20150710

Anpassungsnotwendigkeiten III

Im letzten Abschnitt des Artikels habe ich davon gesprochen, dass wir uns im Hauptteil des Moduls befinden und dazu ein paar Karten bereitgestellt, welche ein besseres Bild von der Lage Konstaninopels und der Dichtgedrängtheit der Stadt vermitteln sollten.

Was machen wir denn damit jetzt im Modul The Last Days of Constantinople?
Zunächst einmal, bevor ich also ausführe, erstmal folgendes:

Der gesamte folgende Bearbeitungsschritt macht nur Sinn, wenn das Modul nicht zielgerichtet sondern Spieler-Orientiert abgehandelt werden soll. Das heißt, das die Spieler quasi weniger subtil mit dem Zaunpfahl von Spielort zu Spielort getrieben werden, oder eben das im anderen Fall eine erzählerische, also dramatische Struktur beibehalten werden kann. All diejenigen, die das Modul eher gestrafft und anhand einer klaren Dramaturgie behandeln wollen, wandern am besten weiter runter, der Rest lese gepflegt weiter.

Konstantinopel hatte um 1300 CE ca. 70.000 Einwohner und es steht zu vermuten, dass die Einwohnerzahl kurz vor der Belagerung durch die Türken vielleicht noch die Hälfte betragen haben mag. Das wiederum heißt, dass wir es nichtsdestotrotz mit einer Metropole nach mittelalterlichen Verhältnissen zu tun haben, die über 30.000 Menschen versorgen muss, von den knapp 7.000-8.000 Soldaten verschiedenster Nationalität einmal abgesehen.

Gleichwohl ist Konstantinopel in seiner Ausdehnung gigantisch, und hier kann man sich gerade als Spielleiter sehr gut an den Bildern orientieren. Wir befinden uns also in einer Stadt, die zu ihrer größten Ausdehnung fast 800.000 Menschen unterbringen musste, die zweitgrößte mittelalterliche Stadt Europas nach Rom und das Juwel der Seidenwege, der Knotenpunkt von Ost und West.

Und deswegen spiegeln Architektur und Gebäude auch eine dekadente, aber verfallene Fassade wieder, denn obwohl die Gebäude und der Raum existiert, ist mehr als 3/4 davon unbewohnter, leerer Raum, ganze Viertel die nur spärlichst bewohnt sind, während sich wilde Tiere und die Pflanzenwelt nach und nach ihren Platz zurückerobern.

Das Modul selber gibt uns zwar eine Begegnungstabelle, macht hieraus aber mehr etwas, das an zwei mögliche Kampfencounter erinnert, mit 1-50 für Byzantinische Soldaten auf der Suche nach Spionen/Fremden und 51-100 für Betrunkene Genuesen auf der Suche nach Ärger. Das ist nicht nur dürftig, das ist geradezu absurd. Gleichwohl gibt es uns eine gute Plattform für eventuelle Ereignisse, welche man den Spielern mitgeben kann.

Bauen wir das ein wenig um, ergibt sich ganz von selbst eine kleine Matrix. Da wir für d10 bauen, machen wir am besten eine 10er Tabelle draus, eine w100-Tabelle wäre hier eher unnötig komplex für etwas, das auch mit einem einfacheren Würfel abzuhandeln ist.

