Das stetige Schütteln des Karrens war einschläfernd, selbst noch auf dem
steinernen Straßen, als sie in die Außenbezirke der Stadt einfuhren, und die
ersten Passanten anfingen, den Wagen zu erkennen und Ihnen alsbald auch Platz
machten.
Marus beugte
sich vor, der Blick von Besorgnis gezeichnet, da die gramvolle Stirn über dem
durchaus imposanten, mit viel Arbeit versehen schwarzen Schnurrbart, zwei knopfgleiche
Augen unter dichten Brauen umrahmend.
Marus -
Herr. Wacht auf, Herr. Wir sind bald da.
Obwohl
Wenzlaf nicht wirklich am schlafen war, war ihm auch nicht danach, sich mit der
Welt im ganzen zu befassen. Nur zögerlich begann er, seine Augen zu öffnen, und
gleich, streckend, rülpsend, sich am Bauch kratzend, einen Blick hinaus zu
werfen, der ihn ebenso gleich verschreckte. Die Helligkeit des Tageslichtes,
der grellsten Sonne, war ein unangenehmer Streich in diesem Moment.
Wenzlaf -
Können sie das nicht einfach ohne mich machen?
Marus
schaute ihn amüsiert an. Das alte Raubein war belustigt. Da er als Belohnung
für seine guten Dienste auf ein verzogenes Königssöhnchen aufpassen musste, was
sich als überraschend einfache Position in stabilen Zeiten erwies, war dies
eher wie ein unartiges Kind zu kontrollieren, denn einer Leibwache gleich das
eigene Leben einzusetzen.
Marus - Wenn
ihr mir eine Frage gestattet, Herr?
Wenzlaf -
Frag.
Marus - Seid
ihr nicht etwas ...stark gekleidet heute?
Wenzlaf
winkte ab. Marus dränge nicht weiter. Dem neuesten Trend der Mode nachzujagen,
war und blieb etwas, dem er nichts abgewinnen konnte. Wenzlaf beugte sich
verschwörerisch vor, der Schweiß, der sich langsam auf seiner Stirn bildete,
während die Sonne unerbittlich auf ihn hernieder strahlte wurde mehr und mehr
zu einer Behinderung.
Wenzlaf -
Hast du, worum ich dich heute Morgen bat?
Marus Augen
weiteten sich. Offensichtliches Unbehagen spiegelte sich in seinen Augen
wieder, aber er nickte langsam, und zog das kleine Bündel aus seiner Tasche.
Wenzlafs Augen weiteten sich, und er zog das Bündel zu sich herüber, verstaute
es schnell in seiner Jacke. Der alte Leibwächter wirkte nicht beruhigt.
Marus -
Befürchtet ihr einen Anschlag?
Wenzlaf - Es
ist das Herz des Königreiches. Die Höhle des Löwen. Ich weiß dass meine
Unterstützer in den Rängen warten, wie es die meiner Brüder tun.
Marus - Also
denkt ihr dass...
Wenzlaf - Tu
wie dir geheißen wurde, und diesem Tag wird ein morgiger nachfolgen.
Der Karren
hielt, während einige Schaulustige im Hintergrund bereits die Straße gesäumt
hatten, in einiger Entfernung konnte man Babygeschrei zu vernehmen, während die
Garde am Karren anfing in Position zu gehen, um das einfache Volk von Prinz
Wenzlaf, Zweitgeborenem des Königs Kolejahn III aus dem Hause Orac, fern zu
halten.
Das
Geflüster in der Umgebung war umso einschneidender, da er dies auch über die
Köpfe der Gardisten hinweg mitbekommen konnte. Das lapidare Bastard blieb etwas, das wie ein steter
Nagel an seinem Verstand zwickte.
Die
wenigsten konnten sein Gesicht sehen, das sich unter seinem ledernen Handschuh
verbarg, als er aus dem Karren stieg und unter Schutz und Geleit der Garde den
Palast betrat, aber diejenigen, welche es sahen, wussten nicht, ob Wenzlaf
Freude oder Furcht zeigte, denn das steinerne Lächeln auf seinen Lippen war
kalt und unbeugsam. Die Zeremonie lag vor ihm.
