Ibrahim
bremst kurz, dann rollt der Wagen langsam zur Straßenseite. Immer noch nicht
breit genug, dass ein anderes Auto daneben passen würde. Hinter uns beleuchtet
ein loderndes Feuer die Klippen. Er guckt mich an. Ich schaue stumm zurück,
öffne die Seitentür, steige aus. Schaue mich um.
Keine
anderen Fahrzeuge in Sichtweite. Der leichte Nieselregen spült unbeirrt von den
Ereignissen alles langsam die Klippen herunter. Es wird Stunden dauern, bis das
Fahrzeug ausgebrannt ist, und der Regen hilft nicht dabei, das Feuer zu
löschen. Es ist wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Vermutlich
ist es dem Wetter zu verschulden, dass heute hier nichts los, bei rutschiger
Straße hier ein Rennen auf Zeit zu fahren wäre lebensmüde. Ich lehne mich
vorsichtig an die steinerne Brüstung, die den Straßenrand vom Abgrund trennt.
Selbst mit dem Feuer kann ich nicht erkennen, ob irgendjemand überlebt hat.
Gleichzeitig verleihen die flackernden Flammen der Umgebung ein unwirkliches
Rot. Ein ungutes Zeichen für meinen Weg nach Norden.
Als
ich mich umdrehe, knallt es laut. Über meine Schulter kann ich sehen, wie
weitere Teile des Wagens von Explosionen geschüttelt werden, die dafür sorgen,
dass das Wrack gänzlich in der Tiefe verschwindet. Das war dann wohl der
Benzin-Tank. Ich steige wieder ein. Nicke Ibrahim zu, der lässt den Motor
aufheulen und beginnt, weiter zu fahren. Als er das Radio wieder anmacht, sage
ich kein Wort dazu. Er schaut kurz zu mir, aber im Moment ist mir nicht danach,
über seine Stationswahl zu meckern.
Der
Empfang ist schlecht, selbst durch den leichten Nieselregen.
Irgendwann
passieren wir schließlich den Straßenabschnitt und kommen wieder auf
einigermaßen gemachtes Land. Man kann die Lichter in der Entfernung sehen,
welche White Springs ausmachen. Wir fahren an einer halbbeleuchteten Plakatwand
vorbei, von der jemand die Hälfte abgerissen hat, dass jetzt nur noch
""White" zu lesen ist, weil der Rest irgendwo im Winde
umherflattert. Selbst die seitliche Beleuchtung der Plakatwand scheint defekt.
Irgendwo am Rande der Dunkelheit kann ich die Lichter der großen
Industrieanalagen sehen, deren Einfluss sich auch bis hier ausgebreitet hat.
Wir
fahren an den ersten Häusern vorbei. Einfache Gebäude. White Springs ist ein
typisches Küstenstädtchen, eigentlich etwas verschlafen, mit einem kleinen
Fischereihafen mitsamt einigen wenigen Booten von örtlichen Fischern. Hier gibt
es eigentlich nichts zu sehen, außer vielleicht mal ab und zu den einen oder
anderen ausgestopften Prachtfisch über der Tür. Nur vereinzelt ist die
Straßenbeleuchtung überhaupt an und Ibrahim hat schon bei unserer Einfahrt in
die Siedlung seine Geschwindigkeit drastisch reduzieren müssen. Die Straßen
sind leer, aber nicht vollkommen tot. Hier und da kann man ein paar Menschen
sehen, die sich in den Gassen und Seitenwegen bewegen, aber jedweden Kontakt
mit den Taxi-Scheinwerfern vermeiden.
Ein
Stückchen voraus kann ich eine Kneipenbeleuchtung erkennen. Ich tippe Ibrahim
auf die Schulter.
Ibrahim
- Eh?
Zeichner
- Wir können dort nach dem Weg fragen.
Er
winkt ab
Ibrahim
- Ehh, nicht wichtig, ich kennen Weg!
Zeichner
- Und wo ist die Adresse?
