Die Treppe geht nur über eine halbe Etage. Diverse Türen, alle geschlossen. Büro. Büro. Büro….Notfalltreppe. Nur im Notfall benutzen. Das sieht gut aus. Ich denke, das ist ein Notfall. So eine Person wird mit der Zeit ganz schön schwer. Ugh.
Sieh an. Die
Fluchttür ist schon ein Spalt weit offen. Offensichtlich hat sich da schon
jemand durchgedrängt. Das lässt Gutes ahnen. Gegendrücken. Quietschen. Es kann
ja auch nichts heimlich, still und leise passieren, eh? Drücke mich hinein. Ein
enges Treppenhaus, das sich um eine kleine Achse windend nach oben schlängelt.
Frage mich, wo das rauskommt. Muss ja irgendwo im Erdgeschoß des Towers oben
sein.
Der Aufstieg ist
schmerzhaft. Fühlt sich länger an, als er wirklich sein muss. Zehn Stufen.
Zwanzig. Vierzig. Verfluchter Scheiß! Wie verfickt tief war der Club denn
bitteschön? Fuck!
Gefühlte
Ewigkeiten. Das obere Treppenende. Eine halb aufstehende Notfalltür. Ins Dunkel
gehendes natürliches Licht, das durch die offene Tür und Reflektion des Marmors
fällt. Erdgeschoß. Endlich. Ich drücke mich gegen die Seitenwand. Lasse sie
vorsichtig runter. Man kann hören, wie ihre Füße auf dem kalten Boden
aufkommen. Einatmen. Ausatmen. Ich bin so was von fertig. Mit allem. Der Welt.
Mit den Nerven. Ich brauch dringend mal eine Couch. Ein paar Wochen Urlaub.
Einen Whiskey. Fuck, ein Whiskey wäre jetzt super.
Wir atmen kurz durch.
Im Halbdunkel der Treppe. Eine sehr seltsame Situation, zugegeben. Sie senkt
sich nieder, fängt an, vorsichtig ihren rechten Fuß zu betasten, kleine
Schmerzenslaute von sich zu geben, als sie anfängt, hier und da kleinere
Splitter rauszuziehen. Horche nach unten. Keine Schritte. Niemand hinter uns?
Sind alle anderen schon vor uns hier raus? Oder haben sie alternative Wege
gefunden?
Sie spricht mich
an. Schüttle den Kopf. Gucke zu ihr. Scheinbar habe ich sie nicht einmal
wahrgenommen. Hat sie schon vorher was gesagt?
Zeichner –
Was?
Tatianna –
Huh? Wer sie eigentlich sind, will ich wissen?
Ich drücke mir
einen Finger ins Ohr und dreh kurz Staub, Schmutz und Schutt heraus. Kurzer
Klopfer. Wow, ich glaub ich hab verstopfte Ohren!
Zeichner – Pshhh!
Nicht so laut. Michael Zeichner. Privatdetektiv. Ich bin hier, um dich
rauszuholen. Unter anderem.
Tatianna – Unter anderem?
Zeichner – Mein Klient
will dich kennen lernen. Keine Sorge, nichts so schlimmes wie die da unten.
Hmm. Wobei, wenn
ich drüber nachdenke…Smetnik ist immerhin Rieés Neffe. Wer weiß, wie nah die
beiden sich dann am Ende sind.
Zeichner – Hör zu,
wir können später noch reden, wir müssen erst mal raus hier, okay?
Drücke mich an ihr
vorbei durch die Tür auf den Gang. Wir sind an der hinteren Seite des
Nebenganges rausgekommen. Quasi einmal durch das halbe Gebäude durch. Selbst
hier sind die Spuren der Verwüstung durch den Sturm greifbar. Teile der Fenster
sind zer- oder gesplittert, gebrochen oder einfach in Gänze eingedrückt. Ich
ziehe den Revolver aus der Innentasche. Jetzt ist es eh egal. Vor mir, den Seitengang
entlang, geht es zu den Fahrstühlen. Ich deute Tatianna, mir zu folgen.
Schleiche den Korridor entlang. Waffe immer im Anschlag.
An der Ecke herum,
erhalte ich wieder Einblick in den Fahrstuhl-Bereich und die Eingangslobby.
Irgendwo knallt es. Der Boden wackelt leicht. Uh-Oh. Ich glaube das Gebäude
wird durch die Probleme unten wie oben langsam instabil. Winke nach hinten.
Leichter Rauch dringt aus zwei Fahrstuhlschächten. Anscheinend hat das Feuer
inzwischen den gesamten Club erfasst. Wie passend mit all den
Höllenfeuer-Motiven.
Die Eingangstüren
sind aufgerissen und stehen offen, der Regen klatscht nur noch sanft auf den
Zwischenplatz des goldenen Dreiecks der Tower. Das TTCT-Taxi fehlt. Der Fahrer
hat sich verpisst? In einiger Entfernung kann ich Notfallfahrzeuge,
Rettungsdienste und Polizeiwagen sehen. Großeinsatz. Eine Kakophonie der
Geräusche im abklingenden Regen. Wie wild, ameisengleich fahren sie auf den
Straßen der Stadt umher, auf dem Weg zu diversen Unfallstellen. Drehe mich zu
ihr um, und drücke ihr mein Jackett in die Hand, winke noch einmal, dass sie
sich beeilen soll. Wir haben es fast geschafft. Sie zieht sich, wohl auch
angesichts des Wetters erst mal das Jackett über.
Es gibt Momente,
und Sätze, die man sofort bereut. Dinge, die man sich wünscht, niemals getan,
oder gesagt zu haben. Überschreite die Schwelle der Eingangstüren. Sanfter,
eisig-kalter Regen übernimmt sofort. Dröhnt auf meinen Leib hernieder. Prasselt
fortwährend, aber weitaus weniger schlimm, als man vermuten würde. Ein
befreiendes Gefühl. Ein lauter Knall von unten. Mit lautem Krachen quietscht
die Fahrstuhl-Tür im Zentrum auf, biegt sich einen Moment, und bricht dann mit
Krachen in den Schacht hinein. Lodernde Flammen lecken von unten herauf.
Polizeisirenen im Hintergrund. Ich kann Helikopter hören. Sirenen in der Ferne.
Ob welche näher kommen?
Schritte. Schreie
hinter mir. Wildes Gekeife. Kampfgeräusche. Drehe mich um. Erstarre. Wie der
strömende Regen, umfässt es mich kalt. Esther Rassila. Aus einer Tür stürzend,
ist sie, einer Furie gleich auf Tatianna los gegangen, hat sich auf sie
gestürzt. Ich ziele mit dem Revolver in ihre Richtung.
Zeichner – Lassen
sie Sie los.
Sie guckt auf.
Ihre Haare sind angesengt, ihre Kleidung offensichtlich ruiniert durch Blut und
verschiedene Schnitte. Ihr Blick schier vor Wahn strotzend. Sie ist auf Blut
aus. Fährt sich mit der Hand durchs Haar. Dies ist dieselbe Person, die vor so
einer schier endlosen Zeit damals in meinem Büro stand. Wie die Zeiten sich
ändern. Sie lacht auf. Ein erstickendes, beinah befreiend wirkendes Lachen.
Rassila – Sie
werden nicht schießen. Dafür haben sie überhaupt nicht den Mumm.
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