20140428

Fall 1 - XXX



Auf dem einzeln verteilten steinernen Platten, welche alle paar Meter im Rasen eingelassen sind, knirschen meine Füße bedenklich. Jeder Schritt außerhalb dieser Platten bedeutet auf dem Rasen zu gehen. Dem feuchten, nass-kalten Rasen, der halb unter Wasser gesetzt nicht in der Lage zu sein scheint, das längerem andauernde Nieselwetter in sich aufzunehmen und deswegen anfängt abzusaufen.



Ungefähr auf halber Strecke, noch brauche ich das Mobiltelefon-Licht nicht, kann ich links eine Parkeinbuchtung erkennen, die Überreste an Holz die aufgeschichtet am Straßenrand auf dem Grundstück liegen und vom Regen benetzt aller Dinge harren war wohl mal das Fahrzeugtor zur Straße hin.



Zur rechten kann ich einen kleinen Fußweg am Gebäuderand erkennen, der um die Seite herumgeht und an Teilen des Zauns entlang verschwindet. Einige wenige Meter vor mir steht der Briefkasten, an dem die Hausnummer an einer einzigen verbliebenen Schraube hängend schief steht.



Die dahinterliegende Holztreppe, durchsichtig durch die einzelnen Sprossen, durch die man die darunterliegende Hauswand erkennen kann, führt knapp einen halben Meter nach oben, bevor auf einem kleinen Außenplateau, neben zwei halbzerstörten Sitzbänken welche durch ein Loch in der Decke mit dem Regen in Berührung kommen, sich die Doppelflügelige Tür befindet, die bei jedem Windstoß wie ein Warnzeichen schief im Ton wackelt und quietscht.



Man bekommt ein mulmiges Gefühl hier, aber ich bin schon so durchnässt, dass mir in diesem Moment alles lieber ist, als weiterhin im Regen zu stehen. Und alleine von hier und durch die Beleuchtung der Industrierohre ein paar Meter vom Grundstücksrand entfernt kann man immerhin noch recht gut was erkennen, was mich dazu bringt, mutigen Schrittes die Treppe hochzueilen und einfach die Tür im Sturm nehmend durchzubrechen.



Die Treppe knarzt bedrohlich unter mir und ich muss zu einem kurzen Sprung ansetzen, als eine der mittleren Treppenstufen wegbricht. Ich knalle hart mit Geschwindigkeit gegen die Tür, welche mit mir aufflattert, und lande ein wenig tiefer im Gebäude auf irgendetwas Weicherem.



Muss den Kopf schütteln, wieder klar werden. Komme hoch, schaue mich um. Eine lange Eingangshalle, ausgelegt mit einem dicken dunkelroten Teppich, der nun von schwarzen Brandlöchern, Ruß und Asche gesäumt ist. Der hintere Teil der Halle scheint durch den Einsturz und diverse Dachbalken versperrt. Die Wände sind im inneren, wie es von außen schien, hauptsächlich holzverkleidet. 



Linkerhand ist ein Durchgang, aus dem die Tür schon vor einiger Zeit raus gebrochen wurde, während zu meiner rechten offenstehend eine Glastür mit zersplittertem Innenglas den Weg weißt. Ich kann umgeschmissene Tische und Stühle erkennen, sowie Teile eines zerfledderten Vorhanges, der wohl an der Seite aus einem zerbrochenem Fenster raushängt.



Zur Rechten steht, soweit ich das erkennen kann, eine größere Anzahl von Regalen. Voll und Aber voll mit Büchern. Nach ein paar Schritten befinde ich mich im rechten Raum, den ich Bibliothek getauft habe, auch wegen der Tatsache, dass es wohl die Bibliothek ist, wie mir, als ich hereintrete, eine Plakette am Türrahmen verrät.



Reich vertäfelt und geschmückt, sind Teile der Bücher nur noch Brandware gewesen und die recht tief ins Haus reichende Bibliothek ist zu einem Großteil ungefähr ab einer Distanz von knapp sieben Metern mit dem Obergeschoß kollidiert, von dem aus ein schweres  Doppelbett mitsamt diversem Mobiliar von oben herunter gekommen sind, soweit man unter den angebrannten und schwärzlichen Überresten von solchem sprechen kann. Ein kurzer Blick auf die Literatursammlung kann nicht schaden.



Die Regale, die ich erreichen kann, jeweils immer knapp etwas mehr als mannshoch, trotz eines Stauraums auf der obersten Ablage, sind angefüllt bis zum Bersten und scheinbar thematisch sortiert. Ich finde ein Regal zum Thema Geschichte, mit Werken die sicherlich einen interessanten Blick auf seinen Besitzer werfen wie "Die Geschichte der Folter und Hinrichtung" oder "Freiheit durch Schmerz - Ein Blick auf die Folter im Therapeutischen Sinne seit dem Mittelalter" stehen neben Weltgeschichtsbüchern und großen Wälzern über Hochkulturen der Vergangenheit. Begleitet wird diese Ansammlung von Regalen mit Büchern über Metallurgie im Schwesterregal und einigen anderen Seltsamkeiten, die mich doch etwas mehr verstören, als ich erwartet hätte. 



