20140317

Fall 1 - XIX

Zuerst die Augen. Langsam, erst ein, zwei, dreimal blinzeln. Die Sicht ist verschwommen. Unklar, klärt sich erst langsam. Mein Körper ist wie in Eis getaucht. Kalt. Unbeugsam. Fremd. Erst langsam, wie kleine heiße Nadelstiche kehrt Leben in ihn zurück.

Es ist hell hier. Sehr hell. Ein Raum. Zimmer. Es dauert einen Moment, bis sich mein Blick einigermaßen fokussiert hat. Zu meiner rechten ist Bewegung. Ein großes Fenster, neben einer Tür., das nur durch einen halbgeöffneten Vorhang abgedeckt ist. Ich kann Männer und Frauen erkennen, die dort entlang laufen. Der Raum ist gänzlich in weiß. Ich liege in einem Bett. Metallrahmenkostruktion. Der Fußboden ist glatt, spiegelt die Neonröhren wieder, die von der Decke ihr klinisches Weiß herunterleuchten. Zu meiner Linken ist eine Jalousie, offen. Sonnenlicht strahlt in einem ungünstigen Winkel hinein.

Es ist ein Krankenzimmer. Ich bin in einem Krankenhaus. Auf einem links von meinem Bett stehenden Nachttisch ist ein großer roter Knopf neben einer kleinen Blumenvase mit einer vertrockneten weißen Rose. Langsam kommt das Gefühl in mir hoch und wie tausende kleine Nadeln sticht es mir ins Fleisch. Ich will mich aufbäumen, aber meine Brust und Magen sind fixiert. Als ich die Decke anhebe, kann ich an diversen Stellen Verbandszeug erkennen.

Ein langsames hintasten. Leichtester Druck. Enorme Schmerzen folgen der wagemutigen aber dämlichen Idee. Aua. Zugegeben, das hätte ich mir denken können. Etwas mehr verwundert mich der Frauenschrei, den ich gerade von rechts vernehme.

Wende den Kopf langsam. Eine junge Frau, brünettes Haar hochgesteckt, eine Lesebrille auf der Nase, Krankenschwestern-Klamotte, hat gerade ihr Klemmbrett fallen gelassen. Hält die Hände vorm Mund, schaut mich mit großen Augen an. Ich hebe eine Hand. Sie bückt sich, klaubt ihr Klemmbrett auf und rennt aus dem Zimmer heraus. Na toll.

Schwester – Doktor Mallory, der Patient aus Zimmer …..

Das wird jetzt wieder ein Getrappel. Es dauert nicht lange, und ein Doktor kommt mir ihr und einer anderen Person, vielleicht eine Art Pfleger? ins Zimmer marschiert. Der Pfleger rennt zum Bett, drückt mich „sanft“ wieder runter. Super, ich wollte gerade aufstehen, Arschloch.

Der Arzt dabei, ein ehrwürdiges Grauhaar das vermutlich woanders schon in Rente gegangen wäre, mit einer großen Hornbrille die auch schon in den 50ern übertrieben wäre, kommt zum Bett, schaut mich etwas verwundert an, nimmt ein anscheinend am Fußbrett hängendes Klemmbrett vom Bettgestell und schaut mich unter kurzen Blicken auf das Brett immer wieder an.

Dr.Mallory – Mr. Markusson…so so….hmm….hmmm…. …Wie fühlen sie sich?

Ich räuspere mich vernehmlich.

Zeichner – Meinen sie mich?

Er schaut mich etwas verwundert an.

Dr.Mallory – Sehen sie hier sonst noch jemanden im Raum mit ihrem Namen?

Zeichner – Ähhh….ich kann die Hälfte meines Körpers unter Schmerzen spüren und die andere Hälfte ist noch taub genug das ich gar nichts spüre?

Dr.Mallory – Ohh..das wird sich geben. Sie sollten sich glücklich schätzen, wir hatten schon Sorge ob sie überhaupt noch aufwachen.

Zeichner – Wieso? Was ist denn passiert? Wo bin ich hier überhaupt?

Schwester – Er hat sein Gedächtnis verloren?!

Dr.Mallory – Abwarten, Frau Lindberg. Mr. Markusson, was ist das letzte woran Sie sich erinnern können?

Zeichner - Ich wurde verletzt…

Dr.Mallory – Richtig. Können sie die Art ihrer Verletzung bestimmen?

Zeichner – Ich wurde angeschossen.

