Ich schaue in direkt an, sein Blick bleibt aber auf dem Ausblick, er macht
keinerlei Anstalten, sich mir zuzuwenden oder auf meine Frage zu antworten.
Stattdessen stellt er in aller Ruhe seinen Gehstock auf die Fensterbank, lehnt
sich in anderen Sessel hinein und ....genießt die Aussicht, würde ich mal
vermuten.
Minuten vergehen, während meine Geduld langsam und stetig zermürbt wird wie
ein Cimmerianer unter dem brennenden Rad. Aber wie Conan auch, so bin ich ein
Fels in der Brandung. Fleischgewordener Überlebenswille. Hart wie Krupp...au au
au, Bauch.....Luft einziehen, ausatmen, vorsichtig einziehen, ausatmen. Puh.
Jetzt grinst er auch noch. Naja, wird er sich erlauben können, da er meinen
Aufenthalt hier bezahlt. Überhaupt, ohne ihn wäre ich vermutlich nicht mehr am
Leben, oder? Ich mein, glatter Schuss in Bauchgegend ist doch meist
innerhalb von Minuten tötlich, oder? Von unten kann ich Blaulicht und die
Sirenen eines Krankenwagens durch das offene Fenster hören. Da! Er hat sich
geräuspert!
Rieé -
Erwartungsvolle Stille. Ich blicke ihn an. Vermutlich würde einem anderen
das sogar als unangenehm auffallen, wie ich den alten Mann anstarre. Aber er
muss doch mal einen Ton von sich geben. Oder ist er in Wirklichkeit stumm? Wäre
aber seltsam, wenn ich an das Interview denke...oder auch nicht?! Habe ich
etwas den ersten Faux-Pas begangen, als ich davon ausging, dass er einfach so
mit mir reden würde?
Rieé -
Zeichner - Auf dem Nachttisch steht ein Glas mit Wasser.
Er schaut mich an. Grinst breit. Ohne dass er irgend etwas weiteres sagt,
höre ich hinter uns Bewegung, und bemerke, wie sich die junge Dame, zum
Nachttisch begibt, das Glas aufhebt, und eine kleine Tablette, die sie aus
ihrer Jackeninnentasche holt, hinein zu geben. Brausetablette oder Medikament?
Es sprudelt leicht, als sich die Tablette im Wasser aufzulösen beginnt. Sie
rührt einmal um, kommt zu uns und reicht ihm das Getränk an. Er nimmt es,
trinkt es in einem großen Schluck leer, stellt das Glas auf die Fensterbank
neben seinen Stock, lehnt sich wieder in den Sessel. Grinst, anscheinend hat er
draußen etwas entdeckt? Schnippt mit den Fingern.
Sie geht zur Zimmertür, klopft zweimal. Die Tür geht auf, und Angus und Hank
kommen herein, treten neben den alten Mann, heben den Stuhl und drehen ihn
um...das ist mal dekadent. Sie drehen den Stuhl um die 60° die er seinen Kopf
wenden müsste, um mich anzugucken, dann stellen sie ihn ab und gehen wieder
raus. Und das alles in weniger als dreißig Sekunden. Gekonnt, das muss man den
Jungs lassen.
Rieé - Zeichner.
Seine Stimme ist tiefer als ich es von einem Mann seiner Statur und seines
Äußeren erwartet hätte. Sie hat etwas von einem großgewachsenen Anführer, sie
schwingt in einem Timbre, das einen dazu verleiten will, zuzuhören, statt zu
reden. Lauschen, anstatt nachzudenken.
Zeichner - Rieé.
Rieé - Doktor Mallory hat mir alles über ihren momentanen Zustand
mitgeteilt. Aber das ersetzt nicht die einfache Befindlichkeit, in der sie
sind. Also. Wie fühlen sie sich, Zeichner?
Zeichner - Ich...nun, jenseits der Empfindlichkeit dort, wo die Kugel
eingedrungen ist, scheine ich wieder einigermaßen auf dem Dampfer zu sein. Auch
wenn der Doktor mich noch hier behalten will.
Rieé - Gut. Das reicht mir vollkommen. Spätestens morgen sollten sie
vermutlich wieder einsatzfähig sein. Für alle Fälle hat ihnen Frau Handekker
eine schutzsichere Weste mitgebracht.
Zeichner - Bitte...wofür?
Erstaunen trifft nicht ganz, wie ich auf diese Ansage von ihm reagiere.
Verwunderung sicherlich. Eine Prise Entsetzen auch. Denn, wenn er mir sowas
gibt, wird das, was er danach auflegt, vermutlich das auch benötigen. Und ich
hatte doch irgendwie die Hoffnung, das ganze zu schaffen, ohne nochmal
Kugelfang zu spielen.
