Schmerz. Meine gesamte Welt wird in diesem Moment von ihm ausgefüllt. Der
Schmerz. Nur langsam, taumelhaft kommt neben dem Schmerz auch noch andere
Empfindungen zum Vorschein. Hunger. Durst. Erschöpfung. Irgendwo höre ich
meinen Magen knurren. Mein Verstand will nicht so recht in die Gänge kommen.
Könnte meinen, er liegt ebenso neben mir.
Es tut weh, die Augen zu öffnen. Nutzlos. Ich bin in Dunkelheit gehüllt.
Meine Augen brauchen etwas. Gewöhnen sich an die Verhältnisse. Im nächsten
Moment ein knallen und ein scheppern. Dumpfe menschliche Laute hinter mir. Die
fehlende Stoßdämpfung macht mir deutlich, dass ich mich in einem Fahrzeug
befinden muss. Ich kann sie hören. Sie sitzen keine 2 Meter von mir entfernt.
Der Schwarze Van. Natürlich. Eine klassische Kinderfalle. Warum hat es mich
auch nicht gewundert. Das einzige heile Fahrzeug in der Umgebung, das stehen
gelassen wird? Ein deutlicheres Zeichen für Angst vor den Besitzern kann es
doch kaum geben in dieser Umgebung. Ein Hustenkrampf bricht hervor. Flüssigkeit
kommt mit. Ich schmecke Blut auf meiner Zunge. Unschön.
Langsam kehren auch meine restlichen Sinne wieder zurück. Zwar kann ich
nichts sehen, ausgehend davon dass sie nicht den Van in Dunkelheit haben und
aufgrund der Tatsache, dass ich den Stoff an meiner Nase spüre, kann ich also
davon ausgehen, dass sie mir einen Sack über den Kopf gezogen haben.
Hoffentlich keiner in dem ich ersticken kann. Andererseits, wäre jetzt auch
nicht das Problem, da ich noch lebe und sie mich mitgenommen haben werden sie
mich vermutlich noch für irgendwas brauchen.
Horrorszenarien schießen mir durch den Kopf. Schlafen mit den Fischen. Habe
Threepwoods Zehn Minuten im Meer
gelesen, würde also noch qualvoller zugrunde gehen. Erschießen und verbuddeln
auf einer Baustelle. Möglich aber unnötiges Aufsehen. Hätten sich mich auch in
den Docks entsorgen können. Da ich eh als Springer gelte, sofern Schwarz recht
hatte, würde keiner sich großartig wundern, die Leiche irgendwo Flusswärts zu
finden. Spielzeug für irgendwelche seltsamen Etablissements? Oh Götter, bitte
nicht. Ich kann meine Arme spüren. Etwas. Muss vorsichtig sein, nicht zu große
Bewegungen zu machen. Noch mehr Schläge kann ich gerade nicht gebrauchen.
Unterleib, ein paar Bereiche versprühen auch nicht mehr so recht den Charme den
sie mal hatten. Muss ein paar böse Treffer eingesteckt haben. Schließlich die
Beine. Bemerke erst jetzt, dass ich halber Fötalstellung liege. Unbewusste
Haltung in der Ohnmacht?
Wir fahren anscheinend. Kann Zeit nicht so recht einschätzen, da die Dauer
der Ohnmacht unbekannt, aber vermutlich keine Stunde. Entweder ist der Weg lang
oder sie fahren eine besondere Strecke. Bei kürzerer Ohnmacht senkt das ihren
Bewegungsradius extrem. Wenn ich nur eine kurze Weile bewusstlos war, kann es
sein, dass sie gerade erst losgefahren sind. Durch die Kopfhaube kann ich nicht
mal die Tageszeit erahnen. Was zum Henker ist das überhaupt? Reibe langsam und
vorsichtig die Nase dran. Zunge etwas drüberfahren. Stoff. Schmeckt scheußlich.
Vermutlich irgendwas typisches, wie ein dunkler Stoffsack?
Konzentriere mich auf die Augen. Es ist nicht so einfach, wie es klingen
mag. Bemerke einen leichten Schein, alle paar Sekunden, am Rande der
Wahrnehmung. Wie aufblitzendes Licht. Gucke ich auf ein Fenster oder die
Hintertür des Vans? Oder die Nebentür? Geräusche meiner Entführer würden darauf
deuten, dass ich die Hintertür anstarre. Frequenz der Lichter suggeriert Straßenlaternen.