Wobei mich wohl am meisten verwundert, dass diese Sachen nach einem kürzlich erfolgten Brand noch hier so vorzufinden sind. Die Adresse stimmt jedoch, von daher muss Fouquier sich hier irgendwo ursprünglich eingerichtet haben. Unklugerweise kann ich durch den Oberen Durchbruch kaum einen Pfad in den hinteren Teil der Bibliothek finden und den Rest des Hauses, von daher muss ich sie erst mal so liegen lassen, wie ich sie hier vorfinde. Kann nur den Kopf über mich selbst schütteln. Der Mann ist weder ein Bond-Bösewicht noch ist das hier ein Film. Er wird wohl kaum ein geheimes Nazi-Labor im Keller haben. Obwohl?



Langsamen Schrittes komme ich zur anderen Seite des Korridors, nachdem ich die Bibliothek verlassen habe. Ein einsames, offenes Fenster, das Glas gebrochen an der gegenüberliegenden Seite, das von Fuß bis an die Kopfseite des Raumes geht, mitsamt dem hinaus wehenden Stück Stoff, das wohl mal ein Teil des Vorhangs war, illuminiert den Raum von außen. Wobei mir jetzt erst auffällt, dass es zu Blitzen und Donnern angefangen hat.



Der Raum wirkt nicht ansatzweise so groß wie die Bibliothek, erinnert aber durch den langgezogenen Tisch und die vielen umher geworfenen und halb-angeknacksten Stühle deutlich an ein Esszimmer.  In der Mitte liegt eine zerbrochene Deckenlampe, während der Wind bedrohlich durch das offene Fenster rein seufzt. Der gelegentliche Blitz erhellt die Umgebung im Bruchteil einer Sekunde enorm, zeigt mir aber gleichzeitig auch, dass von hier aus nur ein Durchgang durch eine Schiebetür mit Glaseinlass tiefer ins Haus hineinführt, ungefähr dort, wo in der Bibliothek an derselben Stelle der Durchbruch vom Obergeschoß ist. Wo hier wohl die Treppe ist?



Irgendetwas ist seltsam an diesem Zimmer. Ich stampfe mit dem Fuß ein, zweimal auf. Hmm. Gehe unruhig durch den Raum, muss dabei immer wieder herumliegendem Mobiliar ausweichen. Trete erneut auf. Es klingt so, als ob der Fußboden bei weitem nicht so dick wäre, wie er sein müsste, wenn unter dem Raum einfach nur der Boden oder die entsprechende Verstärkung wäre. Was ich mich natürlich frage ist, ob es sich bei dem, was ich hier höre um den Zwischenboden handelt, der bei manchen altmodisch gebauten Häusern noch so typisch ist, oder ob sich hier der Keller ankündigt, in dem der Mann sein Nazi-Labor. Mist. Also, in dem Fouquier seine seltsamen Spielchen gemacht hat. 



Es ist mir immer noch schleierhaft, was für seltsame Tätigkeiten der Mann vollbringen soll, dass seine Dienste für jemanden wie Matthews nützlich wären, aber er scheint ein wichtiges Glied in der Kette an Personen zu sein, welche die Mädchen liefern, wenn ich davon ausgehe, dass Matthews mit seiner Escort-Agentur dafür sorgt, dass sie an die reichen Klienten geleifert werden. Das wiederum könnte bedeuten, dass Fouquier hier irgendwo eine Art Trainingsstätte oder Folterkammer eingerichtet hat, um die eingeschmuggelten Menschen einerseits unterzubringen und andererseits ihren Willen zu brechen. Bitte keine Folterkammer. Alles, bloß keine Folterkammer, ich kann sowas schon in Horrorfilmen immer nicht ab, da muss ich sowas krankes nicht auch noch im wahren Leben haben.



Für den Fall dass es sich nicht um den Keller sondern einfach nur schlechtgemachten Fußboden oder vielleicht ein Geheimfach handelt, merke ich mir diese Tatsache definitiv, wobei ich mich natürlich frage, was mich hier drinnen noch so erwartet, ich meine, der Mann scheint ja gelebt zu haben wie die Made im Speck. Da fällt mir auf, irgendwie ist die Struktur des Feuers seltsam. Die Bereiche, die eingebrochen sind, scheinen sich ziemlich zentral zu befinden und von dort aus beginnend kreisrund auszugehen, so als ob jemand ungefähr aus der Mitte des Gebäudes aus ein Feuer gelegt hat. Sollte hier versucht werden, jemanden aus dem Weg zu räumen? Meine Hand legt sich auf die Schiebetür und mit etwas Anstrengung kann ich sie beiseite rollen. Ein protziger Kamin mit Eisengatter-Schutz und einigen Sesseln und einem Sofa drumherum drapieren einen eher kärglich eingerichteten Raum der. Mir verschlägt es den Atem.



Von der Seite anfangend, über den Kamin und bis hoch unter die Decke sind an der Wand Köpfe. Nun, Tierköpfe sicherlich nur, aber ausgestopfte Tierköpfe in einer Zahl, die einen fleißigen Jäger vermutlich neidisch machen würden. Das ganze wirkt extrem unheimlich. Wobei ich auch sagen muss, wenn die Sammlung von ihm selbst zusammengetragen wurde, Respekt, das schafft auch nicht jeder alle Tage. Praktisch kein Zentimeter der gelblich wirkenden Tapete, die stückweise die Vertäfelung bedeckt, ist unbenutzt um nicht irgendwo noch ein Tierkopf auf einem hölzernen Emblem unterzubringen.



