20140320

Fall 1 - XX

Ich schaue in direkt an, sein Blick bleibt aber auf dem Ausblick, er macht keinerlei Anstalten, sich mir zuzuwenden oder auf meine Frage zu antworten. Stattdessen stellt er in aller Ruhe seinen Gehstock auf die Fensterbank, lehnt sich in anderen Sessel hinein und ....genießt die Aussicht, würde ich mal vermuten.

Minuten vergehen, während meine Geduld langsam und stetig zermürbt wird wie ein Cimmerianer unter dem brennenden Rad. Aber wie Conan auch, so bin ich ein Fels in der Brandung. Fleischgewordener Überlebenswille. Hart wie Krupp...au au au, Bauch.....Luft einziehen, ausatmen, vorsichtig einziehen, ausatmen. Puh. Jetzt grinst er auch noch. Naja, wird er sich erlauben können, da er meinen Aufenthalt hier bezahlt. Überhaupt, ohne ihn wäre ich vermutlich nicht mehr am Leben, oder? Ich mein, glatter Schuss in Bauchgegend ist  doch meist innerhalb von Minuten tötlich, oder? Von unten kann ich Blaulicht und die Sirenen eines Krankenwagens durch das offene Fenster hören. Da! Er hat sich geräuspert!

Rieé -

Erwartungsvolle Stille. Ich blicke ihn an. Vermutlich würde einem anderen das sogar als unangenehm auffallen, wie ich den alten Mann anstarre. Aber er muss doch mal einen Ton von sich geben. Oder ist er in Wirklichkeit stumm? Wäre aber seltsam, wenn ich an das Interview denke...oder auch nicht?! Habe ich etwas den ersten Faux-Pas begangen, als ich davon ausging, dass er einfach so mit mir reden würde?

Rieé -

Zeichner - Auf dem Nachttisch steht ein Glas mit Wasser.

Er schaut mich an. Grinst breit. Ohne dass er irgend etwas weiteres sagt, höre ich hinter uns Bewegung, und bemerke, wie sich die junge Dame, zum Nachttisch begibt, das Glas aufhebt, und eine kleine Tablette, die sie aus ihrer Jackeninnentasche holt, hinein zu geben. Brausetablette oder Medikament? Es sprudelt leicht, als sich die Tablette im Wasser aufzulösen beginnt. Sie rührt einmal um, kommt zu uns und reicht ihm das Getränk an. Er nimmt es, trinkt es in einem großen Schluck leer, stellt das Glas auf die Fensterbank neben seinen Stock, lehnt sich wieder in den Sessel. Grinst, anscheinend hat er draußen etwas entdeckt? Schnippt mit den Fingern.

Sie geht zur Zimmertür, klopft zweimal. Die Tür geht auf, und Angus und Hank kommen herein, treten neben den alten Mann, heben den Stuhl und drehen ihn um...das ist mal dekadent. Sie drehen den Stuhl um die 60° die er seinen Kopf wenden müsste, um mich anzugucken, dann stellen sie ihn ab und gehen wieder raus. Und das alles in weniger als dreißig Sekunden. Gekonnt, das muss man den Jungs lassen.

Rieé - Zeichner.

Seine Stimme ist tiefer als ich es von einem Mann seiner Statur und seines Äußeren erwartet hätte. Sie hat etwas von einem großgewachsenen Anführer, sie schwingt in einem Timbre, das einen dazu verleiten will, zuzuhören, statt zu reden. Lauschen, anstatt nachzudenken.

Zeichner - Rieé.

Rieé - Doktor Mallory hat mir alles über ihren momentanen Zustand mitgeteilt. Aber das ersetzt nicht die einfache Befindlichkeit, in der sie sind. Also. Wie fühlen sie sich, Zeichner?

Zeichner - Ich...nun, jenseits der Empfindlichkeit dort, wo die Kugel eingedrungen ist, scheine ich wieder einigermaßen auf dem Dampfer zu sein. Auch wenn der Doktor mich noch hier behalten will.

Rieé - Gut. Das reicht mir vollkommen. Spätestens morgen sollten sie vermutlich wieder einsatzfähig sein. Für alle Fälle hat ihnen Frau Handekker   eine schutzsichere Weste mitgebracht.

Zeichner - Bitte...wofür?

Erstaunen trifft nicht ganz, wie ich auf diese Ansage von ihm reagiere. Verwunderung sicherlich. Eine Prise Entsetzen auch. Denn, wenn er mir sowas gibt, wird das, was er danach auflegt, vermutlich das auch benötigen. Und ich hatte doch irgendwie die Hoffnung, das ganze zu schaffen, ohne nochmal Kugelfang zu spielen.