Dr.Mallory – Erneut richtig. Als der Krankenwagen sie herbrachte, hatten wir eigentlich schon alle Hoffnung aufgegeben. Während der Not-OP waren sie für mehrere Minuten klinisch tot, Mr.Markusson. Es hat eigentlich niemand daran geglaubt, dass sie es schaffen würden, aber im letzten Moment hat ihr Herz dann wieder von alleine angefangen zu schlagen. Wir hielten es daraufhin für angebracht, sie unter Beobachtung zu stellen, da sie trotz aller Versuche nicht aufgewacht sind, sondern in einem Koma verblieben. ´

Zeichner – Ein Koma? Wie…wie lange war ich weg?

Dr.Mallory – Seit ihrer Einlieferung sind etwa Zwei Wochen vergangen. Wir haben demnächst Frühlingsanfang, Mr.Markusson.

Mir wird übel. Es dreht sich in mir. Einerseits bin ich froh, noch am Leben zu sein, aber zwei Wochen können eine verdammt lange Zeitspanne sein, insbesondere wenn ich überlege, was bestimmte Leute in der Zeit alles machen konnten, ohne dass ich die Chance hatte, einzugreifen. Ich meine, ein richtiger Detektiv lässt doch einen Fall nicht los, bis er ihn zu Ende gebracht hat, nicht wahr?

Zeichner – Ab wann….ab wann werden sie mich entlassen können?

Dr.Mallory – Theoretisch dürfen sie sich selbst jederzeit entlassen, da wir ein privates Krankenhaus sind, aber praktisch würde ich ihnen in ihrem Zustand empfehlen, noch ein paar Tage zu bleiben, wir würden noch ein paar Tests machen wollen um sicher zu stellen, dass es ihnen auch wirklich gut geht. Sie können dann gehen Axel, ich denke es wird keine Probleme geben.

Axel – Okay, Doktor.

Zeichner – Ein privates Krankenhaus? Wie…wie soll ich das bezahlen? Wieso haben sie mich aufgenommen?

Dr.Mallory – Ihr Behandlungskosten werden vollständig getragen, Mr.Markusson. Culf Rieé hatte sich bereiterklärt, für sie einzustehen, was die Kosten angeht.

Mir wird ganz anders. Selbst unter der Übelkeit, die ich noch verspüre, kann ich das Kribbeln auf der Haut bemerken, und ein leichtes Frösteln geht durch den Raum.

Dr.Mallory – Machen sie sich mal keinen Kopf, das wird schon wieder. Mr.Rieé lässt auch täglich nach ihnen schauen, ich bin mir sicher, er wird erfreut sein zu hören, dass sie aufgewacht sind.

Ich kann nur müde lächeln angesichts seiner Beteuerungen. Er weiss ja nicht, was ich unter der Hand seines Neffen angesehen und durchgemacht habe. Davon abgesehen, dass die Motivation mir dabei völlig fremd ist. Was hat Rieé davon, mich am Leben zu halten?

Der Arzt schwallert noch ein Weilchen weiter seinen üblichen Text ab, und die nächsten Stunden sind angefüllt mit seltsamen kleinen Tests, die Ärzte so gerne mit einem Opfer, das sich nicht wehren kann machen. Es ist erst gegen Abend, als man mir, an ein Schmerzmittel angeschlossen in einem Rollstuhl erlaubt, mich wieder auf mein Zimmer zu begeben, wo ich an die Fensterbank geschoben werden. Die Sonne ist längst untergegangen, und ich kann aus dem hohen Stockwerk, in dem ich bin, hinunter auf die Stadt blicken. Sie pulsiert und lebt. Öffne das Fenster ein wenig, und atme ihren Geruch ein. Sie lebt. Ich lebe. Und ich werde mich von Rassila nicht unterkriegen lassen.

Es klopft an der Zimmertür. Ich drehe den Rollstuhl, es dauert. Es ist anstrengend. Aber als ich sehe, wer sich da ankündigt, kommt mir die Galle hoch. Ich erkenne die beiden Gorillas, Angus und Hank, von denen Hank mich angrinst, während Angus eher unfreundlich dreinschaut. Interessanter als die beiden ist aber der ältere Herr, der sie begleitet, und an dessen Seite eine junge Frau in einem Konzernkonstüm und Headset an der Seite steht. Ihn habe ich bereits gesehen. Der teure Anzug, die langsam frei werdende Platte, der Gehstock an der Seite und ein Gesicht das von den Zermürbungen der Jahre berichten, wenn sie nicht von diesen harten Augenbrauen eingerahmt wären, während sie mit der schlanken Taille und der Technik auf dem Arm vermutlich als seine Sekretärin durchgeht.

Die beiden Gorillas postieren sich draußen, schließen hinter sich die Tür, sie zieht den Vorhang vors Fenster, während er sich mit einem gemütlichen Gang Richtung Fenster neben mir auf einen Stuhl setzt, eine Zigarre rausholt und anzündet und aus dem Fenster raucht. Mich anguckt.

Zeichner – Mister Rieé, vermute ich mal?


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