Nacht. Wie die Zeit vergeht. Wir bremsen scharf. Auf einmal knalle ich mit voller
Wucht gegen die Innenverkleidung. Es kostet mich Kraft, einen Aufschrei zu
unterdrücken. Im Hintergrund sind sie weiter am quatschen, aber das Fahrzeug
wackelt jetzt leicht.
Licht brennt sich in meine Netzhaut, als vor mir kalte Luft durch die sich öffnenden
Türen hereinströmt. Ich sehe den Hirnzwerg und einen seiner Muckiboys, kann
aber nicht genau ausmachen, welcher von beiden. Sie sind nur undeutlich,
schemenhaft auszumachen unter dem Sack. Der Handlanger kommt auf mich zu und
ich spüre seine kräftigen Pfoten an mir tasten, bis er eine passende Stelle
gefunden hat und mich unsanft auf seine Schulter hievt. Traue mich nicht, den
Kopf zu heben.
Straßenasphalt. Gehweg. Knirschender Kies. Wir scheinen nicht direkt den Weg
zu gehen, oder das Gebäude ist nicht durch normale Begehung angeschlossen?
Keine Ahnung wo der Fluss ist von hier aus. Vielleicht sind wir auf dem Weg zu
denselben? Ungünstig. Leichtes Bewegen der Hände macht Fesselung deutlich.
Faden oder Seil wäre cool. Ist aber schlimmer. Kabelbinder. Fuck. Ich hab nie
gelernt, wie man sich die Hand bricht oder verbiegt, um die Dinger
aufzubekommen. Ein Treppenaufgang. 3 Stufen. Höher gelegene Bodenebene. Keller.
Aufgestoßene Eingangstür. Schlecht verlegter Fußboden. Ein Mietblock? Davon
gibt es in der Stadt Tausende. Könnte sonst wo sein. Höre einen Schlüsselbund
rattern, dann das Klicken einer Schaltung und das langsame Blinzeln einer alten
Lampe.
Ein Keller. Der enge Gang und die Holztreppe tun ihr übriges für den
Eindruck. Sie schleppen mich in einen Keller. Kann nicht viel von sehen. Von
einer Seite aus höre ich ein Geräusch von sprühendem Dampf, irgendwo brutzelt
auch ein gutes Feuerchen. Mir wird warm hier unten. Wir gehen ein ganzes Stück,
scheint recht groß zu sein. Wir bleiben stehen. Ich schließe die Augen. Wird
wehtun, wenn sie mir gleich irgendwas antun. Unsicher. Folter oder einfach nur
Befragung? Werden sie mich einfach nur hier umbringen weil sie hier den
Spezialisten haben?
Hirnzwerg - Setz ihn rein. Erwin, sorg dafür dass er drinbleibt.
Ich spüre, wie ich mit brachialer Gewalt gegen etwas gegen gehauen werde.
Luft entgleitet meiner Lunge, ich stöhne auf, reiße die Augen mich auf. Blick
leicht verschwommen. Hustenanfall drückt sich die Kehle hoch. Nur sehr wenig
Licht. Wir sind direkt unter einer der wenigen Lichtflecken hier unten. Ich
wurde in einen altmodischen Holzstuhl mit Armlehnen an beiden Seiten gesetzt.
Leider nicht rustikal bequem sondern rustikal einfach. So wie sich mein Hintern
gerade anfühlt bin ich mir auch sicher, dass ich mir einen Splitter eingefangen
habe. Der Hirnzwerg kommt an mich ran, als ich merke, wie irgendjemand etwas
unangenehm eng um meine Arme bindet. Positionsfixierung. Sie binden mich an den
Stuhl. Im nächsten Moment strahlt muss ich die Augen zu reißen, als er
mir unter einigen Zerren den Sack vom Kopf reißt.
Mein Blick wird nur langsam wieder fokussiert. Vor mir der Hirnzwerg, zündet
sich eine Zigarette an. Die Schachtel kommt mir verdächtig bekannt vor. Sieht
wie eine von meinen aus. Der Mistkerl hat mich ausgenommen. Muss davon
ausgehen, dass er auch den Revolver und meine Brieftasche hat? Also wird er
meinen Namen kennen. Wenn er sich informiert hat, weiß er auch, was ich mache.