Rieé - Bevor ich dazu komme, lassen sie mich eine Entschuldigung aussprechen. Was ihnen mein Neffe angetan hat, war respektlos und ungehörig.

Zeichner - Es freut mich, das zu hören, wenngleich ich natürlich der Leidtragende war, so hat er jedoch gegenüber Mokhov wesentlich schlimmeres getan. Ich meine, er hat ihren Gärtner fast umgebracht und

Rieé - Alles zu seiner Zeit, Zeichner. Um mich erkenntlich zu zeigen, habe ich sie im besten Krankenhaus der Stadt unterbringen lassen, sie haben ein privates Einzelzimmer hier und die teuersten Ärzte haben dafür gesorgt, dass sie trotz ihrer Verwundung ziemlich unbeschadet davon gekommen sind. Auch wenn man mir mitteilte, dass ihre Überlebenschancen unter einem Prozent lagen. Aber daran sieht man wieder, was man von den Einschätzungen der Mediziner halten kann, wenn es um Männer wie sie geht, nicht wahr, Zeichner.

Zeichner - Zugegeben, alleine hätte mich dieses Zimmer und die Behandlungskosten wohl aufgefressen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die soetwas aus reiner Nächstenliebe getan haben. Nicht Sie.

Er grinst wieder, in seinen Augen ist dieses Funkeln, so ein gewisser schelmischer Blick, möchte man meinen.

Rieé - Es freut mich, dass sie aufpassen, Zeichner. Ich gehe davon aus, dass sie momentan keinen Kontraktor haben. Gut, ihr Kopfschütteln deutet genug, nach der Kugel in ihrem Körper und der Rekonstruktion der Ereignisse habe ich auch nichts anderes erwartet.

Zeichner - Warum haben sie mich dann gefragt?

Rieé - Weil ich den Menschen gerne die Möglichkeit gebe, mich enttäuschen. Sie haben mich noch nicht enttäuscht, Zeichner. Nun, ich werde an die Stelle eines anderen Kontraktors treten. Ich möchte sie anheuern, Zeichner.

Zeichner - Ich vermute, die Arbeit ist Pro Bono?

Rieé - Aber nicht doch. Sie werden durchaus entlohnt. Aber damit wir uns verstehen, ich zahle nur im Erfolgsfalle.

Ich lasse mich zurück in den Stuhl sinken. Knirsche ein wenig angedeutet mit den Zähnen.

Zeichner - Eigentlich erwarte ich, dass man mir im Vorfeld erzählt, worum es sich dabei handelt.

Rieé - Sie sind unter falschen Tatsachen auf mein Grundstück gelangt, haben mehrere Personen teilweise schwer oder lebensgefährlich verletzt, haben diverse Teile der Inneneinrichtung zerstört und einen Mann entführt. Zeichner, wenn ich wollte, wäre in wenigen Minuten die Polizei hier und man würde sie wegen dieser und einer Vielzahl anderer, kleinerer Delikte mitnehmen. Sie würden nicht einmal einem Richter vorgeführt werden, bevor sie in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden. Mit anderen Worten Zeichner. Nein. Sie sagen Ja, oder ich gehe und sie werden niemals erfahren, was ich zu sagen hatte.

Zeichner - Darf ich eine Frage stellen?

Rieé - Dies ist ein freies Land, Zeichner. Sie dürfen, was auch immer sie glauben, dürfen zu können.

Zeichner - Warum Ich? Sie sind vermögend und einflussreich genug, alle Probleme zu lösen, ohne dass man sie je mit ihnen verbinden könnte, oder kennen genügend qualifizierte Personen, die für sie arbeiten würden, die vermutlich alle besser sind als Ich. Warum dann Ich?

Rieé - Das klang für mich noch nicht so richtig nach dem Ja, nach dem ich gesucht habe, Zeichner.

Er pustet mir den Rauch ins Gesicht.

Zeichner - Ja. Erzählen sie.

Rieé - Sehr gut.   Sehr guuut. Hören sie gut zu, Zeichner, ich werde mich nicht wiederholen. Mein Neffe ist verrückt nach dem Mädchen, sie wurden von Rassila angeheuert, unseren Gärtner zu finden und aus irgendeinem Grund laufen in den schattigeren Plätzen der Stadt momentan die Aggressionen heiß und die Köpfe rollen. Sie werden für mich Nachforschungen anstellen darüber, in welchem Zusammenhang das alles steht, und dafür sorgen, dass ich der jungen Dame begegnen kann, welche meinem Neffen so den Kopf verdreht hat. 