Der schwere Ohrensessel, der zentral vor dem Kamin dabei dominiert, erinnert mich ein wenig in seiner Stellung, wie da alles hier irgendwie an das DeFoe Manor, aber das scheint eher zufällig zu sein. Zentral  geht zur linken Seite eine Doppelflügelige Tür heraus, oder sie würde es, wenn nicht Teile des Obergeschosses von ihr aus durch die Tür kommen und den Weg blockieren. Auf der anderen Seite hingegen ist ein offener Durchgang, der vielleicht in sowas wie ein Raucherzimmer oder etwas ähnliches führt? Wobei, auf dem Weg zu Esszimmer sollte eigentlich hier irgendwann mal die Küche kommen, oder?



Tatsache, auf der anderen Seite geht es in die Küche. Die hellen weißen Fliesen sind mit einem leichten Rußfilter belegt, wie so vieles um mich herum, so dass ich einerseits ohne Probleme meine Schritte zurückverfolgen kann, andererseits aber auch mit jedem Meter Staub und ähnliches aufwirbele, als gäbe es kein Morgen. Immerhin, die Küche wirkt einigermaßen unversehrt, wenngleich der eigentlich Wasserzugang durch die Rohre geöffnet wurde, wobei ich mich frage, welchen Zweck das gehabt haben könnte. Durch eine breite Fensterfront auf Brusthöhe kann ich hinter den Herd und Kochflächen, Gasherd wie archaisch, den Blick auf eine kleine Wiese erkennen. Im Donnerschein erhasche ich nur kurz die Sicht, dass sich dort draußen ein Steingebäude zu befinden scheint, ungefähr auf halber Strecke von der Wiese zum Haus. Durch eine einfache Gartentür und eine kleine steinerne Treppe betrete ich den hinteren Garten und kann im stetigen Nieselregen und neben ein paar ungepflegten Büschen über harten Erdboden und ungleich wachsendem Gras beim Näherkommen entdecken, dass es sich um eine Gruft handelt. 



Besser gesagt, auf einem Friedhof wäre es eine Gruft, oder etwas, das sich durch seine Aufmachung, Steinerenes Gebäude, kleines Steinernes Dach, massiv gebaut und mit einer schweren Tür mit seltsamen Symbolen die an Tod und Verderben erinnern, für eine Gruft ausgeben könnte. Es ist nicht besonders groß, aber als ich am Außenring ziehe, bewahrheitet sich, was ich schon beim herangehen vermutete. Verschlossen. Oder blockiert. Oder ich bin ein Hänfling der eine mehrere Zentimeter-dicke Steintür nicht aufbekommt. Immerhin, durch das große überragende Dache habe ich einen wunderbaren Rückenblick auf das Haus selbst und hier noch besser als vorher offenbart sich, wie schwer die Verwüstungen gewesen sein müssen. Fast die gesamte Seite zu meiner linken, also die rechte Seite des Hauses ist eingebrochen, als ob die Tragestützen einfach weggenommen wurden, während überall die Spuren eines Feuers existieren, ohne dass es sich großartig ausgebreitet hat. Ich meine, hat man schon mal von einem geplanten...ohhh, ein Feuer, das einem genau festgelegten Weg folgen kann, natürlich geht das. Das ich da nicht schon vorher drauf gekommen bin. 



Zu dumm nur, dass ich von hier aus einen guten Blick auf den Zwischenboden von Boden und Haus habe. Entweder ist der Keller für mich blockiert weil er unter Schutt begraben ist, oder der Boden ist derart uneben, dass man tatsächlich eine Erhöhung gebaut hat und das Haus wirkt nur so uneben, wegen des fürchterlichen Untergrundes. Was wiederum bedeuten könnte, dass es keinen Keller gibt. Oder eben dass er unzugänglich ist. 



Aber irgendwo muss doch hier ein Weg zu finden sein, etwas, das darauf hindeutet, wo er seine eigentlichen Arbeiten verrichtet hat? Sollte ich Ibrahim einfach so, für nichts geopfert haben? Ich meine, bitte nicht in der Familiengruft, das wäre echt seltsam.



Im langsamen Nieselregen, der schon seit Minuten an Kraft verloren hat, zünde ich mir eine Zigarette an. Ein tiefer Zug, und die Welt sieht gleich viel besser aus. Irgendwann demnächst müsste die Sonne aufgehen. Wenn die Wolkendecke nicht wäre, natürlich. Wobei ich bei dem Wetter schon immer Angst vor einem Splittersturm hätte, aber gut, das ist seit Jahren nicht mehr vorgekommen.



Erneutes Donnern. Ich stehe inmitten der Wiese und betrachte das Chaos vor mir. Endlos viele Fäden, diverse Parteien. Und ich habe das Gefühl, wie eine Maus ewig durch das Labyrinth zu rennen, nur um am Ende einen Stromstoß anstatt von Käse zu bekommen. 



Was war das?