Eigene Visitenkarte in der Brieftasche. In diesem Moment könnte ich mich dafür
treten. Wo sollte man die Dinger denn aber sonst unterbringen? Hinter ihm steht
der Handlanger Nr.1, im nächsten Moment tritt auch Handlanger Nr.2 in mein
Blickfeld von rechts. Nr.1 baut sich bedrohlich hinter dem Hirnzwerg auf,
während Nr.2 sich aus meinem Blickfeld entfernt.
Hmmm, links von mir befindet sich ein großer Boiler. Unzählige Rohre die in
die überliegenden Etagen gehen. Alle paar Minuten röhrt es los und es scheint
gut so, als ob man dadurch diverses überdecken kann. Ich ahne übles. Nr.2 kommt
zurück. Ich schlucke. Er hat einen dieser metallen Baseballschläger, die man in
Läden für Sportartikel bekommen kann. So abgenutzt wie der seine aussieht,
würde ich auf Marke "Menschentöter" tippen. Etwas Staub rieselt von
der Decke. Irgendetwas schweres bewegt sich über uns. Bei normaler Bauweise
muss das entweder eine 300-Kilo-Person sein oder etwas das in den Verkehr
passt. Zug? Untergrundbahn? Tram? Automobilstraße? Würde andeuten dass der
Keller direkt unterhalb liegt, was seltsam wäre. Nicht undenkbar, aber seltsam.
Der Hirnzwerg raucht gemütlich, während Nr.2 beginnt, seinen Kolbenersatz
sauber zu machen. Endlich ist er mit meiner Zigarette fertig. Griff in die
Tasche. Super. Meine Brieftasche. Er klappt auf, stöbert ein wenig drin rum. Guckt
mich manchmal an. Eine Augenbraue hochgezogen. Dann wieder Blick auf meinen
Brieftascheninhalt. Pfeifen, als er die Scheine zählt. Nicht, dass es im Moment
für mich eine große Bedeutung hat. Die Handlanger glotzen, nein, stieren beinah
auf das Geld, dass das Hirn ihrer Operation anfängt durchzuzählen. Er steckt es
wieder ein. zündet sich eine neue an. Guckt mich an.
Hirnzwerg - So. Michael Zeichner. Schnüffler.
Wissen Sie, was wir mit Ihresgleichen bei uns zuhause machen?
Ich schüttle den Kopf.
Hirnzwerg - Wir knüpfen sie auf. Gucken sie nicht so geschockt. Leute wie
Sie sind nicht besser als die Untermenschen, die Ihresgleichen in unser Land
geholt haben. Sie gehören ausgemerzt. Sie sind ein Schandfleck für die weiße
Rasse, Zeichner. Schandflecken gehören ausrasiert.
Etwas gebannter, als ich eigentlich will, höre ich ihm zu. Dann bemerke ich,
wie Nr.2 mit dem Schläger ausholt. Ich überlege, den Kopf zur Seite zu reißen,
kann aber den Stuhl aufgrund des Gewichts oder meiner Kondition nicht so schnell
bewegen und nur den Kopf bewegen alleine reicht nicht. Kann nicht runter
schlüpfen, weil ich festgebunden bin am Stuhl. Als der Schläger mich trifft,
explodiert meine Welt in Schmerzen. Ich muss schreien. Es tut so sehr weh,
solche Schmerzen hatte ich nicht mal als ich in der vierten Klasse für eine
Mutprobe aus dem dritten Stock gesprungen bin. Und da habe ich mir einen Arm
und beide Beine gebrochen.
Im Hintergrund kann ich Geschreie vernehmen. Beiße die Zähne zusammen.
Benommen. Taubheit. Etwas flüssiges wandert meine rechte Schläfe herab. Tropft
mir ins Auge, ich blinzel, aber ich kriege den Rotton nicht raus. Komme nur
langsam zu Sinnen. Der Hirnzwerg ist am ausrasten. Ich weiß nicht wie, aber er
hat es geschafft Nr.2 auf die Knie zu bringen und haut ihm gerade mehrfach eine
kleine Pfeife auf den Schädel. Der Besitzer des selbigen heult dabei auch noch
wie ein Schoßhund. Steht dann auf und geht, den blutigen Schläger an der Seite
aus meinem Sichtfeld.
Der Hirnzwerg kommt näher, und ich kann spüren, wie er mir mit groben
Fingern das Blut aus dem Gesicht wischt. Was für ein bizarrer
Verhaltenswiderspruch.