Noch während
seine Füße die Treppe bestiegen, kehrten seine Gedanken wieder zur letzten
Nacht zurück.
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Die
Mittnachtsstunde hatte kaum geschlagen, als er die Kammer betreten hatte. Er
war alleine, da er wusste das Marus dies nie gebilligt hätte. Heimlich wie ein
Fuchs, in dunklen Gewändern, hatte er sich auf kleinen und dunklen Passagen,
welche sonst von Bediensteten zum raus schleichen genutzt wurden, in den Palast
geschlichen, und in diese, tiefste aller Kammern begeben. Was ein paar
Silberstücke für eine Wirkung haben konnten. Er musste Gewissheit haben.
Die Kammer,
die er betrat, rundlich in ihren 20m Ausmaß, besaß im Zentrum eine tiefe
ausgescharte Kuhle, wo Einkerbungen in Fels und Gestein Jahrhunderte Bestand
hatten, und die Namen aller Mitglieder der Linie Oracs aufgeführt waren. Im
Zentrum der Einkerbung, kein Handbreit über dem Boden, schwebte die blaue
Flamme, welche als einziges Licht den Raum erhellte.
Er trat
langsam drauf zu. Hier würden zukünftige Mitglieder ihr Geburtsrecht zeigen, als
Erwählte in die Flamme zu steigen, und mit dem Segen der Götter heraus kommen.
Angst. Furcht. Spannung beherrschte sein Denken, als er die Hand zögerlich in
das blaue Leuchten hielt.
Es...zwickte
leicht. Aber es schmerzte nicht. Wohlige Wärme, ja Freude umgarnte seine Sinne,
und er drückte sich geradezu tiefer hinein, damit er vollends in der Wärme der
Flamme stehen würde, in diesem Moment seines Triumphes.
Etwas
klapperte im Hintergrund. Schritte? Erschrocken drehte er sich um, hörte jemand
an der Tür. Er wollte sich umdrehen, aber sein Leib, halb im Feuer, war als
wäre er in einem Schwitzofen. Die Flamme wandelte sich, und aus Blau wurde
Weiß, als er spürte, wie seine Kleidung versengte und seine Haut verbrannte.
Mit letzter
Kraft warf er sich zu Boden, aus der Flamme heraus. Überwältigender Schmerz.
Seine Hand, Teile seines rechten Arms und der Schulter waren von Flammen
verzehrt, das Fleisch wenig mehr als eine verkohlte Masse. Der Schmerz eine
überwältigende Folter, der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft. Er
konnte jemanden hören, der weglief. Selbst aus den Augenwinkeln hatte er seinen
jüngeren Bruder Oldrich erkannt.
Er durfte
nicht bleiben. Es wäre sein Ende. Mit letzter Kraft stahl er sich davon, mit
einem Umhang den er auf dem Weg in der Waschküche stahl, und schlich sich durch
die Nacht zurück in sein Domizil.
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Er wusste,
als er die große Halle betrat, an welche sich die Kammer der Flamme anschloss,
dass er nur einen Versuch hatte. Würde die Wahrheit enthüllt, wäre seine
Zukunft verwirkt, sollte er nicht direkt der Flamme übergeben werden. Er war
sich sicher, dass dies der einzige Weg war.
Vor ihm, und
hinter ihm marschierten Gardisten des Königs, welcher selbst, von einer
mysteriösen Krankheit angeschlagen, am Ende des Saales auf seine Throne saß, an
seiner Seite seine Brüder Jaromir und Oldrich, während die Flügel der Halle von
den Adligen und Hohen Herren, von Händlern und Priestern der Götter fast
überfüllt wirkten. Etwas hinter ihm wanderte Marus, stets wachsam, aber sich
doch offensichtlich von der Prozession absetzend an den Feuerschalen zurück
blieb. Den kleinen Beutel herausnahm.
Eine einzige
Prise.
Die
Anspannung im Raum war spürbar. Selbst während dieses Großereignises liefen in
den Flügel die Fäden der Macht zusammen, schmiedeten Allianzen und Pläne für
die kommenden Jahre. Es war der einzige Punkt, an dem er sie alle in seiner Hand
hatte.