  1. Wilde Tiere - Verlassener Strassenzug, Wilde (entlaufene) Tiere plündern die Geschäfte, sind Charakteren eher ängstlich ggü. eingestellt, St-2-GM welche bei Beginn eines Konflikts zu fliehen versucht, mögliche Tiere sind typische Wildtiere aber auch Exoten wie ein griechischer Löwe (St-6-HL) oder ein geschwächter Elefant (St-8-Sch). Allen Tieren gemein ist, dass sie bei der ersten echten (1/3+ STRESS) Verletzung fliehen werden, von einem Charakter der im Umgang mit Tieren geschult ist aber eingefangen oder sogar beruhigt werden können.
  2. Flüchtlinge - Familie welche die Abreise vorbereitet und dabei versucht soviel wie möglich von ihren Wertsachen und Erbstücken auf kleine Karren mitzubekommen in der Hoffnung, entweder einen Platz auf einer der Galeeren oder einen geheimen Schleichpfad aus der Stadt zu bekommen. Wird den Spielern Geld oder Schätze, notfalls sogar die Hand/Unschuld seiner ältesten Tochter anbieten, solange sie dafür vor den Türken beschützt werden. Fatalistisch und nur mittelmäßig reich. Können mit 4 Erfolgen in einer sozialen Probe oder entsprechendem Konflikt überredet werden, in der Stadt auszuharren, der Vater würde dann an der Verteidigung teilnehmen, was letztlich zu seinem Tod und zur Vergewaltigung/Sklaverei der Frauen führen würde.
  3. Plünderer - Strassenzug ist wenig belebt, eine Gruppe von Banditen plündert ein leer stehendes Haus, für Steigerung eventuell dramatischen Konfliktes ein aktuell noch bewohntes Haus, Banditen sind hauptsächlich auf leicht tragbares, Münzen und persönliche Befriedigung aus, greifen die Spieler nicht ein, so wird es hier über kurz oder lang zu einer Tragödie kommen. Sind die Spieler klar überlegen, bieten Banditen ihnen einen "Anteil" an in Form einiger Münzen oder eines Kleinods (Silberne Heiligenstatue im Wert von 50 Dukaten)
  4. Türkische Spione - In einem verlassenen Strassenzug treffen sich Kontaktmann und ein Stadtbürger um Informationen über die aktuellen Verteidigungsmaßnahmen der Stadt auszutauschen, als die Spieler in das Treffen hereinplatzen. Wenn die Spieler nicht sofort angreifen, sondern nur argwöhnisch reagieren, werden die erwischten versuchen sich herauszureden, ansonsten flieht der türkische Spion flugs in das nächste leere Gebäude um über die Dächer zu fliehen, während der Stadtbürger behaupten wird, dass sein Ziel flüchte und dass die Spieler ihn dabei gehindert hätten, einen Spion dingefst zu nehmen. Scheitert auch diese Geschichte, wird er ihnen einen Anteil an seinem Lohn (30 Dukaten) oder die Papiere seines Stadthauses anbieten, im Austausch für seine Freiheit.
  5. Orthodoxe Prozession - Eine Prozession von Flagellanten (St-4-GM) und Gläubigen (St-2-GM) wandert durch das aktuelle Stadteil und verschiedene Bürger versuchen als Stadtmiliz (St-3-GM) ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen, indem sie jeden verprügeln, der in ihren Augen der Prozession nicht genügend Respekt verleiht. Ein eventueller Konflikt mit den Spielern ist möglich, sofern diese der Prozession nicht ausweichen oder vor dieser entsprechend buckeln.
  6. Religiöse Intoleranz - Kann gegenüber Katholiken oder auch türkischen Bewohnern Konstantinopels passieren. Die Spieler durchqueren einen Straßenzug, in dem sie mitbekommen, wie ein paar selbsternannte Milizionäre (2xSt-3-GM) über eine entsprechend angeschlagene Gruppe von Andersgläubigen richten will im Namen Gottes und der Orthodoxie. Greifen die Spieler nicht ein, so führt das zum Tod der Gerichteten. Je nachdem, wie offen sie auftreten, kann sich der Zorn der Menge danach auch gegen sie richten.
  7. Zwangseinzug - Belebter Straßenzug, etwas besser gestellte Handelsgegend, Ein Kaufmann wird mitsamt seinen Söhnen im Alter zwischen 14-20 von der Garde eingezogen, um bei der Verteidigung der Stadt als Miliz mitzukämpfen, gegen den Willen des Kaufmannes und unter viel Geschrei und Gezettere der Frauen der Familie. Umstehende blicken nur verständlis drein, keiner wagt einzugreifen gegen ein Dekret von Konstantin XI. Der Kaufmann wird aber zu den Spielern blicken und sie um Hilfe bitten, dabei zu erklären, wieso ein Kaufmann nicht am Wall stehen sollte. Greifen die Spieler nicht ein, so werden die Kaufleute zur Miliz verschleppt, wo sie beim Belagerungssturm den Tod finden werden.
  8. Verdächtigung - Ein leerer Straßenzug, eine Gruppe von Soldaten (St-4-GM) welche diesen patroulliert hält die Spieler an, und im Unglauben über deren Stellung als päpstliche GEsandte, will sie unter Ketten in den Kerker bringen, sofern sie sich nicht wehren. Ein möglicher sozialer Konflikt gegen die Soldaten kann hier die Situation friedlich auflösen, anderfalls greifen die Soldaten zu den Waffen, falls die Spieler sich wehren, da sie glauben, türkische Spione vor sich zu haben.
  9. Monstren der Kanäle - Nahe eines Weinausschankes, die Spieler werden Geschichten davon hören, wie von Leptis Magnus und anderen Wesenheiten der Zisternen berichtet wird, dies soll einerseits den Spielern einschärfen, dass die gigantischen Untergrundwasserkanäle Konstantinopels ein möglicher Fluchtweg, aber gleichzeitig auch ein gefährlicher Ort sind, da in den Augen der meisten Bürger dort unten Alligatoren oder schlimmeres hausen mag.
  10. Alchemistenstube - Halb-verlassener Straßenzug, wirkt schwer ramponiert durch Explosionen und Feuerschäden trotz der Steinbauweise. Die Spieler wandern den Straßenzug entlang, als aus einem Gebäude nur einige Meter vor ihnen eine gigantische Stichflamme schießt und mehrere Personen brennend und schreiend heraus gerannt kommen. Sie sind eine Gefahr für sich selbst und andere, da sie sich beim Versuch, selbst griechisches Feuer herzustellen verbrannt haben und werden qualvoll zugrunde gehen, wenn die Spieler nicht eingreifen.
Wie man sieht lässt sich mit ein bisschen Phantasie nicht nur die Begegnungstabelle bereichern sondern der gesamte Abschnitt an und für sich, weil dadurch alleine schon mehr Flair über die Stadt im Belagerungszustand dargestellt wird, als dies durch das Modul selbst veranschlagt wird. 
Ab hier dann wieder weiterlesen!
Nun aber zum versprochenen. 

Die Position des Blachernae-Palastes wie auch des gesamten Viertels ist bedrohlich nahe am eigentlichen theodosischen Wall. Da die Mauern des Blachernae historisch gesehen auch noch instabil waren, ist dies einer der ersten Durchbruchpunkte während des späteren Belagerungssturmes durch die Türken. Somit ist Konstantin XI und seine Garde, welcher womöglich die aktuelle Kaiserin in Verkleidung angehört, eine der ersten Verluste, davon mal ganz zu schweigen dass der Sturm über das Regierungsviertel auch dafür sorgt, dass eine effektive Verteidigung der Stadt ohne dazugehörige Adminstration recht schwierig wird.

Auch die Position der Kirchen ist gefährdet, da diese im Stadtplan als höchste Gebäude immer wieder hervorstechen und türkische Soldaten sie somit als hervorstechende Merkmale und Sammelpunkte sehen. Sie werden also zuerst geplündert und gebrandschatzt, was für die in ihnen sich versteckende Zivilbevölkerung, die glaubt dort den größten Schutz zu haben, ein eher schlechtes Zeichen ist.

Zudem ist auch relativ einfach klar, dass durch die Belagerungsmaschinen der Türken, gerade auch die große Kanone, ein eventueller Durchbruch der Theodosischen Wälle unvermeidlich ist, da sie letztlich nicht für diese Art von Beschuss ausgelegt sind, zudem sind sie ja auch schon seit Jahrhunderten nicht mehr ordentlich in Stand gehalten worden, da die byzantinische Führung sich die Instandhaltung solch gigantischer Wälle auf Dauer auch einfach nicht mehr leisten konnte.

Schon die Ankunft der Spieler fängt prinzipiell nicht gut an. Nachdem sie durch Kapitano Arrighi schliesslich in Konstantinopel angekommen sind und die Hafenmeisterei sie mitsamt Garde begrüßt und verlangt zu wissen wer sie sind und warum man Ihnen Einlass gewähren sollte, verlangt Arrighi seinen Anteil von 300 venezianischen Dukaten aus der Schatzkiste der Spieler, welche ihnen von Monsignore di San Dimas übergeben wurde und informiert sie darüber, dass ihre Rückfahrt nicht gesichert sei und eventuell ein höherer Preis verlangt werden könnte. Hier ist ein sozialer Konflikt angebracht, da dies auch eventuell entgegen der Abmachung mit dem Monsignore und den Spielern sein kann. aber Arrighi besteht auf sein Recht und im Angesicht der Situation hat er die Überhand, gleichwohl kann er von den Spielern überredet werden, wenigstens auf sie zu warten. Typischerweise wird er 2-3 Tage vor Ort ankern, maximal jedoch bis zum Morgen der Erstürmung.

Als nächstes werden die Spieler mit der Hafenmeisterei konfrontiert. Hier ist jedoch jenseits von einfachem Rollenspielerischen Geplänkel inhaltlich kaum eine Erwartung geknüpft, ein sozialer Konflikt ist hier auch nicht sinnvoll, da sie, sofern sie nicht offen gegen den Basileus argumentieren, auf jeden Fall eine Besuchserlaubnis bekommen.

Mit dem Eintritt in die Stadt selbst, durch ihren Hafendistrikt kommen wir zur Frage des nächsten Besuchspunktes. Hier werden wir, dann beginnend mit dem nächsten Post, uns Gina´s Haus der Freuden und dem Blachernae-Palast zuwenden.

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