Er
wedelt mit der Hand herum, um die gesamte Siedlung einzufassen.
Ibrahim
- Ist irgendwo...hier.
Ich
kann nicht anders als zu grinsen.
Zeichner
- Schon ok. Halte da vorne und ich frag eben nach.
Ibrahim
- Du bist Boss.
Wir
kommen neben ein paar anderen Autos und einem Motorrad zum stehen. Eine einsame
flackernde Lampe beleuchtet den Eingang über eine kleine Holztreppe zu einer
erhöhten Plattform, von der aus man die Eingangstür erreichen kann. Die Treppe,
deren Geländer in weiß gestrichen ist, hat wohl schon länger mit abbröckelnder
Farbe und Abnutzungserscheinungen zu kämpfen, da manche der Stufen nicht mehr
so gut aussehen, wie sie es vielleicht sollten. Auch die hölzerne Außenwand, in
einem dunklen Rotton scheint sich schon seit längerem von der Verkleidung lösen
zu wollen.
Zeichner
- Bin gleich wieder.
Ich
steige aus, und mache mich dran, den Weg die Treppe hoch. Dabei fällt mir auf,
dass ich gar nicht auf die Uhr geschaut habe. Naja, einfach mal gucken ob der
Schuppen noch auf hat. Als ich auf den obersten Stufen, welche bedenklich
knarzen, ankomme, kann ich von drinnen durchaus laute Geräusche hören. Ich
trete an die Tür, ziehe sie mit einem kräftigen Ruck auf und trete herein.
Mir
schlägt eine Welle warmer, rauchgeschwängerter Luft entgegen, die sich so
vollkommen anders als die Küstenbrise im Regen von draußen anfühlt. Als ich
hereinkomme, verstummt für einen kurzen Moment die gesamte Schar und nur ein an
der Decke hängender Fernseher brabbelt weiter vor sich hin. Hinter mir fällt
die Tür zu. Der Raum ist groß, zentral beherrscht von einer Rundkneipe, an der
ein raubeiniger Typ steht, der in Lederweste und fast-weißem Unterhemd ein
Geschirrtuch über die Schulter geschlagen hat und sich erst mal einen Finger
durch Nase und Vollbart zieht, als er mich sieht. Der restliche Raum hat
diverse Rundtische, an denen ein paar Gäste zu sitzen scheinen mit jeweils vier
Tischen. An den meisten Tischen steht eine Stattliche Anzahl von Gläsern. Der
Laden ist nicht wirklich voll, aber eine Stammbelegschaft ist mindestens
anwesend.
Ich
schaue mich etwas um, aber ich kann kein Gesicht erblicken, das mir bekannt
vorkommt. Als ich die ersten Schritte Richtung Bar mache, nehmen die verteilt
sitzenden Anwesenden ihre Gespräche wieder auf, wenngleich deutlich leiser als
vorher. Mir schlägt eine klare Welle der Ablehnung entgegen. An der Theke
angekommen, zücke ich die Visitenkarte, spiele ein wenig damit in den Händen
herum, damit ich nicht allzu nervös wirke. Der Barkeeper guckt mich mit einem
Ausdruck irgendwo zwischen Mitleid, Belustigung und Abscheu an.
Barkeeper
- Was darf’s sein?
Ich
schaue mir die deutlich gewachsene Sammlung an Spirituosen hinter ihm an. Hat
er...ja. Hat er.
Zeichner
- Scotch.
Er
rümpft die Nase, ob über meine Wahl oder etwas anderes vermag ich nicht zu
sagen, greift zum Whiskey und gießt mir ein paar Finger voll ein. Dann schiebt
er mir das Glas rüber. Ich nehme es betont langsam hoch und gucke ihn an.
Barkeeper
- Sonst noch was?
Ich
nehme einen tiefen Schluck, lasse das Getränk langsam meinen Mund entlang und
meinen Hals hinunterlaufen. Spuren des tiefen Aromas, verbleiben nur für den
Hauch einer Sekunde, brennen sich wie Flammen durch meinen Körper. Das Glas ist
schneller leer als mir lieb ist. Ich reiche ihm die Visitenkarte, stelle das
Glas wieder hin, schieb es zu ihm zurück.
