20180107

Rot-Schwarz

Als er die Schreie hörte, war es schon zu spät. Die Flammen schlugen wild um sich, fraßen sich unbarmherzig durch das Haus, verschlangen alles in ihrem Weg. Selbst mit seinem schummrigen Blick, wankend, schmerzend sich aufrichtend, erkannte er, dass er keinen Ausweg aus den Flammen finden würde.

Mit letzter Kraft stieß er sich von der Couch, drückte sich hoch und drohte zu fallen. Fing sich, und stieß gegen das Fensterbrett, die Finger nahmen Halt am bröckelnden Holz. Alles war von Flammen verschlungen, das Feuer hatte auch die Außenwelt zu verzehren begonnen. Dann brach über ihm der schwere Stützbalken herab...


Als er die Augen aufschlug, dröhnte sein Kopf so schwer, wie er es nach der letzten Nacht meinte verdient zu haben. Seine Zunge war belegt, Teppich-gleich, und trocken. Sein Hals ausgedörrt. Nur langsam kam er von der dreckigen Couch herunter, neben ihm röhrte seine nächtliche Bekannte kurz auf, drehte sich dann aber auf die andere Seite. Schlief weiter. Der Wecker plärrte unaufhörlich.

Er kratzte seine Rückseite, blickte sich um, stieß gegen eine von mehreren Bierflaschen welche wild auf dem Boden lagen. Das Zimmer mit dem einsamen, weitläufigen Fenster zur Nordseite hin gab den Blick frei auf die natürliche Landschaft der Berge und Nadelwälder welche diese beherrschte.

Erneut fiel ihm auf, dass am oberen Rand des Fensters der Rahmen trotz aller Übermalversuche erneut den dunklen Ton annahm, das Schwarz geleckten Teers. Selbst nach mehrmaligen Übermalen kam es immer wieder durch, und er konnte sich bis heute nicht erklären, woher die Flecken dort stammen könnten. Er zuckte mit den Schultern, wandte sich um und ging zur Küche.

Während er sich Frühstücksflocken fertig machte, war im Hintergrund das Heulen der Feuerwehrsirenen zu hören. In den Nachrichten erzählte ein altmodischer Sprecher von den größten Brandherden seit Beginn der Aufzeichnung, wurde aber schnell durch aktuelle Zeichentrickserien ersetzt, als er umschaltete. Er konnte eh nichts dran ändern. Also biss er sich durch seine Schale Flocken durch, während er nach den verstreuten Überresten von Kleidung und Milchpacks schaute. Er brauchte dringend etwas für den Hals.

Die so gefundene Milchpackung wurde direkt leergesogen. Er stand, nunmehr wenigstens in Unterhosen vor der immer noch zugezogen Terrassentür, als die Sirenen losgingen. Panisch ging sein Blick zum Terrassenfenster, welches er aufzog. Die Feuer in den Himmeln zogen sich über die Atmosphäre. Ein gigantischer Regen von Rot und Rot-Orange raste auf ihn zu. Er drehte sich um, wollte weg rennen, spürte etwas gegen seine Beine klatschen und fiel über den Glastisch. Scherben, Splitter, Schmerz. DIe Flammen erreichten sein Haus und schmolzen die Fenster. Es brachte nichts mehr, als er die Augen schloß, und nur noch Helligkeit sah.

Der Wecker plärrte immer noch. Vom Adrenalin angetrieben schoß er hoch, seine Bekannte gnarrte kurz, drehte sich dann aber zur Seite. Schweiß ging ihm die Stirn hinab. Die einsamen Flaschen der letzten Nacht hingen noch immer im Zimmer. Er stürmte hoch, riß die Vorhänge der Fenster beiseite. Vor ihm eröffnete sich der langsame Schneefall einsamer Tage. Er war sich sicher, dass es nur ein Traum war. Zog sich an, drückte ihr noch einen Kuss auf die Stirn, fuhr davon. 

Er drehte das Radio lauter, während der alte Pickup-Truck aufröhrte. Die langsam abblätternde Farbe am Rücken des Fahrzeugs, ebenso wie der abgeknickte Spiegel auf der Beifahrerseite gaben ein deutliches Bild von seiner Zuneigung zu seinem Gefährt. Im Radio sprachen sie von Katastrophennachrichten und Weltuntergängen, aber er bog gemütlich auf die Hauptstraße ein, während vor ihm der Schnee schlimmer wurde.Selbst angesichts des schlechten Wetters, so fand er, war wenig los auf den Straßen. Er hatte noch kein anderes Fahrzeug gesehen.

Die Reifen quietschten noch kurz auf, als er in die Kurve ging und sein Gefähr plötzlich anfing eine 90°-Wendung nach unten zu machen. Der Abgrund, in den er plötzlich fuhr, war gigantisch, als er vor sich die aufbrechenden Feuer sah, welche in den Tiefen loderten und auf ihn warteten. Unzählige Überreste anderer Fahrzeuge, die Wracks abertausender loderten dort bereits. Schützend riß er die Hände vors Gesicht, als er spürte wie der Grund näher kam.

Er blinzelte. Er lag auf der Couch, halb verkrümmt, der Blick schummrig. Als er hochkam, konnte er kaum an sich halten. Musst schreien, sprang umher, versuchte sie aufzuwecken, aber sie zog sich das Kissen über den Kopf, ein Arm wild nach ihm fuchtelnd und wedelnd. Er schrie, bat, flehte sie möge mit ihm reden. Unter dem dicken Kissen kam nur ein schwaches Grunzen, ehe es in leise Schmatz- und schliesslich Schlafgeräusche überging. 

Seine Füße zitterten, als er die Treppe hinunter ging. Jeder Schritt war von einer Pause begleitet. Jeder Moment ein Umgucken und Horchen. Er hörte jemanden Fluchen. Irgendwas lief, wie Wasser. Etwas flüssiges. Eine Person! Er hastete hinunter, rannte zur Haustür, riß diese auf, sah noch wie jemand um die Seite, die einsame Gartentür Richtung Hinterhof verschwand.

Er lief hinterher, rutschte beinahe auf dem feuchten Betonboden auf, der Gestank von Azeton hing in der Luft. Er rief etwas, kam um die Ecke, sah die Person noch, den Overall hochgeschlagen, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Eine grässliche Fratze. In der Hand hielt sie ein Streichholz. Lodernd. In der anderen einen leeren Kanister, aus dem noch einzelne Tropfen beißenden Geruch erzeugten.

Er konnte das Grinsen spüren, als er loslief, sich auf die Person stürzte, und ihr die Kapuze hinunter riß, während das Streichholz, nunmehr entzündet, in die Lache fiel. Schmerz rang sich aus seiner Kehle. Als er die Schreie hörte, war es schon zu spät.

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