Ich bin mir sicher, dass ich etwas gehört habe. Es klang bizarr genug, dass es in dieser Umgebung auffallen musste, also kann es nur etwas von menschlicher Quelle sein. Eine Stimme?



Da!



Schonwieder. Ein Aufkeuchen. Subtil, erschöpfend, genau am Rande der Wahrnehmung. Es muss von irgendwo hier kommen. Ich bücke mich, kreuche über den Fußboden. Selbst bei dieser Nässe muss jeder Zentimeter untersucht werden, wenn ich den Ursprung finden will. Ich habe eine Vermutung, vielleicht sogar eine Ahnung, aber ich bin mir noch nicht hundertprozentig sicher. Als ich die Sträucher am Rande der Wiese, einige Meter weiter erreiche, wird es zur Gewissheit. 



Ein Heizungsrohr, ungefähr Fingerdick, inmitten der Sträucher verborgen, das aus dem Erdreich herausguckt.



Der Mistkerl hat alles unter dem Anwesen direkt verborgen. Moment. Irgendetwas knarzt laut. Vorsichtig krieche ich näher an den Busch und verberge mich, alle Sinne auf die Umgebung gerichtet.

20140425

Fall 1 - XXIX

Als wir die nächste Straßenbiegung nehmen, quietschen die Reifen des Taxis bedrohlich auf. Wir haben vielleicht eine Minute Vorsprung. Ibrahim gibt dabei schon so gut er kann Gas, muss aber damit kämpfen, dass er in einer unvertrauten Umgebung fährt.

Wir haben vielleicht einen Vorsprung von weniger als einer Minute. Mein Blick wandert nach hinten. Immer, wenn ich gerade hoffe, dass wir sie hinter uns gelassen haben könnten, kommt ein neuer Wagen um die Ecke, gefolgt von einigen anderen. Sie werden nicht locker lassen, bis sie uns kriegen. Anscheinend habe ich mit der Visitenkarte und der Kneipe genau ins Wespennest gestochen, anders kann ich mir die Reaktion der Einheimischen nicht erklären.

Wir haben einen geraden Streckenteil erreicht, der Motor heult auf, als Ibrahim mit einem Mal voll in die Eisen treten muss. Eine Gruppe von nachtwandelnden Jugendlichen hat sich, mit diversen Alkoholika an der Seite durch die Nacht ziehend in unserem Weg wieder gefunden. Ich kann nur froh sein, dass ich mich gerade noch so festhalten konnte und wir rechtzeitig bremsen konnten, ansonsten wären die meisten der Jugendlichen jetzt eher ein Fettfleck auf der ohnehin nicht ganz sauberen Frontscheibe des Taxis. Hinter uns kann ich die Scheinwerfer sehen, Ibrahim hupt derweil wie wild gegen die Jugendlichen in der Hoffnung, dass sie endlich die Straße freimachen.

Ibrahim – Scheissendreck! Penner!

Einer der Jugendlichen Rabauken haut mit beiden Fäusten auf die Motorhaube und ein paar der anderen, scheinbar angestachelt beginnen sich wieder in den Weg zu stellen. Hinter uns kann ich die Lichter kommen sehen.

Zeichner - Ibrahim! Uns läuft die Zeit davon, fahr einfach!

Er wirft mir einen Blick zu. Ich weiß genau was er denkt. Im nächsten Moment kreischen die Reifen auf, als er von einem Moment auf den nächsten Gas gibt. Es verbleibt kaum Zeit  und dem Anführer der Jugendlichen scheint im Alkoholrausch die Gefahr nicht bewusst zu sein, als er seitlich vom Taxi gestreift wird, da er nicht Platz macht. Es knallt dabei nur kurz und eigentlich gar nicht so laut auf, aber ich kann das Geschreie hinter uns hören, als wir weiter brettern. Einen Vorteil hat das ganze, denn ich kann sehen wie ein paar der Autos anfangen bei den Jugendlichen anzuhalten. Als ich den Blick nach vorne richte, sehe ich, wie wir uns in einiger Entfernung der Stadtgrenze nähern.

Zeichner - Schmeiß mich da vorne raus und dann fahr bis du zurück in der Stadt bist!

Er wirft mir einen wilden Blick zu.

Ibrahim - Tscheissndreck! Bist verrückt geworden?

Ich drücke ihm sanft die Schulter, eine Hand ist schon an die Pistole gelegt, während ich mich bereit mache, mich aus dem fahrenden Wagen fallen zu lassen.

Zeichner - Vertrau mir. Ich weiß was ich tue

Nicht, dass das wirklich der Fall wäre, aber es kommt vermutlich besser, wenn er das in diesem Moment glaubt, weil mir das erlauben könnte, weiterzumachen. Auch, obwohl das bedeutet, ihn als Lockvogel für unsere Verfolger zu benutzen.

Als wir die Kreuzung erreichen und ich zur Seite die kleine Abzweigung zum Industriebereich erkenne, reiße ich die Seitentür auf und werfe mich heraus. Ich kann nicht anders, als zu versuchen, mich so sehr es geht zu einem Ball zusammenrollen, während ich Fahrtwind spüre.

