20140329
Überbelastung
Aus Gründen persönlicher Überlastung wird es heute leider keine neue Episode von Zeichner geben. Sobald ich ab Montag wieder freier bin, werde ich sehen, dass ich entsprechend nacharbeite. Sorry.
20140326
Fall 1 - XXII
Ich drücke den armen Kerl hart gegen die
Wand hinter ihm, mein Ellenbogen immer noch an seinem Hals.
Mann
- Bitte...*keuch*...ich habe nichts getan
Zeichner
- Das wird sich noch zeigen.
Frau
- Was wollen sie von uns?!
Zeichner
- Als ich die Treppe hochkam, haben sie nach draußen geschaut. Als ich aus
Nr.12 kam, haben sie rausgeschaut. Sie haben eine Vorliebe zum Zugucken, oder?
Mann
- Und? Das ist kein Verbrechen.
Mit
seiner etwas ungehaltenen Antwort drücke ich ihm nochmal meinen Ellenbogen in
den Hals, was ihm offensichtlich unangenehm ist. Er läuft leicht an und bekommt
Probleme, Luft zu bekommen.
Zeichner
- Beantworten sie die Frage!
Mann
- *spotz keuch hust* ....kay....okay. Ja....ja doch, ich glotz halt gern.
Zeichner
- Was haben sie gesehen?
Mann
- Von was?
Zeichner
- Die Wohnung gegenüber wurde erst verwüstet und dann ausgeräumt. Sie schauen
gerne, wer auf ihrem Flur umherläuft. Ich will wissen, was sie gesehen haben.
Oder muss ich erst unsanft werden?!
Mann
- Bitte nicht! Ich hab....ich hab sie gesehen!
Zeichner
- Und wann?
Mann
- Vor ´ner Woche oder so. Und die Jungs von den Blazing Skulls auch.
Zeichner
- Die Muskelbepackten Volltrottel?
Mann
- Die Whitepower-Gruppe.
Zeichner
- Und dann?
Mann
- Dann habe ich gesehen wie sie von den Leuten raus geschleppt wurden.
Zeichner
- Weiter.
Mann
- Was...?
Zeichner
- Seitdem sind zwei Wochen vergangen, Mann. Was ist noch passiert? Wann wurde
die Wohnung ausgeräumt und von wem?
Mann
- Naja, ein paar Stunden nach ihnen und den Skulls ist eine junge Frau in einem
so ´nem Kostüm, wie die scharfen Tänzerinnen in Rio aufgetaucht und hat ein
paar Tüten voll Zeugs aus der Wohnung geholt.
Zeichner
- Geht die Beschreibung nicht etwas genauer?
Mann
- Ich hab nur kurz hingesehen, immer wenn ich dachte das man einen Blick
riskieren könnte.
Zeichner
- Strengen sie ihren Kopf an!
Frau
- Er hat doch gesagt, mehr kann er nicht
Zeichner
- Halten sie sich da raus.
Ich
drücke sie mit dem anderen Arm etwas stärker gegen die Flurwand. Er hat einen
sichtbaren Schweißausbruch.
Mann
- Äh...Ähh..sie hat so ein Schuppenkleid getragen!
Für
den Moment lasse ich meinen Griff etwas lockerer.
Zeichner
- Wie bei einem Fisch oder wie bei einer Schlange?
Mann -
Schlange! Definitiv wie bei einer Schlange! So richtig enganliegend.
Ich
mache mir eine mentale Notiz. Derartige Kleidungsstücke können teuer sein, wenn
sie nicht gerade Karnevalsware sind und das wiederum heißt meistens, dass es
irgendwo ein Kostümhandel greifbar ist, der mehr sagen kann. Denn ansonsten
sind sie Einzelanfertigungen.
Zeichner
- Und sonst?
Mann
- Danach kam eine Gruppe von Asiaten, die alles auseinander genommen hat.
Alles. Man konnte bis hier hören, sie sie durch die Wohnung gingen und dabei
alles auseinander genommen haben, was nicht angenagelt war und vermutlich
selbst das.
Zeichner
- Nur Asiaten?
Mann
- Nein, eine Frau war auch dabei. So ne richtig scharf AU...also
ja, da war ne Tussi dabei.
Zeichner
- Bikerklamotte, so Lederjacke und Jeans?
Mann
- Mann, keine Ahnung, so sehr hab ich da nicht drauf geachtet...
Zeichner
- Was passierte dann?