Zeichner
- Ich will zu der darauf bezeichneten Adresse. Wo finde ich das?
Er
nimmt die Karte entgegen, starrt kurz drauf. Ich bin mir sicher, dass seine
Brauen für einen Moment zucken. Er verbindet etwas mit der Adresse oder dem
Namen, aber was, kann ich noch nicht bestimmt sagen.
Barkeeper
- Da kommen sie zu spät.
Jetzt
ist es an mir, eine Augenbraue hoch zu ziehen.
Zeichner
- Wieso?
Er
gibt mir die Visitenkarte zurück, nimmt das Glas und füllt es gemächlich.
Barkeeper
- Das Haus ist vor einigen Tagen abgebrannt. Keiner weiß, wo der Fettsack
abgeblieben ist, aber der Sheriff vermutet, dass er unter den Trümmern begraben
ist.
Ich
bekomme ein ungutes Gefühl in der Magengegend, aber ich kann es nicht genau
festmachen. Er scheint nicht direkt zu lügen, aber er sagt mir auch nicht
alles, was ich wissen will.
Zeichner
- Wie kam es zum Brand?
Barkeeper
- Gasrohrexplosion. Es hat mitten in der Nacht laut geknallt und Teile sind
durch die gesamte Umgebung geflogen.
Zeichner
- Hmm. Können sie mir trotzdem sagen, wo ich die Ruine finden kann?
Barkeeper
- Kommen sie aus der Stadt?
Zeichner
- Jep.
Barkeeper
- Dann sind sie fast dran vorbeigefahren. Richtung Süden müssen sie ca. eine
halbe Meile auf dem Feldwege fahren Richtung Industriegebiet. Sie können es
inzwischen nicht mehr übersehen, seitdem es eine Ruine ist.
Er
reicht mir die Visitenkarte unter dem Glas zurück. Ich nehme beides. Mir fällt
auf, dass während unseres Gesprächs ein paar Augen der umliegenden Gäste auf
uns gerichtet waren. Ich trinke schnell, viel zu schnell, als dass es diesem
feinen Getränk gerecht wird, knalle da Glas auf den Tisch und schmeiße ihm ein
paar halb geknüllte Banknoten hin.
Zeichner
- Sollte reichen.
Als
ich aufstehe scheinen ein paar von ihnen sehr interessiert daran zu sein, mich
nicht einfach so gehen zu lassen, aber es macht keiner Anstalten, mich wirklich
aufzuhalten. Ich erreiche ungehindert die Tür, während ein paar Stühle hinter
mir unter schwerem Geschabe hochgeschoben werden, damit jemand aufstehen kann.
Ich trete heraus und mache mich schnell die Treppe runter. Auf dem Parkplatz
kann ich Ibrahim sehen, wie er mit heruntergezogener Mütze ein Nickerchen zu
halten scheint. Schnell renne ich die Treppenstufen herunter und breche mir
fast den Hals, als eine davon nachgeben will, als mein Fuß Druck ausübt. Im
rechten Moment gefangen, knalle ich aufgrund meiner zu hohen Geschwindigkeit
gegen das Taxi, reiße unter kleinen Schmerzen die Tür auf und rüttle an ihm.
Zeichner
- Wir müssen los!
Ich
kann oben sehen, wie die Tür aufgerissen wird und eine Gruppe von Männern sich
nach draußen macht, während der verdatterte Ibrahim den Wagen startet. Er fährt
los, während sie noch die Treppe hinunter stürzen. Hinter uns sehe ich wie sieh
zu ihren Fahrzeugen stürzen, während wir Gas geben. Mit halsbrecherischer
Geschwindigkeit braust das Taxi durch den Ort, während ich Ibrahim beschreibe,
wo wir als nächstes hinfahren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen