20160408

Fall 1 - XLVIII

Ich schaue, eine Augenbraue hochgezogen von einem zum anderen. Was soll ich dazu jetzt auch noch sagen?

Er zuckt mit den Schultern, wedelt kurz angebunden mit der rechten Hand, worauf hin der als "Blitz" angesprochene junge Mann auf der anderen Bettseite sichtlich entspannter wird. Das Klicken im Hintergrund und die plötzlich von unten hervor kommende Handfeuerwaffe deuten mir an, dass ich hier im wahrsten Sinne des Wortes einer Kugel entronnen zu sein scheine.

Gleichzeitig verbirgt Blitz die Waffe nicht wirklich, als er sich, etwas breitbeiniger und mit Blick auf meine Position an der rechten Wand platziert. Die Hände übereinander gelegt, die Waffe, ein .38er Revolver, zwischen den vor der Brust aufgelegten Händen. Der Blick bleibt eisenhart, auch wenn die Schultern jetzt etwas hängen. Zu meiner Linken der Weißkittel, der noch immer die Brieftasche in den Händen haltend, diese nun spöttisch auf mein Bett wirft.

Weißkittel - Natürlich verrät mir das immer noch nicht, warum sie hier sind.

Noch während er spricht, dreht er sich mit dem Rücken zu mir um, und werkelt an einem kleinen Beistelltisch rum, kommt dann wieder hoch und hat eine Spritze in der Hand, gegen die er ein paarmal mit dem Finger gegen tappt, während er kurz testet, ob die Flüssigkeit erfolgreich aus der Kanüle kommt. Sein Blick wirkt deutlich unnahbarer, während er langsam an meine Bettkante, nun mit der Nadel in der Hand, zurück kehrt. Wie dunkle Schatten über seinen Augen ist es mir schwer, in diesem Moment seinen Blick zu deuten.

Weißkittel - Oder was sie dem armen jungen Ding angetan, das sie her gebracht haben.

Schweiß, nun nicht nur von Schmerzen und Anstrengung, sondern sicherlich auch sichtlicher Angstschweiß stehen mir auf die Stirn geschrieben. Er meint die junge Frau, die ich bei Fouquier rausgeholt habe. Oh, bleib schön mit der Nadel weg!

Zeichner - Hey! Hey! HEY! Vorsicht mit der Spritze, Doc!

Sein Blick verengt sich, und in einem langsamen und bedrohlichen Schwung kommt er mit der Spritze näher. Auf der anderen Bettseite wird Blitz immer nervöser. Fingert am Revolver rum. Ist er etwa auch noch heran gerutscht an der Wand?

Weißkittel - Sagen wir es so, ich überlege mir einfach, ob mir ihre Antwort gefällt...

Bedrohlich nahe inzwischen, ich kann die seltsame Flüssigkeit, die in der Spritze steckt, immer genauer sehen, während er mit einem zackigen Bewegung auf meine rechte Schulter tappt, ehe ich mich irgendwie rühren kann.

Der Schmerz, der mich durchfährt, zwingt mich, mundtot zu machen!

Zeichner - 'Yaaarghhh'....Ich ...Ich hab ihr ...gar nichts angetan!

Mit einem harten Griff fasst er jetzt meinen linken Arm, während er diesen schon wie ein Schraubstock in seinen Fingern presst, und anfängt, die Spitze anzusetzen, was angesichts meines beginnenden Strampelns, ausgelöst durch Schmerz und Panik, sicherlich nicht besser wird.

Weißkittel -  Und das soll ich Ihnen einfach so glauben? 

Er setzt ein geradezu diabolisches Grinsen auf. Durch die seltsam gesetzte Beleuchtung kann ich Teile seines Gesichtes schon nicht mehr richtig erkennen, wie es in den Halbschatten gelegt ist, während die blanken Zähne entsetzlich weiß strahlen und mich zu blenden drohen. Die Spritze ist kurz davor, in meinen Arm gestochen zu werden!

Zeichner - Drogen...werden nicht....helfen! Sie...hätten mich....längst unter dem....Einfluss derselben..ausfragen können!

Das ergibt überhaupt keinen logischen Sinn! Wenn er wirklich eine Art Wahrheitsserum nutzen will, warum nicht bereits injizieren in einer Dosis, dass ich in jedem Fall beim Aufwachen hätte antworten müssen?!

Er zuckt mit den Schultern.

Weißkittel - Vielleicht bin ich auch einfach nur ein...Sadist. Wo haben sie das Mädchen gefunden?

Zeichner - Gefunden?! ....ich habe sie nicht gefunden, ich habe sie gerettet. ARGH! SCHEI...SSE! Aaaarghh...

Weißkittel - Inwiefern gerettet, Zeichner?

Zeichner - Fouquier...ich habe den Mistkerl aufgesucht, um...etwas über Tatianna herauszufinden...und habe sie dort aufgebahrt gefunden. Der letzte ...echte ....lebendige Mensch dort...