Mann
- Naja, die Tussi wurde megastinkig, als die Asiaten mit ihr geredet haben, und
dann haben sie, und ich schwöre, das ist mein voller Ernst, den Toten
hochgeholt und mehrfach geschlagen und angebrüllt. Ich dachte, ich seh nicht
recht, aber das war ernsthaft der Damir wie er da von denen hochgeholt wurde.
Und dann haben sie ihm eine Automatik durchs Gesicht gezogen und daraufhin
wurde er ganz schlaff und sie haben ihn wieder mitgenommen, als sie abgehauen
sind.
Zeichner
- Ich vermute mal, das waren die letzten?
Mann
- Ähh...nicht ganz. Da war noch ein Herr, etwas älter, so einem dicken dunklen
Mantel und Filzhut und Koffer an seiner Seite, graues Haar an den Rändern, ganz
hart geschnitten, der kam von rechts aus dem Hausflur und ging kurz in die
Wohnung, kam dann wieder raus und als er gerade an der Treppe steht, guckt er
genau in meine Richtung und da hab ich mich direkt erst mal geduckt, und als
ich mich getraut habe wieder hoch zu gucken, war er weg.
Es
kommt mir bekannt vor, aber ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher.
Zeichner
- Seitdem niemand mehr?
Mann
- Außer ihnen heute, nicht, nein.
Zeichner
- Sie sollten in Zukunft aufhören, ihren Mitmenschen nachzuspionieren. Das kann
böse an die Gesundheit gehen.
Ich
lockere den Ellenbogen an seinem Hals, nehme ich ganz weg, drücke sie auch
nicht mehr gegen die Wand, wobei sie plötzlich auf den Hintern zu Boden fällt
und schwer nach Luft ringt.
Zeichner
- Der alte Mann kam aus dem Flur. Von welcher Wohnung?
Mann
- Die Mac`Owells und die Vanderbiers.
Ich
öffne die Haustür. Wende mich den beiden zu, die sich anfangen, umeinander zu
kümmern, mich dabei aber immer wieder unter nervösen Blicken anschauen.
Zeichner
- Ich empfehle ihnen, hier auszuziehen, das ist eine gefährliche Gegend.
Trete
auf den Hausflur, und schließe die Tür hinter mir. Marschiere hinüber über den
Flur zu den genannten Wohnungen. Nur die Nummern, keine Namen an den Klingeln.
Ich drücke bei der letzten Tür auf der rechten Seite die Klingeln.
Es
dauert einen Moment, ehe ich eine muffige Stimme höre.
Stimme
- ´Hullo?
Zeichner
- Mr....Vanderbier? Amt für Baustruktur und Instandhaltung.
Stimme
- Was wollen sie?
Zeichner
- Wir überprüfen momentan alle Wohnungen in der Gegend auf ihre strukturelle
Stabilität. Würden sie Tür öffnen, wir reden ungern durch eine Barriere.
Stimme
- Tür bleibt zu. Hier ist alles sicher. Sie brauchen hier nichts prüfen.
Zeichner
- Wie sie meinen. Aber kommen sie nicht zu uns, wenn ihnen das Gebäude überm´
Kopf einstürzt.
Keine
weiteren Geräusche von innen. Nächste Tür. Letzte Tür auf der linken Seite.
Es
dauert einen Moment, bis ich bemerke, dass nach dem Drücken des Klingelknopfes
gar kein kaum vernehmbares Klingelgeräusch im Inneren der Wohnung erfolgt.
Hmmm. Ich drücke die Tür sanft nach innen, während ich den Knauf drehe. Nicht
abgeschlossen.
Als
ich die Tür öffne, tritt mir ein unangenehmer Gestank entgegen, wie eine Wolke.
Leicht süßlich, aber in der Art, dass ich mich am liebsten übergeben möchte.
Der Geruch wird nur stärker, als ich den Flur trete, und im Wohnzimmer
hinauskomme. Der laufende Fernseher, ein uraltes Farbgerät aus den späten
Sechzigern und ein altes Ehepaar, das gemeinsam auf dem Sofa aneinander gelehnt
auf das rauschende Bild starrt. Ohne sich umzurühren, sich zu drehen, als ich
hinter die beiden trete. Der Gestank ist hier am stärksten. Der Anblick ist
ekelerregend.