Als sie zum
Stehen kamen, begann das Zeremonielle Gehabe. Wenzlaf spürte sich den Blicken
der Anwesenden ausgesetzt wie ein Wüstenreisender unter Aasgeiern. Es war alles
ohne Bedeutung, nutzlose Traditionen. Er blickte verwundert auf. Eine unnatürliche
Stille war über die gesamte Halle gekommen. Jaromir hustete.
Irgendjemand
kicherte in den hinteren Reihen. Machte man sich über ihn lustig oder konnte
sich jemand nicht benehmen? Betretenes, unterdrücktes Schweigen in der Halle.
Ein Flüstern von der Seite. Erst jetzt erinnerte sich Wenzlaf an den korrekten
Ablauf. Er stellte sich hastig auf, die geballte Faust auf der Brust.
Wenzlaf -
Vater. Wie ihr sagt, ist heute der Tag, an dem ich durch die Flammen schreite.
Und so ist es seit Generationen geschehen, nicht wahr?
Sein Vater
nickte, leicht konfus. Gemurmel in den hinteren Rängen. Manche der Hohen Herren
drängten sich in die vorderen Reihen, welche sonst nur den Adligen vorbehalten
waren. Dies war wagemutig. Neu. Etwas, das nicht erwartet worden war. Inmitten
des allgemeinen Gemurmels war es Jaromir, der vortrat. Das Zischen in seiner
Stimme war getränkt vor Verachtung.
Jaromir -
Werter Bruder, wollt ihr nicht...voran schreiten? Immerhin ist dies ein Tag der
schon so oft, wie ihr richtig sagt, begangen wurde. Grämt euch nicht und
übergebt euch der reinigenden Flamme...
Wenzlaf
musste das Grinsen unterdrücken. Jede Schlinge musste langsam gezogen werden,
damit die Beute die Falle nicht erkannte.
Wenzlaf -
Wenn es also seit Generationen geschieht, sollten wir diesen Traditionen
folgen, wie allen Traditionen die damit verbunden sind.
Jaromir -
Natürlich, natürlich.
Jaromir
abweisendes Handwedeln zeugte von seinem Unverständnis.
Wenzlaf -
Und war es nicht Tradition unserer Ahnen, dass ein Sekundant erwählt werden
dürfte, den Schreiter zu begleiten?
Jaromirs
Stirn zog sich kraus. Das Gemurmel der Anwesenden wurde lauter, ehe es den
Gardisten gelang diese in den Hintergrund zu drängen.
Jaromir -
Ein...Sekundant? Wozu braucht ihr einen Sekundanten?
Marus
drängte sich langsam, aber sichtbar in den Flügeln vorwärts. Er wusste nicht,
was sein Herr geplant hatte, wohl aber, dass er sicherlich in diesem Moment
gebraucht wurde.
Wenzlaf - Bruder,
wie ihr sagtet, es ist Tradition, hoch geschätzt und geheiligt in diesen
Hallen. Und sollte ein Zeuge nicht anwesend sein, in diesem intimsten aller
Momente?
Langsam
zeigte sich das Entsetzen auf Jaromirs Stirn. Er begriff, dass er, wie das
Insekt im Spinnennetz, in etwas gelaufen war, das nur ein Ende haben konnte.
Jaromir -
Intim? Nun. Da wir Traditionen sehr wertschätzen...
Jaromir
blickte zu seinem Vater, welcher nur angespannt nickte.
Jaromir -
Sollt ihr diesen "intimen" Moment mit Sekundanten vollführen.
Wenzlaf
lächelte. Jaromir lächelte nun ebenfalls, während Marus sich fast an die
vorderste Reihe gestürzt hatte, und, Gürtel und Kleidung zurecht gerückt, daran
machte, sich sogleich zu melden. Hinter all dem war Oldrich die Anspannung in
das junge Gesicht geschrieben, während er versuchte mehr oder minder subtil
seinen Bruder auf etwas aufmerksam zu machen.
Marus - Wenn
ich darf, hohe Prinzen?
Doch
Jaromirs Blick war nur auf Wenzlaf gerichtet, Triumphierend, und gewissenhaft
zog er den Strick zu.
Jaromir -
Natürlich muss dieser Sekundant von höchster Qualität sein. Sein Wort muss dem
Reiche genügen wie es sein Anstand tut. Es kann daher nur eine Person dafür in
Frage kommen...
