hätte, und ich umgehend mit Lord Cunningham sprechen würde, müsste. Eine
Entschuldigung war das mindeste, aber ein Verständnis war umso wichtiger. Der
schwitzige Blick, voller Verachtung, den Enfield mir entgegenwarf, die Augen
wie rasend, die Zähne knackend, trieften. Dies hätte kein Ende, und er würde
den Coppern schon Bescheid geben über meine Art, sobald er sich seiner Wunde
versichert hätte. Ein Nachspiel, so drohte er mir an, wagte aber im Angesicht
meines Messers keinen weiteren Schritt.
Es muss schnippisch angemutet haben, aber
ich zog nur mein Taschentuch und wischte das Messer sauber. Das gute Stück
hatte mich durch holländische Boers, afrikanische Dschungel und die Hitze Chinas
getragen, es wäre vermessen es nicht in jedem Moment bei mir zu haben. Meine
Füße suchten, und fanden, im Gewissen dass meine Schritte beobachtet wurden,
den Weg in Cunninghams Bibliothek.
Der zweistöckige schwere Raum, in dessen
Mitte ein massiver, großer Kamin trotzig, von dunklen Gargylen bewacht den
schweren Ohrensesseln gegenüberstand, war entfacht, du eine enorme Hitze
durchzog den gesamten Raum. Die wenigen Fenster, welche im Obergeschoß alleine
existieren, scheinen alsbald vor Feuchtigkeit beschlagen. Eine leise Stimme,
ein Flüstern durchzog das Ambiente zwischen den Regalen. Die halbleere Flasche
Brandy und die Person in einem der Sessel machten deutlich, dass ich mein Ziel
hier finden würde, denn kaum jemand sonst in diesem Haus würde wagen, sich an
den Platz des Hausherren zu verirren.
Erst beim Weg an den Regalen vorbei,
gefüllt mit unzähligen Familienbüchern, Historiographien und Dokumenten
okkulter wie sachlicher Natur, fiel mir auf, dass noch jemand anderes am Sessel
stand. Ms.Douglas, wie sie, leicht gebeugt, in das Ohr des Sitzenden sprach,
flüsterte. Kleine Nichtigkeiten? Mein Erscheinen war ihr sichtlich unangenehm,
sie zeigte sich ertappt, und senkte schnell den Blick als sie sich vom Sessel
hoch und hinweg brachte. Obwohl mein Blick ihr folgte, tat sie alles, dass sie
mir nicht in die Augen sehen musste.
Noch immer war dieser Tag nicht vorüber,
aber schon war er angefüllt mit einem Sammelsurium von Seltsamkeiten. Wie
konnte ich daher verstehen, was in Cunningham vorging, wenn er mich so
dringlich brauchte? Ich näherte mich dem Sessel, ließ mich auf der gegenüber liegenden
Seite in den anderen fallen, und goss mir etwas vom Brandy ein. Eine
unangenehme Geste, unhöflich, aber sie weckte die Aufmerksamkeit.
Der tattrige Kerl, der so seltsam und alt
erschien, jetzt, im Anblick des Kaminfeuers, der Leib halb hinein gesunken und spindeldürr,
dass kein Frack oder Korsett ihn noch hoch halten könnte, das Gesicht
unverkennbar, wenngleich schwer behaart und stark ergraut. Cunningham. Alter
Freund. Was mag dir widerfahren sein. Ich bin mir sicher, dass er mir meine
Fragen ansah, als er sich zu mir, und dann wieder den Flammen zudrehte.
Seine Hand hingegen, ruhte auf einem
schweren Wälzer auf dem kleinen Tischlein vor ihm. Für den Moment erfüllte nur
das Knacken und Knistern des Kamins die Umgebung.
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