Jemand
hat die beiden mit einer einzigen Kugel in den Kopf hingerichtet und, den
Blutflecken auf dem altmodischen Teppich zu urteilen, so platziert, dass nicht
sofort offensichtlich wird, dass sie tot sind, wenn jemand herein kommt. Er kam
also von hier. Im ersten Moment bin ich noch skeptisch, aber das wird hinweg
gewischt, als ich bemerke, dass auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa und neben
den beiden Sesseln mehr als nur zwei Teetassen stehen. Zwei sind unangerührt,
eine dritte ist leer auf ihren Teller gestellt.
Mit
einem Taschentuch vor dem Mund, verlasse ich die Wohnung. Meine Spur geht
woanders weiter.
20140323
Fall 1 - XXI
Am nächsten Morgen. Die Sonne leuchtet mir entgegen, in ihrer tiefen Röte,
mit der sie aufgeht, als ich mich selbst entlasse. Zwar versucht der gute Onkel
Doktor noch ein paar mal auf mich einzureden, aber für seine Argumente bin ich
inzwischen durchaus taub. Ich will nur noch raus hier. Das stetige Weiß geht
mir auf den Keks.
Endlich draußen. Im ersten Moment schlägt mir vor allem die kühle Luft
entgegen. Ich schlage den Kragen meiner Jacke hoch, insgesamt war ich sehr
überrascht, meine Kleidung wieder zu bekommen. Der Trenchcoat hat verdammt
nochmal ein helles Braun angenommen, seitdem er von den Damen hier im
Krankenhaus gewaschen worden ist, und riecht so seltsam flauschig. Urrgh.
Mein erstes Ziel ist die Taxistation vor dem Parkplatz. Schon von weitem
kann ich sehen, dass nur ein einzelnes Taxi einsam und verloren auf dem Platz
steht. Denke mal, dass die Karre der Glatzköpfe damit auch in den Orcus
gewandert ist. Stapfe rüber, klopfe gegen seine Scheibe, er winkt mich rein.
Der Taxifahrer, ein End-Fünfziger mit leichtem Kräuselbart, breitem Kinn, einer
dicken Knubbel-Nase und einem kleinen an eine Baskenmütze erinnernde
Herrenmütze hat ein stetiges Grinsen auf dem Kopf und laut der Fahrerkarte
heißt er Ibrahim, als ich einsteige.
Ibrahim – Ja verfickte, Scheiße! Shalla! Moment, Ja?
Zeichner – Kein Problem.
Es dauert in der Tat noch einen Moment, er tippt auf dem kleinen Apparat,
wohl sein Fahrtenleser/-messgerät herum und haut dann noch ein bisschen
dagegen. Irgendwann springt das Zahlendisplay dabei plötzlich auf null.
Ibrahim – Ahhh! Geht doch. Ist russische Technik.
Musst du nur lange genug gegen hauen, dann gehen wieder. Wohin?
Zeichner – Kipling Street, Docks. Stört es sie wenn ich rauche?
Ibrahim – Kein Problem, machst du Fenster offen.
Gesagt getan. Ich kurbel das Seitenfenster auf und sammle eine Zigarette aus
meiner Schachtel, die seit geschlagenen Wochen inzwischen vor sich hin gesauert
haben. In der Zwischenzeit fährt Ibrahim los, und es dauert nicht lange, bis
wir über den Straßen der Stadt dahin rauschen. Die Straßen sind nicht wirklich
leer, aber so richtig voll sind sie zu dieser Uhrzeit auch noch nicht. Trotz
allem scheint der Verkehr irgendwie zu einer amalgamen Masse zu verschwimmen,
während mein Blick aus dem Fenster heraus geht. Ibrahim hat inzwischen das
Radio eingeschaltet, das mit ein paar seltsamen Country-Songs im allgemeinen
und meine Ohren im speziellen umbringen will. Die Tatsache, dass er auch noch
mitsingen muss beim Fahren macht die Situation nicht besser.
Wir treffen die Abfahrt und ich mache mich geistig darauf bereit, dass mich
gleich absetzen wird und dann woanders hin fährt. Für wen fährt er eigentlich?
Ein kurzer Blick auf sein Zählgerät verrät mir, dass er nicht für TMC, sondern
für die TTCT unterwegs. TTCT? Taggart TransCityTransportation. Dass es die noch
gibt, hätte ich nicht gedacht. Um uns herum sind inzwischen die kaputten
Gebäude zu sehen, die die Gegend ausmachen, Wohnblocks umringt von
Warenhausabschnitten, verschiedenen LKWs die kleinere oder größere Fracht transportieren
und zumeist mit wenigstens einer zweiten Person als Geleitschutz fahren.