Es sind diese seltsamen Momente, die einem immer wie Ewigkeiten erscheinen, bis sie dann endlich vorbei sind. Unsanft pralle ich auf dem harten Boden auf. Staub und Geröll reißen hart an mir, fetzen in meinen Trenchcoat und anscheinend bin ich auf dem Weg hinunter auch in irgendeinen großen Strauch gekommen, denn um mich herum sind unzählige kleine spitze Dornen, die mir beim durchrollen die Haut aufreißen.

Orientierungslos. Ich kann meine Position nicht bestimmen. Wie weit bin ich geflogen und gerollt? Kann man mich von der Fahrbahn aus sehen? Um mich herum ist ein größerer Strauch, also ist zu mindestens das unwahrscheinlich. Es ist, als ob ich Watte in den Ohren habe. In der Entfernung kann ich das Rollen von Reifen und eine Fahrzeugkolonne hören. Ist Ibrahim schon außer Sichtweite? Kann er entkommen oder habe ich einen alten Mann für meinen Plan geopfert?

Ein paar Autos jagen dahin. Ich kann es nicht genau ausmachen, während meine Sicht einigermaßen klar wird, da ich erneut fest stelle, dass ich immer noch keine Nachtsicht entwickelt habe. Die Dornen des Buches kratzen an mir. Jede Bewegung wird zu einer Zerreißprobe darin, nicht erneut irgendwas aufreißen zu lassen.

Nicht einmal die Sterne sind am Himmel zu erblicken, da der stetige Nieselregen die Sicht unmöglich macht. Es ist finster. Dunkler als ich gedacht hätte. Kann mich in diesem Moment nur an den vereinzelt auftauchenden Scheinwerfern orientieren. Inzwischen bin ich soweit auf alle viere gekommen und fange an zu kriechen.

Im langsamsten Tempo, inzwischen mit der entsicherten Waffe in der Hand, robbe ich jetzt über den Boden. Ein paar einzelne Sträucher am Straßenrand, ich muss offensichtlich das große Glück gepachtet haben, den einzigen Dornenbusch hier erwischt zu haben.

In einiger Entfernung bleibt ein Wagen stehen. Ein Pick-Up. Mindestens drei Personen, eine verbleibt im Wagen, die anderen beide, anscheinend mit Jagdgewehren oder Schrotflinten in den Händen, steigen aus und machen ein paar Schritte Richtung der Kreuzung. Auf die Entfernung kann ich sie nicht gut verstehen, aber sie brabbeln sich irgendwas in den Bart. Ich versuche still zu liegen, in der Hoffnung nicht auch noch irgendwie auf mich aufmerksam zu machen. Aber wenn ich näher rangehe, kann ich vielleicht verstehen, was sie sagen. Ein paar Meter wären vermutlich schon nicht schlecht. Langsam mache ich mich vorwärts, gewinne ein paar Zentimeter, dann ein paar Meter.

Dann höre ich das Rasseln. Moment. Rasseln. Babyrassel? Nope. Mist. Schlange. Ich kann sowohl sehen wie die beiden Herren ihre Waffen umklammern als auch, dass sich vor mir aus einem der über die Böschung verstreuten Sträucher eine Schlange in meine Richtung erhebt. Es ist schwierig, die Umrisse vollkommen auszumachen und sie ist definitiv nicht sehr groß aber ich will verflucht sein, wenn das nicht gerade ein ungünstiger Zeitpunkt ist. Es ist auch zu mindestens eine dicke Schlange, aber die Tatsache, dass ich in der Dunkelheit nun gerade wirklich Garnichts gegen sie machen kann, wenn ich meine Position nicht verraten will. 

Stopp. Schlange. Rasseln. Klapperschlange. Ich habe in den Tierdokus und dem Schulunterricht vielleicht nicht immer aufgepasst, aber der Biss einer Klapperschlange kann tödlich sein. 

Sie rasselt erneut, vermutlich mit dem hinteren Schwanzende. Schweiß läuft mir in Strömen über den Kopf und in die Augen, die daraufhin zu brennen anfangen während ich meinen Atem flach zu halten versuche und keinerlei aggressive Bewegung machen will. Am besten gar keine Bewegung. Ein schönes vom Regen in die Traufe.

Es dauert einen Moment, bis sie sich anfängt zu bewegen. Wie ein Kaugummi, dem man dabei zuguckt, wie es sich für diesen Augenblick vor dem Zerreißen dehnt, so wirkt es, als sie sich in meine ungefähre Richtung macht. Ich kann es spüren, wie sie sich an meinem Kopf vorbei auf meinen Rücken schlängelt und dort für einen Herzschlag verweilt. Wenn mir das hier nicht ein paar graue Haare einbringt, weiß ich auch nicht, was.

Das Gewicht auf meinem Rücken wird leichter. Kann ich es schon wagen mich zu bewegen? Meine Glieder fangen an zu schmerzen. Immerhin, die Furcht scheint eventuelle Schmerzen zurück zu halten.