Marus fühlte
sich geradezu ein klein bisschen größer in diesem Moment. Er stand nun halb auf
Zehenspitzen, um gesehen zu werden.
Marus - Hohe
Prinzen, bitte, ...wenn ich mich für Prinz Wenzlaf als....
Jaromir -
Ich selbst.
Marus
erstarrte, während das Erstaunen um sich Griff.
Wenzlaf - Es
wäre mir eine Ehre, Kronprinz.
Jaromir,
lächelnd, nickte, trat vor, klopfte Wenzlaf auf die Schulter, Oldrich wurde
bleich und das halb-zahnlose Lächeln König Kolejahns zog einen passenden
Schlussstrich, als Wenzlaf und Jaromir die Kammer betraten. Marus hingegen war
bestürzt, musste sich mit dem Rücken an eine Säule lehnen, während eine
Grabesstille auf der Halle lag, und alle Augen gespannt auf die schwere
Siegeltür der Kammer blickten. Nur am Rande sah er, wohl aber ohne es zu
erkennen, wie Oldrich sich mit einem der Gardisten unterhielt und von diesem dessen
Schwert bekam.
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Mit einem
schweren Ruck schloß sich die Siegeltür hinter den beiden. Wenzlaf und Jaromir
waren alleine in der Kammer. Nur das vertraute blaue Leuchten der Flamme
beleuchtete die Umgebung, und tauchte die Brüder in ein unnatürliches, kaltes
Licht.
Jaromir
schritt voran zur Flamme, stand abwartend, die Arme verschränkt neben dieser,
und blickte zu Wenzlaf.
Jaromir -
Ein feiner Trick. Aber ich sehe nicht, wie dich das retten wird.
Wenzlaf ging
näher auf seinen Bruder und die Flamme zu, welche keine Anstalten machte, sich
zu verändern. Er konnte den Schweiß auf seiner Stirn spüren, der ihm inzwischen in dicken
Tränen über das Gesicht lief. Nur wenige Meter trennten ihn und seinen
Bruder, welche beinahe in der Flamme selbst stand, immer noch abwartend.
Wenzlaf -
Bruder, ich muss dir etwas beichten.
Jaromir
beugte sich spielerisch vor, als ob er Wenzlaf sein Ohr geben wollte.
Jaromir -
Bitte...wir sind unter uns.
Wenzlaf zog
das Bündel aus seiner Jacke, und enthüllte die feine Klinge, welche Marus auf
den Schwarzen Märkten des Morgens erworben hatte. Jaromir wollte zurücktreten,
einen Arm vom Körper strecken, doch Wenzlafs Klinge war schneller, als sie
Jaromirs Hals durchbohrte.
Kein Wort
kam bei seiner Tat über Wenzlafs Lippen. Nur die Geste, als er, im Angesicht
mit seinem Bruder den Finger an die Lippen hob.
Wenzlaf -
Schhh.
Blut.
Jaromir versuchte krampfartig Luft zu bekommen, seine Finger rissen um sich, in
die Flamme, zu Wenzlaf, als er nach einem Ausweg suchte. Im roten Schwall
stürzte er panisch über seine eigenen Füße, fiel zu Boden. Zuckte. Wenzlaf trat
langsam heran und legte die Hand an die Klinge. Drehte Jaromirs Leib und zog
Kraft, nur um erneut zu zustechen. Es hatte keinen Herzschlag gedauert.
Die blutige
Tat vollbracht, drehte er sich erneut zur Flamme, wie er es in der Vornacht
getan hatte. Und hielt die behandschuhte Hand hinein.
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Mit lautem
Krächzen öffnete sich die Tür. Die ersten stießen schon Jubelrufe aus, während
andere noch der Dinge harrten, die da kamen. Erst mit dem weiteren Krächzen
wurde die allgemeine Verwunderung breit, als die ersten erkannten, dass
Wenzlaf, halb von den Flammen verzehrt, verbrannt von Hand bis Schulter.
Schreie wurden laut, als sie das Bündel in seinen Armen, den fast vollständig
von den Flammen versehrten, kohlenen Leib erkannten.