Zeichner - Und meine andere Frage?

Rieé - Ich habe viele gute Kräfte für mich, und meine Gründe, warum ich dafür Sie nehmen. Belassen sie es dabei, Zeichner, die Antwort wäre für sie unangenehmer, als sie denken.

Zeichner - Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was sie meinen.

Rieé - Umso besser. Machen sie ein Mysterium draus. Ich habe mir sagen lassen, Detektive lieben Mysterien.

Zeichner - Manche. Die meisten von uns machen diesen Job, um dafür zu sorgen, dass es eben keine mehr sind.

Rieé - Dann fangen sie morgen damit an. Sie werden von Handekker gleich ein Mobiltelefon mit einer eingespeicherten Nummer bekommen. Die Nummer ist eine sichere Leitung zu ihrem Kontakt, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Verlieren sie das Gerät nicht, Zeichner, ich bin nicht geneigt, großzügig zu sein, wenn man mir nur Entschuldigungen und Ausflüchte als Gegenleistung bringt.

Er nimmt seinen Gehtstock von der Fensterbank und schnippt die Zigarre aus dem Fenster.

Rieé - Für alles weitere wird sie Frau Handekker informieren. Sie ist ihre Kontaktperson. Sollten sie in eine Situation kommen, in der es um ihren Auftraggeber geht, werden sie alle Verbindungen zu mir verneinen. Sollten sie mit gesammelten Unterlagen oder Informationen über mich oder das herausgefundene an die Öffentlichkeit treten, werden wir jedwede Beziehung leugnen und sie begraben.

Zeichner - Und die Hospitalrechnung?

Rieé - Ein Verbund von freundlichen Nonnen hat in den frühen Morgenstunden einen schwer verletzten Mann in Silverhill gefunden und Erste Hilfe geleistet. Als der Krankenwagen kam, haben sie sich bereit erklärt, den Herrn in Pflege zu nehmen und für eventuelle Unkosten aufzukommen. Außerdem, niemand würde ihnen glauben. Und die Spinner, die es tun, finden in der Öffentlichkeit keine Beachtung. Sie wissen warum. Einen schönen Tag noch, Zeichner.

Zeichner - Bis zum...nächsten Mal?

Rieé - Vielleicht.

Sie öffnet ihm die Tür, er tritt hinaus, die beiden Bodyguards nehmen ihn zwischen sich und er verschwindet aus meinem Blickfeld. Nur die als Frau Handekker angesprochene Dame verbleibt im Raum.

Handekker - Dies ist ein modifiziertes B3 Astor. Gehen sie vorsichtig damit um, diese Geräte sind teuer und empfindlich. Es hat ein Pemmax Speicherupgrade erhalten, das die Kapazität von 80 Gigabyte auf 160 Gigabyte erhöht, außerdem wurde die Sendeleistung verbessert und der Akku gegen ein Hochleistungsmodul ausgetauscht. Sie sollten es frühestens in einer Woche wieder laden müssen, selbst unter Volllast. Die Nummer ist unter der Bezeichnung Inkasso gespeichert. Wenn wir anrufen, erwarten wir, dass sie rangehen. Sollten sie nicht rangehen, wird sich da Gerät innerhalb von zwei Minuten selbst zerstören, indem es durch eine Überhitzung durchbrennt. Ich empfehle ihnen also, ran zu gehen, wenn Mister Rieé anruft.

Ich nehme da Gerät. Schlank, schwarz, zu groß geratenes Display, trotz der Bezeichnung keine mir bekannte Marke. Experimentelle Tech oder direkt aus der Fertigungshalle einer chinesischen Markenkopie?

Handekker - Haben sie noch Fragen?

Zeichner - Vermutlich jede Menge, aber ich werde sie stellen wenn sie mir einfallen.

Handekker - Die Karte auf dem Gerät hat eine unbegrenzte Zeitspanne, sie können jederzeit anrufen. Wenn sie anrufen oder angerufen werden, werden sie gefragt, ob sie ihre Kontenabrechnung möchten. Sie werden antworten "Nein, das Konto ist noch nicht abgezogen." Bei jeder anderen Antwort gehen wir davon aus, dass sie kompromittiert sind und den Anruf an der Stelle von unserer Seite aus beenden. Eine angenehme Nacht noch, Herr Zeichner.

Zeichner - Frau Handekker.

Sie geht. Und ich setze mich ans Fenster und starre hinaus. Ich weiß ja nicht was er für eine Zigarre geraucht hat, aber es stinkt hier eindeutig nach Schwefel.

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