Als Ibrahim um die Ecke biegt, habe ich die Hand schon am inneren Türgriff.
Aber er fährt weiter.
Zeichner – Wollen sie mich nicht raus lassen?
Ibrahim? Warum? Kipling Street weiter!
Zeichner – Öh…Ok.
Ich beuge mich langsam nach hinten. Zu mindestens fährt er tatsächlich mit
dem Taxi mich dahin wo ich wollte, nicht wie der andere.
Ibrahim - Müssen keine Sorge haben. Ibrahim
hat Schutz gekauft. Ist sicher.
Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Er hat mindestens Schneid. Jetzt
muss ich nur noch hoffen, dass er auch weiß, wo ich hin will, ohne dass er ein
GPS-Gerät benutzt, das er scheinbar nicht in seinem Wagen hat, denn bisher
gesehen habe ich noch keines.
Recht nahe an Haus Nr.24 kommen wir um die Biegung, als ich mich nach vorne
beuge, ihm auf die Schulter tippe und auf das Haus zeige.
Zeichner – Das da.
Er nickt, steuert den Bordstein an und kommt zum Stehen, will gerade den
Motor ausmachen.
Zeichner – Lass laufen, ich brauch nicht lange.
Er schaut nach hinten, zuckt mit den Schultern, dreht dann das Radio lauter.
Mein Blick fällt auf das Fahrtengerät. Es ist immer noch auf null. Seltsamer
Typ? Ich öffne die Tür und trete heraus. Obwohl ich bis eben das Fenster offen
hatte, hatte ich nicht das Gefühl, einen derartigen Gestank mitzunehmen. Es hat
sich äußerlich wenig am Haus selbst verändert. Immer noch liegt der
ausgebrannte und eingedellte Korpus eines Autos auf dem toten Braunstreifen,
der mal grün war und als Rasen betitelt worden wäre, während wenigstens der
Junkie im Eingangsbereich nicht mehr herum liegt. Selbst die blutig-rostrote
Spur ist nicht mehr zu sehen. Kein Wunder, wird vermutlich vom Regen die Tage
weggewaschen worden sein. Ruhigen Schrittes wandere ich in diesen Hort des Abschaums
hinein, den kaputten Wohnblock, in dem mir schon einmal solch schmerzhafte
Erlebnisse widerfahren sind, und wie zur Erinnerung aber vielleicht auch zu
Mahnung pocht, ganz leicht nur, ein Punkt in meiner Magengegend.
Durch die offene Eingangstür, wobei Tür schon übertrieben ist, auch damals
fehlte sie ja schon, trete ich in den unteren Korridor. Im Gegensatz zum
letzten Mal höre ich im Hintergrund kein Rauschen. Als ich an der Sitzecke
vorbeikomme, sitzt niemand da, wenngleich ich im Hintergrund des Gebäudes
durchaus Stimmen und Menschen leben hören kann. Also ist zu mindestens diesmal
vielleicht keine unangenehme Überraschung zu erwarten. Leichten Fußes kann ich
die Treppe nach oben nehmen, da der Fahrstuhl scheinbar abgestürzt zu sein
scheint, jedenfalls entnehme ich das dem stetig blitzenden Inneren und der
Tatsache, dass ich da drin hauptsächlich das seltsame Aufblitzen von Kabel- und
Stromspannung hören kann.
Als ich das erste Stockwerk erreiche, höre ich noch, wie eine Tür nicht weit
von mir zugeknallt wird. Jemand neugierig auf eventuelle Ankömmlinge? Meine
Füße finden wie von alleine den Weg zur Nr.12. Das einsam flatternde
Absperrband zwischen Tür und Angel verrät mir immer noch sehr gut, wie ich vor zwei
Wochen mich hier herein gemacht habe. Als ich die Wohnung betrete, fällt mir
zunächst einmal auf, dass ein Großteil der Inneneinrichtung demoliert wurde.
Andererseits, das war vor zwei Wochen schon nicht anders. Was mich hingegen
verwundert, obwohl es das vermutlich nicht sollte, ist die Tatsache, dass nicht
nur die Einrichtung zerstört, sondern Teile schlicht weg fehlen, die beim
letzten Mal noch da waren. Der einsame Bilderrahmen, aus dem ich damals das
Bild entnommen habe. Die Tür zum Schlafzimmer ist aufgerissen, obwohl die Matratze
auf dem Doppelbett sowie diverse Dinge aus Schubladen fehlen.