Chaos wurde
breit, wildes Geschrei, während die Garde verzweifelt um Ordnung suchte ohne
die ihnen bekannten ruppigeren Maßnahmen anzuwenden, während Marus sich durch
die Reihen schlich an Wenzlafs Seite, und diesem den toten Leib Jaromirs
abnahm. Die Verzweiflung stand Wenzlaf ins Gesicht geschrieben.
Selbst König
Kolejahn, in seiner Schwäche, erhob sich von seinem Platze, die Decke beiseite
fegend, und eilte an die Seite der verbrannten Überreste. Ein allgemeines
Wehklagen begann die Räumlichkeiten zu füllen. Wohl aber war eine Frage auf den
Lippen aller, als Oldrich, immer noch bleich, an der Seite seines Vaters
hervortrat, zitternd, mit der Klinge des Gardisten in der Hand, auf Wenzlaf
gerichtet, der noch immer neben Marus und dem König an Jaromirs Leib kniete.
Oldrich -
Wie?! Du hättest in den Flammen deinen Untergang finden sollen! WIE?!
Wenzlaf, auf
den sich erneut die Augen richteten, ließ den Blick schweifen, ehe er
antwortete.
Wenzlaf -
Die Flammen selbst haben mich errettet, kleiner Bruder. Wohl aber nicht zu
seinen...oder deinen Gunsten.
Kolejahn
blickte verwirrt zwischen den Brüdern hin und her, während Oldrichs Blick sich
verfinsterte.
Oldrich -
Welch Intrige ist dies, dass du glaubst dich so raus winden zu können? Eher
trenne ich dir den Kopf vom Halse!
Wenzlaf -
Die Flammen haben mich verschont, wie sie es sollten, und meinen Bruder,
welcher meinen Tod suchte, verzehrt, und nun stehst du mit einer gezogenen
Klinge vor mir, statt mich herzlich zu willkommen und dich zu mir und Vater in
Trauer zu gesellen, und du sprichst von Intrige?
Noch mit
seinen Worten erhob sich Wenzlaf, grimmig und verbissen seinen jüngeren Bruder
beobachtend. Die Gardisten warfen sich unsichere Blicke zu. Die Stimmung in der
Halle war an einem seidenen Faden. Das allgemeine Gemurmel und Geplapper gerade
der leichter zu beeindruckenden Persönlichkeiten schuf eine diffuse Kulisse von
Lauten, welche wie die See aufklang und abschwoll mit jeder Bewegung, jedem
Wort der Brüder.
Wenzlaf
wandte sich erneut an die Menge, die Arme ausbreitend, dem Demagoge gleich zu
seinen Jüngern.
Wenzlaf -
Hohe Herren, dies ist, was mir meine Familie angedeihen lässt! Ein Leben in
Furcht. Sie mordeten schon meine Mutter ob ihrer Stellung, ungeachtet aller
Konsequenzen, nun soll mein Leben die Blutgier befriedigen? Ist dies einem
Prinzen noch würdig?
Währenddessen
ließ sich Kolejahn zwischen beiden derweil von Marus langsam aufhelfen. Die
geschwächte Stimme des Königs wollte sprechen, aber gegen die allgemeine
Lautstärke war kein Halt zu bieten, jeder Laut versiegt, während Oldrichs
zorngeschwängerte Stimme den Saal durchschnitt.
Oldrich -
Elender Hund!
Oldrich ging
in Angriffsstellung, das Gesicht zerfurcht von Hass und mit einem schnellen
Hieb stieß er vorwärts, auf dem ihm nur halb zugewandten Wenzlaf. Dieser
wiederum, von den Ereignissen überrascht, noch im Versuch begriffen, sich davon
zu drehen, die wehrlose Flanke offen.
Der Stich
ging tief und riss Wenzlaf zu Boden, ein blutiger Schwall, der sich langsam
durch dessen Kleidung zu fressen begann, während Marus empört den König fallen
ließ, und die Gardisten, immer noch unklar darüber, ob und wessen Seite zu
ergreifen sei, selbst die Waffen zogen
Ein
Aufschrei ging durch die Menge zu beiden Flügeln der Halle, Adlige wie Hohe
Herren die sich bewaffneten, während Kleriker sich an die Seiten der Halle
flüchteten, um dem kommenden Töten zu entkommen. Wenzlaf, schwer blutend am
Boden, der bleiche König gefallen am verkohlten Leichnam, während Marus, sein
Schwert ziehend versuchte, zwischen Wenzlaf und Oldrich zu kommen.