Derweil kann ich sehen, wie die zwei an der Kreuzung den Pfad Richtung Industrieanlagen abschreiten und dann dort etwas aufblinken sehen. Ein Notfallsäule! Na schau mal einer an. Ich kann sehen, wie einer von ihnen die Schutzklappe öffnet und einen Telefonhörer rausnimmt. Jetzt sind sie ja noch weiter weg. Er spricht irgendwas in den Hörer hiein und klappt es wieder zu. Dann gucken sie sich an und gehen zum Pick-Up zurück, wo der dritte Mann den Motor anlässt. Sie steigen ein und drehen kurz, um dann wieder Richtung White Springs zu fahren. Kaum zu glauben, aber meine Chance ist gekommen. Ich bin mir unsicher, ob die Schlange noch da ist. Ich muss es riskieren. Ich stehe langsam und auf jede Bewegung bedacht auf. 

Im nächsten Augenblicken sprinte ich hinüber und stehe an der Kreuzung. Mein Herz pocht mir gerade bis zum Halse. Puhh. Vor mir öffnet sich der Weg Richtung Industrieanlagen. Irgendwo in einigen hundert Metern befindet sich also die Hausruine Fouquiers. 

Meine Erinnerung geht weit zurück. Ich bin mir sicher, schon erzählt bekommen zu haben, wie das Wandern in einer feuchten Nacht bei stetigem Nieselregen sich auf die Gemütslage in einer halbtrockenen Umgebung auf einen auswirkt, während man die eigene Hand vor Augen fast nicht sehen kann. Hätte mir jemand erzählt, dass ich das mal machen würde, ich hätte ihn zu mindestens nicht ausgelacht, aber sicherlich für verrückt erklärt.

Der Weg ist die Hölle. Wobei selbst mir beim Latschen auffällt, dass ich mich eindeutig zu oft beschwere.

Ein kurzer Blick auf das Telefon verrät mir, dass es kurz vor 4h morgens ist, als ich einen beginnenden Zaunabschnitt und diverse größere Industrierohre passiere. Die stetige Beleuchtung der großen Anlagen hinter ihren Sicherheitszäunen und Kamera-gestützten Drohnenüberwachung macht die aber immerhin Sicht deutlich besser.

Ich kann etwa eine halbe Meile vor mir ein Haus erkennen. Es ist im Halbschatten einer Zaunbeleuchtung, einem großen Scheinwerfer der wohl die Umgebung beleuchten soll, und auf der gegenüberliegenden Seite eines mehr schlecht als rechten Weges beginnt die Grundstücksgrenze mit einer Eingrenzung in einem halbverfallenen Bretterzaun.

Das Gebäude, zu dem von außen die dran stehenden Adresse, eine große bronzene Eins an einem ehemals weißen Briefkasten gehämmert, passt, ist in der Tat niedergebrannt. Aber nicht vollkommen. Das Grundstück selbst ist groß, das Gebäude hat schon fast die Ausmaße eines kleines Herrenhauses, wie man es sonst eher in der Stadt gewohnt wäre, mindestens acht Fenster auf jeder Seite neben der Eingangstür, die doppelflügelig in den Angeln hängt. Soweit es im eher schlechten Licht erkennbar ist, scheint das Gebäude tatsächlich einem Brand anheimgefallen zu sein, aber der Brand hat entweder nur das obere Stockwerk erfolgreich erfasst, oder wurde rechtzeitig gestoppt, denn neben einigen Bereichen im Erdgeschoss scheint nur das Obergeschoss völlig demoliert und in großen Bereichen hinunter gestürzt zu sein. 

Andererseits erklärt das natürlich auch den Kommentar des Barkeepers, unabhängig davon, wie viel Wert man dem beimessen will. Ob diese Leute in irgend einer Weise mit zusammen drin stecken? Aber sind sie Teil einer konkurrierenden Fraktion oder Mitglieder der Truppe um den Herrn Attaché und um Matthews?

Das Zaun-Tor ist völlig zertrümmert neben dem Einfang zu finden und der Garten wirk überwuchert. Trotz allem scheint eine Garage an der Seite frei gehalten worden zu sein. Das Gebäude selber grinst mich an wie ein Totenschädel in der Nacht. Es hat etwas Unheimliches. Die Pistole vor mich in der rechten, das Mobiltelefon als Taschenlampe in der Linken, bewegen sich meine Füße wie von selbst durch das Tor und Richtung der großen Eingangstreppe.

20140422

Fall 1 - XXVIII

Ibrahim bremst kurz, dann rollt der Wagen langsam zur Straßenseite. Immer noch nicht breit genug, dass ein anderes Auto daneben passen würde. Hinter uns beleuchtet ein loderndes Feuer die Klippen. Er guckt mich an. Ich schaue stumm zurück, öffne die Seitentür, steige aus. Schaue mich um.

Keine anderen Fahrzeuge in Sichtweite. Der leichte Nieselregen spült unbeirrt von den Ereignissen alles langsam die Klippen herunter. Es wird Stunden dauern, bis das Fahrzeug ausgebrannt ist, und der Regen hilft nicht dabei, das Feuer zu löschen. Es ist wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Vermutlich ist es dem Wetter zu verschulden, dass heute hier nichts los, bei rutschiger Straße hier ein Rennen auf Zeit zu fahren wäre lebensmüde. Ich lehne mich vorsichtig an die steinerne Brüstung, die den Straßenrand vom Abgrund trennt. Selbst mit dem Feuer kann ich nicht erkennen, ob irgendjemand überlebt hat. Gleichzeitig verleihen die flackernden Flammen der Umgebung ein unwirkliches Rot. Ein ungutes Zeichen für meinen Weg nach Norden.