Die beiden tauschen eifrige Blicke auf, während mir Schweiß, Staub und Tränen die Sicht verhageln. Das wird er mir büßen! Einen unschuldigen Mann so zu foltern. WENN ES NUR NICHT SO VERDAMMT WEHTUN WÜRDE.

Der Weißkittel streicht sich mit einer Hand durchs Haar, tappt noch ein paarmal gegen die Kanüle. Schaut mich dann an. Ein halber Lichtstrahl erhellt seine nun etwas mir abgewandte Gesichtshälfte in einem grässlichen bläulichen Licht, wie in einem Krankenhaus, klinisch rein, sauber, tot.

Weißkittel - Eine letzte Frage. Arbeiten sie für Conrad Matthews?

Zeichner - Nein, verfickt!

Weißkittel - Verflucht Zeichner, ich habe ihnen doch gesagt dass ich von Candy weiß, dass sie bei Spritzer waren! WOHER SONST HÄTTEN SIE VON FOUQUIER ODER TATIANNA GEWUSST?!

Speichelreste fliegen umher, sein Blick, für einen Moment im Lichtschein erkennbar, eine grimmige Maske des Zorns, die Zähne verbissen.

Zeichner - Weil ich Privatdetektiv bin, fuck! Ich wurde angeheuert, der Sache nachzuspüren! Oder glauben sie, ich hätte Fouquier sonst über den Haufen geballert?!

Stille. In einiger Entfernung kann ich ein sanftes Piepen vernehmen. Ansonsten erfüllt nur mein angestrengtes Atmen den Raum. Dann das drehen einer Revolver-Trommel. Fuck, Nein Nein Nein Nein Nein!

Blitz zielt auf mich. Ich kann den kühlen Lauf an meiner Schläfe spüren. Seine grüner Mohawk wackelt nervös hin und her, während sein Blick immer wieder zu mir und dann zum Weißkittel gehen. Selbst seine Stimme, ungewöhnlich hoch für einen solchen Kerl, zittert wie ein Drahtseil im Sturm.

Blitz - Soll ich, Doc?! Ich muss nur abdrücken! Es muss auch keiner was erfahren. Nicht dieses Mal...

Weißkittel - Was...meinen sie....damit...Zeichner?

Mein Blick ist fixiert auf das scheinende Metall, das momentan an meinen Kopf gedrückt dafür sorgt, dass meine Gedanken sich vor allem darum kreisen, wie ich diesen wahnsinnigen davon abbringen könnte, jetzt nicht einfach reflexhaft abzudrücken.

Zeichner - Ich habe gesehen..was Fouquier da unten gemacht hat. Die Leichen in seiner Kühlkammer...die...Toten, die er....im ....Hochofen...

Mir wird schwindlig. Obwohl ich in einem Krankenbett liege, beginnt die Welt sich zu drehen, als die Bilder des Hochofens wieder vor mein Inneres Auge treten. Wie schwerster Seegang, während ich spüre, wie meine Beine, meine Arme verkrampfen. Mein Atem flach, dann stockend.

Zeichner - Gesehen...wie das ....Fleisch...von...der Haut....fl...floß...

Mit einem Mal spüre ich den drückenden Lauf nicht mehr an meinem Kopf, als ein Großteil des Lichtes durch den vom Schatten verdunkelten, weißen Kittel ersetzt wird, der im nächsten Augenblick mein Blickfeld einnimmt. Das Stechen einer Nadel, die, beinah unbemerkt, eine Ader erreicht, und ihre Ladung entlässt.

Meine Muskeln werden zu Gelee. 

Weißkittel - Ruhig. Ruhig. Blitz, pack das Ding weg.

Ich kann von der Seite eine gewisse Enttäuschung hören, geradezu spüren, als er seinen Revolver wieder einpacken muss. Mein Blickfeld wird immer noch vom Weißkittel eingenommen. Erst auf diese Entfernung fällt mir auf, dass der Kittel Risse hat.  Ein kleines, halbes Namensschild auf der Seite lässt noch die Worte J.M... lesen, ehe er sich wieder von mir weg beugt.

Weißkittel - Ich gebe zu, ich weiß noch nicht so recht, wo dran ich bei Ihnen bin, Zeichner. Aber das wird sich im Laufe der Zeit sicherlich klären.

Zeichner - Was..haben...sie mir....gegeben?

Weißkittel - Oh? Ein Muskelentspannungspräparat. Sie hatten schon vorher, während der Notbehandlung Anzeichen gezeigt, schockartig in Anfälle zu verfallen, daher hatte ich das vorbereitet. Ruhen sie sich aus, Zeichner. 

Fast schon gütlich lächeln, schaut er zu mir. Seine Gestalt entfernt sich. Wie beim Blick durch ein Fernrohr, das verkehrt herum gehalten wird.

Weißkittel - Wir sprechen wieder miteinander, wenn es Ihnen etwas besser geht.

Seine Stimme wirkt dumpf. Da war noch etwas anderes drin. Ganz...bestimmt....

Die Helligkeit umfängt mich. Mein Bewusstsein schweigt.

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