Oldrich
tänzelte zur Seite, während hinter ihm die Menge aufeinanderstieß, und blaustes
Blut den Boden tränkte, während Marus mit ausholte, um jeden etwaigen Hieb,
jeden Todesstoß abzufangen, der Wenzlaf bedrohte.
Während um
sie herum das Chaos tobte, stieß Oldrich erneut voran, eine halbe Drehung im
Schritt als seine Klinge voran auf Marus Kopf zielte, welcher im letzten Moment
beiseite zog und so seine Wange aufschlitzte, im Gegenzug mit Wucht seine Faust
in den Magen des jungen Prinzen hieb, was diesen kurz zurückwarf. Marus stieß
sich ab, und ließ die Klinge über den Kopf fahren, und der Stahl sang, wo ihre
Klingen sich in der plötzlichen Rollenveränderung traf, wo der Angegriffene zum
Verteidiger wurde.
Wieder und
wieder schwang Marus, geübt durch Jahrzehnte des Kampfes seine Waffe,
angetrieben durch den roten Rausch und das süße Blut, vor seinen Augen ein Film
wie Wahn, seine Nasenflügel weit geöffnet, als er mit einem harten Tritt seinen
Gegenüber zu Fall brachte. Oldrich fiel, und über ihm thronte bedrohlich Marus
Gestalt, wie dieser die Klinge zum letzten Schlag hob, wo einzelne Tropfen
seiner Wange langsam auf den Leib des jüngsten Prinzen tropften.
Wenzlaf
schrie auf, sah das Verderbnis, doch als Marus sich hinab stürzte, mit der
Klinge voran, drehte sich Oldrich unter ihm zur Seite, und stieß ihm mit dem
Schwerte im gleichen Moment aufkommend in den Bauch. Ein blutiger Schwall
ergoss sich aus Marus Mund, ehe er zu Boden kippte. Schwitzend, blutig, stand
Oldrich auf, und zog die blutige Klinge aus dem gefallenen. Und Schritt für
Schritt zu Wenzlaf trat.
War dies das
Ende seiner Ambition?
Der Ruf, der
harten, Befehls-gewohnten Stimme durchdrang die gesamte Halle, selbst
geschwächt noch machtvoll und von Autorität erfüllt.
Kolejahn -
GENUG! Genug des Blutvergießens! Beendet diesen Zwist!
Langsam, wie
ein Bann, der gebrochen war, drifteten die Adligen und Hohen Herren
auseinander, während die Garde, nun unter klarem Befehl, anfing, die Menge
auseinanderzubrechen, einzelne Rädelsführer herausnahm und andere unter Arrest
stellte. Alle Augen waren auf Kolejahn III gerichtet. Dieser,
offensichtlich schwer erschöpft von der Anstrengung, einen leichten blutigen
Faden am Mundwinkel, schwer atmend, riss seine knochige Hand hoch, auf die
Brüder zeigend.
Kolejahn -
Beide seid ihr eine Schande für unser Haus!
Oldrich,
noch immer vom Blute Marus überzogen, die Klinge tropfend vom durchbohrten
Fleische, drängte zu seinem Vater, nur um von herbei eilenden Gardisten
aufgehalten zu werden, während an der anderen Seite ein herbei gerufener
Dottore sich um Wenzlafs Wunde kümmerte.
Oldrich -
Vater, bitte, dieser Mann ist eine Abscheulichkeit, eine Monstrosität wider
unserer Linie! Ich sah es mit eigenen Augen, die Flamme...
Kolejahn -
GENUG SAGE ICH! Ist es nicht genug, dass ihr wie Kinder aufeinander losgeht,
dass ihr nun auch noch einander beschuldigen wollt?!
Oldrich -
Aber werter Vater, er hat...
Kolejahn
schüttelte traurig den Kopf
Kolejahn -
Nein. Im Angesicht der heutigen Geschehnisse bist du unter Hausarrest, Oldrich,
bis ein geeignetes Urteil ob deiner Taten gefällt werden kann.