Als ich mich umdrehe, knallt es laut. Über meine Schulter kann ich sehen, wie weitere Teile des Wagens von Explosionen geschüttelt werden, die dafür sorgen, dass das Wrack gänzlich in der Tiefe verschwindet. Das war dann wohl der Benzin-Tank. Ich steige wieder ein. Nicke Ibrahim zu, der lässt den Motor aufheulen und beginnt, weiter zu fahren. Als er das Radio wieder anmacht, sage ich kein Wort dazu. Er schaut kurz zu mir, aber im Moment ist mir nicht danach, über seine Stationswahl zu meckern.

Der Empfang ist schlecht, selbst durch den leichten Nieselregen.

Irgendwann passieren wir schließlich den Straßenabschnitt und kommen wieder auf einigermaßen gemachtes Land. Man kann die Lichter in der Entfernung sehen, welche White Springs ausmachen. Wir fahren an einer halbbeleuchteten Plakatwand vorbei, von der jemand die Hälfte abgerissen hat, dass jetzt nur noch ""White" zu lesen ist, weil der Rest irgendwo im Winde umherflattert. Selbst die seitliche Beleuchtung der Plakatwand scheint defekt. Irgendwo am Rande der Dunkelheit kann ich die Lichter der großen Industrieanalagen sehen, deren Einfluss sich auch bis hier ausgebreitet hat.

Wir fahren an den ersten Häusern vorbei. Einfache Gebäude. White Springs ist ein typisches Küstenstädtchen, eigentlich etwas verschlafen, mit einem kleinen Fischereihafen mitsamt einigen wenigen Booten von örtlichen Fischern. Hier gibt es eigentlich nichts zu sehen, außer vielleicht mal ab und zu den einen oder anderen ausgestopften Prachtfisch über der Tür. Nur vereinzelt ist die Straßenbeleuchtung überhaupt an und Ibrahim hat schon bei unserer Einfahrt in die Siedlung seine Geschwindigkeit drastisch reduzieren müssen. Die Straßen sind leer, aber nicht vollkommen tot. Hier und da kann man ein paar Menschen sehen, die sich in den Gassen und Seitenwegen bewegen, aber jedweden Kontakt mit den Taxi-Scheinwerfern vermeiden. 

Ein Stückchen voraus kann ich eine Kneipenbeleuchtung erkennen. Ich tippe Ibrahim auf die Schulter.

Ibrahim - Eh?

Zeichner - Wir können dort nach dem Weg fragen.

Er winkt ab

Ibrahim - Ehh, nicht wichtig, ich kennen Weg!

Zeichner - Und wo ist die Adresse?

Er wedelt mit der Hand herum, um die gesamte Siedlung einzufassen.

Ibrahim - Ist irgendwo...hier.

Ich kann nicht anders als zu grinsen.

Zeichner - Schon ok. Halte da vorne und ich frag eben nach.

Ibrahim - Du bist Boss.

Wir kommen neben ein paar anderen Autos und einem Motorrad zum stehen. Eine einsame flackernde Lampe beleuchtet den Eingang über eine kleine Holztreppe zu einer erhöhten Plattform, von der aus man die Eingangstür erreichen kann. Die Treppe, deren Geländer in weiß gestrichen ist, hat wohl schon länger mit abbröckelnder Farbe und Abnutzungserscheinungen zu kämpfen, da manche der Stufen nicht mehr so gut aussehen, wie sie es vielleicht sollten. Auch die hölzerne Außenwand, in einem dunklen Rotton scheint sich schon seit längerem von der Verkleidung lösen zu wollen.

Zeichner - Bin gleich wieder.

Ich steige aus, und mache mich dran, den Weg die Treppe hoch. Dabei fällt mir auf, dass ich gar nicht auf die Uhr geschaut habe. Naja, einfach mal gucken ob der Schuppen noch auf hat. Als ich auf den obersten Stufen, welche bedenklich knarzen, ankomme, kann ich von drinnen durchaus laute Geräusche hören. Ich trete an die Tür, ziehe sie mit einem kräftigen Ruck auf und trete herein.

Mir schlägt eine Welle warmer, rauchgeschwängerter Luft entgegen, die sich so vollkommen anders als die Küstenbrise im Regen von draußen anfühlt. Als ich hereinkomme, verstummt für einen kurzen Moment die gesamte Schar und nur ein an der Decke hängender Fernseher brabbelt weiter vor sich hin. Hinter mir fällt die Tür zu. Der Raum ist groß, zentral beherrscht von einer Rundkneipe, an der ein raubeiniger Typ steht, der in Lederweste und fast-weißem Unterhemd ein Geschirrtuch über die Schulter geschlagen hat und sich erst mal einen Finger durch Nase und Vollbart zieht, als er mich sieht. Der restliche Raum hat diverse Rundtische, an denen ein paar Gäste zu sitzen scheinen mit jeweils vier Tischen. An den meisten Tischen steht eine Stattliche Anzahl von Gläsern. Der Laden ist nicht wirklich voll, aber eine Stammbelegschaft ist mindestens anwesend.