Jemand hat sich an den Dingen hier bedient. Jemand aus der unmittelbaren
Nachbarschaft? Vermutlich eher, den jemand, der gezielt sucht, würde nur
zerstören und das spezielle Objekt oder die speziellen Dinge finden wollen,
nach welchen gesucht wurde, anstatt alles einfach mitzunehmen. Es sei denn,
das, wonach sie suchen, ist auf all das aufzuteilen.
Ein paar Schritte weiter trete ich aus der Wohnung heraus, das Absperrband
flattert weiterhin im leichten Zug zwischen Tür und einem auf dem Korridor
offen stehenden Fenster. Noch bevor ich auf den Korridor getreten bin, kann ich
das Knallen einer sich schnell schließenden Tür vernehmen. Diesmal weiß ich,
woher es kam. Ein paar Meter weiter ist die Nr.7. Mit einigen geschickten
Schritten von der Seite und einem Finger auf dem Tür-Spion ist jedweder Blick
auf meine Person unmöglich gemacht. Ich klopfe an. Mehrfach. Hart. Unnachgiebig.
Eine Stimme von hinter der Tür. Sie klingt dumpf, was vermutlich an der Tür
liegt, aber eindeutig als männlich zu identifizieren.
Stimme – Wer ist da?
Zeichner - Machen sie die Tür auf.
Wir müssen reden!
Die Einschüchterungstaktik kann gut funktionieren, wenn man die Überhand
gegenüber einem Kontrahenten hat. Indem ich ihn im Glauben lasse, jemand
anderes zu sein, als ich bin, dränge ich ihn einerseits dazu, vor mir Angst zu
haben, andererseits dazu, vermutlich mehr zu erzählen als wenn ich einfach nur
gefragt hätte.
Zeichner – Ich hab gesagt TÜR AUF!
Ich trete gegen die Tür, während ich mit der Hand den Tür-Spion weiter dunkel
halte. Im nächsten Augenblick kann ich das Klackern und Wackeln der Tür
vernehmen. Er entriegelt. Vollidiot. Als die Tür einen Spalt weit aufgeht, kann
ich erkennen, dass er alle Schlösser geöffnet hat. Ungünstige Idee, wenigstens
die Kette hätte ich an seiner Stelle vor gelassen.
Stimme – Was wollen sie?!
Noch als ich gegen die Tür und damit ihn dränge, diese damit aufknallt,
drücke ich schon meine Schulter gegen seine Kehle und ihn brutal gegen die
Wand. Er versucht sich zu wehren, ist aber mit dem Arm gegen den Hals recht
machtlos. Er schwitzt stark, die Augen groß, schaut mich mit Angst an. Neben
uns beiden, nicht weit vom Flur entfernt kann ich ein Fernsehgerät plärren
hören und Kleinkindergeräusche, als mein Blick von ihm weg wandert sehe ich
eine junge Schwarze welche uns mit Schrecken in ihren Zügen anstarrt und dabei
ist loszuschreien. Er selbst ist ein eher schlaksiger Typ, knapp einen halben
Kopf größer als ich, dafür aber auch deutlich ausgemergelter. Keine Muskeln,
wenig in der Birne. Ebenfalls Schwarz.
Zeichner – Wir können das auf die sanfte oder auf die harte Tour lösen.
Typ – Bitte auf die Sanfte, bitte!
Ich drücke noch einmal gegen seinen Hals, er keucht auf, ihr entfährt ein
kleiner Schrei.
Frau – Lassen sie ihn los, sie tun ihm weh!
Sie kommt von der Seite angelaufen und haut auf mich ein. Mit dem anderen
Arm drücke ich sie gegen die andere Flurwand, während ich ihn weiter fixiert
halte. Und anstarre.
Zeichner – Und jetzt reden wir.
20140320
Fall 1 - XX
Ich schaue in direkt an, sein Blick bleibt aber auf dem Ausblick, er macht
keinerlei Anstalten, sich mir zuzuwenden oder auf meine Frage zu antworten.
Stattdessen stellt er in aller Ruhe seinen Gehstock auf die Fensterbank, lehnt
sich in anderen Sessel hinein und ....genießt die Aussicht, würde ich mal
vermuten.
Minuten vergehen, während meine Geduld langsam und stetig zermürbt wird wie
ein Cimmerianer unter dem brennenden Rad. Aber wie Conan auch, so bin ich ein
Fels in der Brandung. Fleischgewordener Überlebenswille. Hart wie Krupp...au au
au, Bauch.....Luft einziehen, ausatmen, vorsichtig einziehen, ausatmen. Puh.