Rieé - Bevor ich dazu komme, lassen sie mich eine Entschuldigung
aussprechen. Was ihnen mein Neffe angetan hat, war respektlos und ungehörig.
Zeichner - Es freut mich, das zu hören, wenngleich ich natürlich der
Leidtragende war, so hat er jedoch gegenüber Mokhov wesentlich schlimmeres
getan. Ich meine, er hat ihren Gärtner fast umgebracht und
Rieé - Alles zu seiner Zeit, Zeichner. Um mich erkenntlich zu zeigen, habe
ich sie im besten Krankenhaus der Stadt unterbringen lassen, sie haben ein
privates Einzelzimmer hier und die teuersten Ärzte haben dafür gesorgt, dass
sie trotz ihrer Verwundung ziemlich unbeschadet davon gekommen sind. Auch wenn
man mir mitteilte, dass ihre Überlebenschancen unter einem Prozent lagen. Aber
daran sieht man wieder, was man von den Einschätzungen der Mediziner halten
kann, wenn es um Männer wie sie geht, nicht wahr, Zeichner.
Zeichner - Zugegeben,
alleine hätte mich dieses Zimmer und die Behandlungskosten wohl aufgefressen.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die soetwas aus reiner Nächstenliebe
getan haben. Nicht Sie.
Er grinst wieder, in seinen Augen ist dieses Funkeln, so ein gewisser
schelmischer Blick, möchte man meinen.
Rieé - Es freut mich, dass sie aufpassen, Zeichner. Ich gehe davon aus, dass
sie momentan keinen Kontraktor haben. Gut, ihr Kopfschütteln deutet genug, nach
der Kugel in ihrem Körper und der Rekonstruktion der Ereignisse habe ich auch
nichts anderes erwartet.
Zeichner - Warum haben sie mich dann gefragt?
Rieé - Weil ich den Menschen gerne die Möglichkeit gebe, mich enttäuschen.
Sie haben mich noch nicht enttäuscht, Zeichner. Nun, ich werde an die Stelle
eines anderen Kontraktors treten. Ich möchte sie anheuern, Zeichner.
Zeichner - Ich vermute, die Arbeit ist Pro Bono?
Rieé - Aber nicht doch. Sie werden durchaus entlohnt. Aber damit wir uns
verstehen, ich zahle nur im Erfolgsfalle.
Ich lasse mich zurück in den Stuhl sinken. Knirsche ein wenig angedeutet mit
den Zähnen.
Zeichner - Eigentlich erwarte ich, dass man mir im Vorfeld erzählt, worum es
sich dabei handelt.
Rieé - Sie sind unter falschen Tatsachen auf mein Grundstück gelangt, haben
mehrere Personen teilweise schwer oder lebensgefährlich verletzt, haben diverse
Teile der Inneneinrichtung zerstört und einen Mann entführt. Zeichner, wenn ich
wollte, wäre in wenigen Minuten die Polizei hier und man würde sie wegen dieser
und einer Vielzahl anderer, kleinerer Delikte mitnehmen. Sie würden nicht
einmal einem Richter vorgeführt werden, bevor sie in ein
Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden. Mit anderen Worten Zeichner. Nein. Sie
sagen Ja, oder ich gehe und sie werden niemals erfahren, was ich zu sagen
hatte.
Zeichner - Darf ich eine Frage stellen?
Rieé - Dies
ist ein freies Land, Zeichner. Sie dürfen, was auch immer sie glauben, dürfen
zu können.
Zeichner - Warum Ich? Sie sind vermögend und einflussreich genug, alle
Probleme zu lösen, ohne dass man sie je mit ihnen verbinden könnte, oder kennen
genügend qualifizierte Personen, die für sie arbeiten würden, die vermutlich
alle besser sind als Ich. Warum dann Ich?
Rieé - Das klang für mich noch nicht so richtig nach dem Ja, nach dem ich
gesucht habe, Zeichner.
Er pustet mir den Rauch ins Gesicht.
Zeichner - Ja. Erzählen sie.
Rieé - Sehr gut.
Sehr guuut. Hören sie gut zu, Zeichner, ich werde mich nicht wiederholen. Mein
Neffe ist verrückt nach dem Mädchen, sie wurden von Rassila angeheuert, unseren
Gärtner zu finden und aus irgendeinem Grund laufen in den schattigeren Plätzen
der Stadt momentan die Aggressionen heiß und die Köpfe rollen. Sie werden für
mich Nachforschungen anstellen darüber, in welchem Zusammenhang das alles
steht, und dafür sorgen, dass ich der jungen Dame begegnen kann, welche meinem
Neffen so den Kopf verdreht hat.