Oldrich
protestierte weithin und lautstark, doch die Gardisten machten keine Ausnahme,
als sie ihn, jüngsten der höchsten Blutlinie, in schweren Schellen abführten.
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Sein Vater hustete schwer, dick unter Decken eingegraben, an der Seite seine Leibdame, um ihn wahrlich warm zu halten. Jede Bewegung Kolejahns bereitete diesem Schwierigkeiten, ja Schmerzen. Es war offensichtlich, dass die Ereignisse des letzten Tages den König tief in Mitleidenschaft gezogen hatten, aber noch immer hielt ihn der eiserne Wille am Leben, wie schon in der Vergangenheit bewies er auch hier wieder seine Hartnäckigkeit. Trotz dessen war der kalte, ernste Blick, den Kolejahn seinem Sohn zuwarf etwas, das niederen Männern einen Schauer über den Rücken jagen würde.
Wenzlaf, nun
bandagiert und in neue Gewänder gekleidet, unnatürlich stehend ob seiner
Verletzung, ging beinah krumm, die Beine halb verschränkt, wie er an der Tür zu
den Gemächern seines Vaters wartete.
Kolejahn
winkte Wenzlaf zu sich, während Bedienstete und Leibgarde den Raum verließen,
um Vater und Sohn angemessenen Respekt zu zollen. Am Bett beugte sich Wenzlaf
vor, um seinen Vater besser zu hören, sein Blick vorsichtig über die Kommode
streifend, die an der Seite des Bettes stand, mit der halb vergangenen
kräftigenden Suppe,
Kolejahn -
Deinen eigenen Bruder...deine Familie!
Wenzlaf
grinste. Er wusste, dass sein Vater längst enthüllt haben musste, welche
Grausamkeit er vollbracht hatte.
Wenzlaf - Es
waren deine Worte, welche mich dazu veranlassten.
Ein schwerer
Hustenanfall schüttelte den dürren, alten Leib, als sich Kolejahn beinah
übergebend, vorbeugte, und Wenzlaf ihm die Schulter hielt, seinen Vater
aufrecht haltend. Dieser wiederum blickte ihm in die Augen, während Speichel
und Blut aus dem Hustenanfall bröckchenweise an Decken und Nachthemd klebten.
Kolejahn -
Du ...bist ... eine Viper ... an meiner Brust.
Wenzlaff
nickte, während er nebenher genüsslich das Gift in die Suppe tropfte, die
kleine Phiole einsteckte und dann die Schüssel mit derselben Hand zu seinem
Vater rüber reichte.
Wenzlaf -
Iss.
Kolejahn
schaute seinen Sohn an, ein Moment wie die Ewigkeit. Seine zittrige Hand nahm
den Teller offensichtlich bemüht, ihn von sich zu stoßen, als sein Sohn ihm an
die Hand griff, und mit Gewalt die Suppe auf dessen Mund und in den Rachen goss.
Kolejahn versuchte sich zu wehren, aber ihm fehlte die Kraft, hustend und
schluckend verdammt, die Suppe zu verdauen, von der selbst jetzt noch Reste mit
dem Teller auf dem Bett landeten, während sein Sohn ihm den Mund zuhielt, zum
Schlucken verdammte.
Er versuchte
zu schreien, den Mund weit genug zum Beißen aufzubekommen, aber der fahrige,
kaum hörbare Tön welcher heraus kam, war ein letzter Schlussnagel. Er konnte
spüren, wie das Gift durch seinen Körper jagte. Aufbäumend, die Arme in
unnatürlichen Winkeln verschränkt, die Luft zu schwer zum Atmen. Während ihm
Blut aus allen Körperöffnungen drängte, verließ Kolejahn sterbliche Sphären und
verging.
Wenzlaf
blickte auf den Körper hinunter, welcher einst seinem Vater gehörte, und der
nun nur noch eine kalt werdende Leiche von vielen sein würde. Der Anblick war
erbärmlich. Er würde diejenigen, welche es sehen, zu Tode erschrecken. Er
entschied sich, ihm nicht die letzte Würde zu gestatten, und schritt zum
Fenster. Das Licht des Sonnenuntergangs tauchte das Fenster in einen
unnatürlichen, gülden-roten Schein.
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