Jetzt grinst er auch noch. Naja, wird er sich erlauben können, da er meinen
Aufenthalt hier bezahlt. Überhaupt, ohne ihn wäre ich vermutlich nicht mehr am
Leben, oder? Ich mein, glatter Schuss in Bauchgegend ist doch meist
innerhalb von Minuten tötlich, oder? Von unten kann ich Blaulicht und die
Sirenen eines Krankenwagens durch das offene Fenster hören. Da! Er hat sich
geräuspert!
Rieé -
Erwartungsvolle Stille. Ich blicke ihn an. Vermutlich würde einem anderen
das sogar als unangenehm auffallen, wie ich den alten Mann anstarre. Aber er
muss doch mal einen Ton von sich geben. Oder ist er in Wirklichkeit stumm? Wäre
aber seltsam, wenn ich an das Interview denke...oder auch nicht?! Habe ich
etwas den ersten Faux-Pas begangen, als ich davon ausging, dass er einfach so
mit mir reden würde?
Rieé -
Zeichner - Auf dem Nachttisch steht ein Glas mit Wasser.
Er schaut mich an. Grinst breit. Ohne dass er irgend etwas weiteres sagt,
höre ich hinter uns Bewegung, und bemerke, wie sich die junge Dame, zum
Nachttisch begibt, das Glas aufhebt, und eine kleine Tablette, die sie aus
ihrer Jackeninnentasche holt, hinein zu geben. Brausetablette oder Medikament?
Es sprudelt leicht, als sich die Tablette im Wasser aufzulösen beginnt. Sie
rührt einmal um, kommt zu uns und reicht ihm das Getränk an. Er nimmt es,
trinkt es in einem großen Schluck leer, stellt das Glas auf die Fensterbank
neben seinen Stock, lehnt sich wieder in den Sessel. Grinst, anscheinend hat er
draußen etwas entdeckt? Schnippt mit den Fingern.
Sie geht zur Zimmertür, klopft zweimal. Die Tür geht auf, und Angus und Hank
kommen herein, treten neben den alten Mann, heben den Stuhl und drehen ihn
um...das ist mal dekadent. Sie drehen den Stuhl um die 60° die er seinen Kopf
wenden müsste, um mich anzugucken, dann stellen sie ihn ab und gehen wieder
raus. Und das alles in weniger als dreißig Sekunden. Gekonnt, das muss man den
Jungs lassen.
Rieé - Zeichner.
Seine Stimme ist tiefer als ich es von einem Mann seiner Statur und seines
Äußeren erwartet hätte. Sie hat etwas von einem großgewachsenen Anführer, sie
schwingt in einem Timbre, das einen dazu verleiten will, zuzuhören, statt zu
reden. Lauschen, anstatt nachzudenken.
Zeichner - Rieé.
Rieé - Doktor Mallory hat mir alles über ihren momentanen Zustand
mitgeteilt. Aber das ersetzt nicht die einfache Befindlichkeit, in der sie
sind. Also. Wie fühlen sie sich, Zeichner?
Zeichner - Ich...nun, jenseits der Empfindlichkeit dort, wo die Kugel
eingedrungen ist, scheine ich wieder einigermaßen auf dem Dampfer zu sein. Auch
wenn der Doktor mich noch hier behalten will.
Rieé - Gut. Das reicht mir vollkommen. Spätestens morgen sollten sie
vermutlich wieder einsatzfähig sein. Für alle Fälle hat ihnen Frau Handekker
eine schutzsichere Weste mitgebracht.
Zeichner - Bitte...wofür?
Erstaunen trifft nicht ganz, wie ich auf diese Ansage von ihm reagiere.
Verwunderung sicherlich. Eine Prise Entsetzen auch. Denn, wenn er mir sowas
gibt, wird das, was er danach auflegt, vermutlich das auch benötigen. Und ich
hatte doch irgendwie die Hoffnung, das ganze zu schaffen, ohne nochmal
Kugelfang zu spielen.
Rieé - Bevor ich dazu komme, lassen sie mich eine Entschuldigung
aussprechen. Was ihnen mein Neffe angetan hat, war respektlos und ungehörig.