Zeichner - Und meine andere Frage?
Rieé - Ich habe viele
gute Kräfte für mich, und meine Gründe, warum ich dafür Sie nehmen. Belassen
sie es dabei, Zeichner, die Antwort wäre für sie unangenehmer, als sie denken.
Zeichner - Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was sie meinen.
Rieé - Umso besser. Machen sie ein Mysterium draus. Ich habe mir sagen
lassen, Detektive lieben Mysterien.
Zeichner - Manche. Die meisten von uns machen diesen Job, um dafür zu sorgen,
dass es eben keine mehr sind.
Rieé - Dann fangen sie morgen damit an. Sie
werden von Handekker gleich ein Mobiltelefon mit einer eingespeicherten Nummer
bekommen. Die Nummer ist eine sichere Leitung zu ihrem Kontakt, wenn sie Fragen
oder Probleme haben. Verlieren sie das Gerät nicht, Zeichner, ich bin nicht
geneigt, großzügig zu sein, wenn man mir nur Entschuldigungen und Ausflüchte
als Gegenleistung bringt.
Er nimmt seinen Gehtstock von der Fensterbank und schnippt die Zigarre aus
dem Fenster.
Rieé - Für alles weitere wird sie Frau Handekker informieren. Sie ist ihre
Kontaktperson. Sollten sie in eine Situation kommen, in der es um ihren
Auftraggeber geht, werden sie alle Verbindungen zu mir verneinen. Sollten sie
mit gesammelten Unterlagen oder Informationen über mich oder das
herausgefundene an die Öffentlichkeit treten, werden wir jedwede Beziehung
leugnen und sie begraben.
Zeichner - Und die Hospitalrechnung?
Rieé - Ein Verbund von freundlichen Nonnen hat in den frühen Morgenstunden
einen schwer verletzten Mann in Silverhill gefunden und Erste Hilfe geleistet.
Als der Krankenwagen kam, haben sie sich bereit erklärt, den Herrn in Pflege zu
nehmen und für eventuelle Unkosten aufzukommen. Außerdem, niemand würde ihnen
glauben. Und die Spinner, die es tun, finden in der Öffentlichkeit keine
Beachtung. Sie wissen warum. Einen schönen Tag noch, Zeichner.
Zeichner - Bis zum...nächsten Mal?
Rieé - Vielleicht.
Sie öffnet ihm die Tür, er tritt hinaus, die beiden Bodyguards nehmen ihn
zwischen sich und er verschwindet aus meinem Blickfeld. Nur die als Frau
Handekker angesprochene Dame verbleibt im Raum.
Handekker - Dies
ist ein modifiziertes B3 Astor. Gehen sie vorsichtig damit um, diese Geräte
sind teuer und empfindlich. Es hat ein Pemmax Speicherupgrade erhalten, das die
Kapazität von 80 Gigabyte auf 160 Gigabyte erhöht, außerdem wurde die
Sendeleistung verbessert und der Akku gegen ein Hochleistungsmodul
ausgetauscht. Sie sollten es frühestens in einer Woche wieder laden müssen,
selbst unter Volllast. Die Nummer ist unter der Bezeichnung Inkasso gespeichert.
Wenn wir anrufen, erwarten wir, dass sie rangehen. Sollten sie nicht rangehen,
wird sich da Gerät innerhalb von zwei Minuten selbst zerstören, indem es durch
eine Überhitzung durchbrennt. Ich empfehle ihnen also, ran zu gehen, wenn
Mister Rieé anruft.
Ich nehme da Gerät. Schlank, schwarz, zu groß geratenes Display, trotz der
Bezeichnung keine mir bekannte Marke. Experimentelle Tech oder direkt aus der
Fertigungshalle einer chinesischen Markenkopie?
Handekker - Haben sie noch Fragen?
Zeichner - Vermutlich jede Menge, aber ich werde sie stellen wenn sie mir
einfallen.
Handekker - Die Karte auf dem Gerät hat eine unbegrenzte Zeitspanne, sie
können jederzeit anrufen. Wenn sie anrufen oder angerufen werden, werden sie
gefragt, ob sie ihre Kontenabrechnung möchten. Sie werden antworten "Nein,
das Konto ist noch nicht abgezogen." Bei jeder anderen Antwort gehen wir
davon aus, dass sie kompromittiert sind und den Anruf an der Stelle von unserer
Seite aus beenden. Eine angenehme Nacht noch, Herr Zeichner.
Zeichner - Frau Handekker.
Sie geht. Und ich setze mich ans Fenster und starre hinaus. Ich weiß ja
nicht was er für eine Zigarre geraucht hat, aber es stinkt hier eindeutig nach
Schwefel.
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