Ich schaue mich etwas um, aber ich kann kein Gesicht erblicken, das mir bekannt vorkommt. Als ich die ersten Schritte Richtung Bar mache, nehmen die verteilt sitzenden Anwesenden ihre Gespräche wieder auf, wenngleich deutlich leiser als vorher. Mir schlägt eine klare Welle der Ablehnung entgegen. An der Theke angekommen, zücke ich die Visitenkarte, spiele ein wenig damit in den Händen herum, damit ich nicht allzu nervös wirke. Der Barkeeper guckt mich mit einem Ausdruck irgendwo zwischen Mitleid, Belustigung und Abscheu an.

Barkeeper - Was darf’s sein?

Ich schaue mir die deutlich gewachsene Sammlung an Spirituosen hinter ihm an. Hat er...ja. Hat er.

Zeichner - Scotch.

Er rümpft die Nase, ob über meine Wahl oder etwas anderes vermag ich nicht zu sagen, greift zum Whiskey und gießt mir ein paar Finger voll ein. Dann schiebt er mir das Glas rüber. Ich nehme es betont langsam hoch und gucke ihn an.

Barkeeper - Sonst noch was?

Ich nehme einen tiefen Schluck, lasse das Getränk langsam meinen Mund entlang und meinen Hals hinunterlaufen. Spuren des tiefen Aromas, verbleiben nur für den Hauch einer Sekunde, brennen sich wie Flammen durch meinen Körper. Das Glas ist schneller leer als mir lieb ist. Ich reiche ihm die Visitenkarte, stelle das Glas wieder hin, schieb es zu ihm zurück.

Zeichner - Ich will zu der darauf bezeichneten Adresse. Wo finde ich das?

Er nimmt die Karte entgegen, starrt kurz drauf. Ich bin mir sicher, dass seine Brauen für einen Moment zucken. Er verbindet etwas mit der Adresse oder dem Namen, aber was, kann ich noch nicht bestimmt sagen.

Barkeeper - Da kommen sie zu spät.

Jetzt ist es an mir, eine Augenbraue hoch zu ziehen.

Zeichner - Wieso?

Er gibt mir die Visitenkarte zurück, nimmt das Glas und füllt es gemächlich.

Barkeeper - Das Haus ist vor einigen Tagen abgebrannt. Keiner weiß, wo der Fettsack abgeblieben ist, aber der Sheriff vermutet, dass er unter den Trümmern begraben ist.

Ich bekomme ein ungutes Gefühl in der Magengegend, aber ich kann es nicht genau festmachen. Er scheint nicht direkt zu lügen, aber er sagt mir auch nicht alles, was ich wissen will.

Zeichner - Wie kam es zum Brand?

Barkeeper - Gasrohrexplosion. Es hat mitten in der Nacht laut geknallt und Teile sind durch die gesamte Umgebung geflogen.

Zeichner - Hmm. Können sie mir trotzdem sagen, wo ich die Ruine finden kann?

Barkeeper - Kommen sie aus der Stadt?

Zeichner - Jep.

Barkeeper - Dann sind sie fast dran vorbeigefahren. Richtung Süden müssen sie ca. eine halbe Meile auf dem Feldwege fahren Richtung Industriegebiet. Sie können es inzwischen nicht mehr übersehen, seitdem es eine Ruine ist.

Er reicht mir die Visitenkarte unter dem Glas zurück. Ich nehme beides. Mir fällt auf, dass während unseres Gesprächs ein paar Augen der umliegenden Gäste auf uns gerichtet waren. Ich trinke schnell, viel zu schnell, als dass es diesem feinen Getränk gerecht wird, knalle da Glas auf den Tisch und schmeiße ihm ein paar halb geknüllte Banknoten hin. 

Zeichner - Sollte reichen.

Als ich aufstehe scheinen ein paar von ihnen sehr interessiert daran zu sein, mich nicht einfach so gehen zu lassen, aber es macht keiner Anstalten, mich wirklich aufzuhalten. Ich erreiche ungehindert die Tür, während ein paar Stühle hinter mir unter schwerem Geschabe hochgeschoben werden, damit jemand aufstehen kann. Ich trete heraus und mache mich schnell die Treppe runter. Auf dem Parkplatz kann ich Ibrahim sehen, wie er mit heruntergezogener Mütze ein Nickerchen zu halten scheint. Schnell renne ich die Treppenstufen herunter und breche mir fast den Hals, als eine davon nachgeben will, als mein Fuß Druck ausübt. Im rechten Moment gefangen, knalle ich aufgrund meiner zu hohen Geschwindigkeit gegen das Taxi, reiße unter kleinen Schmerzen die Tür auf und rüttle an ihm.

Zeichner - Wir müssen los!

Ich kann oben sehen, wie die Tür aufgerissen wird und eine Gruppe von Männern sich nach draußen macht, während der verdatterte Ibrahim den Wagen startet. Er fährt los, während sie noch die Treppe hinunter stürzen. Hinter uns sehe ich wie sieh zu ihren Fahrzeugen stürzen, während wir Gas geben. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit braust das Taxi durch den Ort, während ich Ibrahim beschreibe, wo wir als nächstes hinfahren.