Zeichner - Es freut mich, das zu hören, wenngleich ich natürlich der
Leidtragende war, so hat er jedoch gegenüber Mokhov wesentlich schlimmeres
getan. Ich meine, er hat ihren Gärtner fast umgebracht und
Rieé - Alles zu seiner Zeit, Zeichner. Um mich erkenntlich zu zeigen, habe
ich sie im besten Krankenhaus der Stadt unterbringen lassen, sie haben ein
privates Einzelzimmer hier und die teuersten Ärzte haben dafür gesorgt, dass
sie trotz ihrer Verwundung ziemlich unbeschadet davon gekommen sind. Auch wenn
man mir mitteilte, dass ihre Überlebenschancen unter einem Prozent lagen. Aber
daran sieht man wieder, was man von den Einschätzungen der Mediziner halten
kann, wenn es um Männer wie sie geht, nicht wahr, Zeichner.
Zeichner - Zugegeben,
alleine hätte mich dieses Zimmer und die Behandlungskosten wohl aufgefressen.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die soetwas aus reiner Nächstenliebe
getan haben. Nicht Sie.
Er grinst wieder, in seinen Augen ist dieses Funkeln, so ein gewisser
schelmischer Blick, möchte man meinen.
Rieé - Es freut mich, dass sie aufpassen, Zeichner. Ich gehe davon aus, dass
sie momentan keinen Kontraktor haben. Gut, ihr Kopfschütteln deutet genug, nach
der Kugel in ihrem Körper und der Rekonstruktion der Ereignisse habe ich auch
nichts anderes erwartet.
Zeichner - Warum haben sie mich dann gefragt?
Rieé - Weil ich den Menschen gerne die Möglichkeit gebe, mich enttäuschen.
Sie haben mich noch nicht enttäuscht, Zeichner. Nun, ich werde an die Stelle
eines anderen Kontraktors treten. Ich möchte sie anheuern, Zeichner.
Zeichner - Ich vermute, die Arbeit ist Pro Bono?
Rieé - Aber nicht doch. Sie werden durchaus entlohnt. Aber damit wir uns
verstehen, ich zahle nur im Erfolgsfalle.
Ich lasse mich zurück in den Stuhl sinken. Knirsche ein wenig angedeutet mit
den Zähnen.
Zeichner - Eigentlich erwarte ich, dass man mir im Vorfeld erzählt, worum es
sich dabei handelt.
Rieé - Sie sind unter falschen Tatsachen auf mein Grundstück gelangt, haben
mehrere Personen teilweise schwer oder lebensgefährlich verletzt, haben diverse
Teile der Inneneinrichtung zerstört und einen Mann entführt. Zeichner, wenn ich
wollte, wäre in wenigen Minuten die Polizei hier und man würde sie wegen dieser
und einer Vielzahl anderer, kleinerer Delikte mitnehmen. Sie würden nicht
einmal einem Richter vorgeführt werden, bevor sie in ein
Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden. Mit anderen Worten Zeichner. Nein. Sie
sagen Ja, oder ich gehe und sie werden niemals erfahren, was ich zu sagen
hatte.
Zeichner - Darf ich eine Frage stellen?
Rieé - Dies
ist ein freies Land, Zeichner. Sie dürfen, was auch immer sie glauben, dürfen
zu können.
Zeichner - Warum Ich? Sie sind vermögend und einflussreich genug, alle
Probleme zu lösen, ohne dass man sie je mit ihnen verbinden könnte, oder kennen
genügend qualifizierte Personen, die für sie arbeiten würden, die vermutlich
alle besser sind als Ich. Warum dann Ich?
Rieé - Das klang für mich noch nicht so richtig nach dem Ja, nach dem ich
gesucht habe, Zeichner.
Er pustet mir den Rauch ins Gesicht.
Zeichner - Ja. Erzählen sie.
Rieé - Sehr gut.
Sehr guuut. Hören sie gut zu, Zeichner, ich werde mich nicht wiederholen. Mein
Neffe ist verrückt nach dem Mädchen, sie wurden von Rassila angeheuert, unseren
Gärtner zu finden und aus irgendeinem Grund laufen in den schattigeren Plätzen
der Stadt momentan die Aggressionen heiß und die Köpfe rollen. Sie werden für
mich Nachforschungen anstellen darüber, in welchem Zusammenhang das alles
steht, und dafür sorgen, dass ich der jungen Dame begegnen kann, welche meinem
Neffen so den Kopf verdreht hat.
Zeichner - Und meine andere Frage?
Rieé - Ich habe viele
gute Kräfte für mich, und meine Gründe, warum ich dafür Sie nehmen. Belassen
sie es dabei, Zeichner, die Antwort wäre für sie unangenehmer, als sie denken.
Zeichner - Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was sie meinen.
Rieé - Umso besser. Machen sie ein Mysterium draus. Ich habe mir sagen
lassen, Detektive lieben Mysterien.
Zeichner - Manche. Die meisten von uns machen diesen Job, um dafür zu sorgen,
dass es eben keine mehr sind.
Rieé - Dann fangen sie morgen damit an. Sie
werden von Handekker gleich ein Mobiltelefon mit einer eingespeicherten Nummer
bekommen. Die Nummer ist eine sichere Leitung zu ihrem Kontakt, wenn sie Fragen
oder Probleme haben. Verlieren sie das Gerät nicht, Zeichner, ich bin nicht
geneigt, großzügig zu sein, wenn man mir nur Entschuldigungen und Ausflüchte
als Gegenleistung bringt.
Er nimmt seinen Gehtstock von der Fensterbank und schnippt die Zigarre aus
dem Fenster.
Rieé - Für alles weitere wird sie Frau Handekker informieren. Sie ist ihre
Kontaktperson. Sollten sie in eine Situation kommen, in der es um ihren
Auftraggeber geht, werden sie alle Verbindungen zu mir verneinen. Sollten sie
mit gesammelten Unterlagen oder Informationen über mich oder das
herausgefundene an die Öffentlichkeit treten, werden wir jedwede Beziehung
leugnen und sie begraben.
Zeichner - Und die Hospitalrechnung?
Rieé - Ein Verbund von freundlichen Nonnen hat in den frühen Morgenstunden
einen schwer verletzten Mann in Silverhill gefunden und Erste Hilfe geleistet.
Als der Krankenwagen kam, haben sie sich bereit erklärt, den Herrn in Pflege zu
nehmen und für eventuelle Unkosten aufzukommen. Außerdem, niemand würde ihnen
glauben. Und die Spinner, die es tun, finden in der Öffentlichkeit keine
Beachtung. Sie wissen warum. Einen schönen Tag noch, Zeichner.
Zeichner - Bis zum...nächsten Mal?
Rieé - Vielleicht.
Sie öffnet ihm die Tür, er tritt hinaus, die beiden Bodyguards nehmen ihn
zwischen sich und er verschwindet aus meinem Blickfeld. Nur die als Frau
Handekker angesprochene Dame verbleibt im Raum.
Handekker - Dies
ist ein modifiziertes B3 Astor. Gehen sie vorsichtig damit um, diese Geräte
sind teuer und empfindlich. Es hat ein Pemmax Speicherupgrade erhalten, das die
Kapazität von 80 Gigabyte auf 160 Gigabyte erhöht, außerdem wurde die
Sendeleistung verbessert und der Akku gegen ein Hochleistungsmodul
ausgetauscht. Sie sollten es frühestens in einer Woche wieder laden müssen,
selbst unter Volllast. Die Nummer ist unter der Bezeichnung Inkasso gespeichert.
Wenn wir anrufen, erwarten wir, dass sie rangehen. Sollten sie nicht rangehen,
wird sich da Gerät innerhalb von zwei Minuten selbst zerstören, indem es durch
eine Überhitzung durchbrennt. Ich empfehle ihnen also, ran zu gehen, wenn
Mister Rieé anruft.
Ich nehme da Gerät. Schlank, schwarz, zu groß geratenes Display, trotz der
Bezeichnung keine mir bekannte Marke. Experimentelle Tech oder direkt aus der
Fertigungshalle einer chinesischen Markenkopie?
Handekker - Haben sie noch Fragen?
Zeichner - Vermutlich jede Menge, aber ich werde sie stellen wenn sie mir
einfallen.
Handekker - Die Karte auf dem Gerät hat eine unbegrenzte Zeitspanne, sie
können jederzeit anrufen. Wenn sie anrufen oder angerufen werden, werden sie
gefragt, ob sie ihre Kontenabrechnung möchten. Sie werden antworten "Nein,
das Konto ist noch nicht abgezogen." Bei jeder anderen Antwort gehen wir
davon aus, dass sie kompromittiert sind und den Anruf an der Stelle von unserer
Seite aus beenden. Eine angenehme Nacht noch, Herr Zeichner.
Zeichner - Frau Handekker.
Sie geht. Und ich setze mich ans Fenster und starre hinaus. Ich weiß ja
nicht was er für eine Zigarre geraucht hat, aber es stinkt hier eindeutig nach
Schwefel.
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