Hirnzwerg - Ich muss mich für meinen voreiligen Freund entschuldigen.
Eigentlich soll er sie nur schlagen, wenn ich die Order dazu gebe. Aber wir
haben ja eh ein paar mehr Fragen, nicht wahr?
Zeichner - Was wollen sie
von mir?
Hirnzwerg - Aber aber, Michael. Darf ich Sie Michael nennen? Natürlich darf
ich das. Michael. Sie wurden angeheuert. Irgendjemand halt also Interesse an
etwas, das Sie herausfinden sollen. Und diese Aufgabe hat sie in die Wohnung
Nr.12 geführt.
Zeichner - Das könnte tausende Gründe haben...
Hirnzwerg - Sicherlich. Aber ich glaube nicht an den Zufall. Lassen
sie uns ein Spiel spielen. Ich nenne es das "Schnüffler-Schlagen-Bis-Er-Stirbt"-Spiel.
Es ist ganz einfach. Ich stelle ihnen eine Frage. Wenn sie diese nicht zu
meiner Zufriedenheit beantworten, wir Erwin hinter ihnen sie mit dem Holzbrett
schlagen. Natürlich nur jeweils einmal, ansonsten wären wir ja viel zu schnell
durch. Was halten sie davon?
Zeichner - Ist das wichtig?
Hirnzwerg - Nein. Aber es gehört sich, zu fragen. Fangen wir. Sie waren in
Wohnung Nr.12. Warum?
Ich schaue ihn an. Schaue ihn mir genau an. So gut es geht. Dicke
Bomberjacke. Schwarze Springerstiefel, breite Sohle. Kurz geratene Beine,
die auch noch O-förmig stehen. Kein Schneid, der Mann. Eine Silberkette
mit einem WhitePower-Logo dran, dass sich über die beharrte Brust und das
hässliche weiß-befleckte Unterhemd hoch zu seinem Hals-Kopf zieht. So richtig
Hals hat er ja nicht. Wo er auch so vor mir steht, fällt mir auf, dass er gar
kein Zwerg ist. Er wirkt nur neben seinen Gorillas deutlich kleiner, weil die
so verdammt groß sind.
Zeichner - Ich sollte mich über Damir Mokhov erkundigen.
Hirni - Das reicht mir nicht. Warum?
Zeichner - Ein gemeinsamer Freund hat mich darum
gebeten.
Hirni - Dieser gemeinsame Freund war eine Frau?
Zeichner - Nein.
Er schaut mich an. Eine Augenbraue geht in die Höhe. Dann ascht er auf den
nackten Fußboden und nickt. Ich spüre wie hartes Holz meinen Hinterkopf berührt
und versucht, es seiner Form anzupassen. Als ob eine Dampfwalze sich gegen den
Kopf brettert. Es wäre ein schlechter Wortwitz, wenn es nicht so weh tun würde.
Benommen schüttle ich den Schädel.
Hirni - Nochmal. Eine Frau?
Zeichner - Nein.
Er nickt noch einmal und diesmal kann ich das Holz von der linken Seite
herannahen sehen, ehe es mich erwischt. Macht es nicht weniger schmerzhaft. Im
nächsten Moment dreht sich meine Welt. Schwarze Flecken mischen sich in meine
Sicht ein.
Hirni - Sind sie sich sicher? Keine Frau?
Zeichner - Es war ein Kerl. Aber er war in Begleitung einer Frau.
Hirni - Beschreiben sie die Frau. War sie blond?
Schnell schalten. Er fragt gezielt. Sucht er Rassila oder ist er ebenso auf
der Suche nach jemanden? Geht hier etwas Größeres von dem ich nichts
weiß?
Zeichner - Nicht so richtig. Sie war schwarzhaarig. Gefärbt vielleicht.
Neben mir wird Nr.1 unruhig und beugt sich zu Hirni. Die beiden tuscheln
kurz, dann wendet er sich wieder mir zu.
Hirni - Haben sie irgendwelche Kontaktdaten von ihr oder ihm?
Schweißausbruch. Jetzt heißt es gut lügen.
Zeichner - Nein. Er wollte sich in den kommenden Tage bei mir melden.
Hirni - Wer ist Er? Beschreiben sie ihn.
Zeichner - Ähh...so groß wie ich, etwa, Hawaiihemd und Schlangentattoo im
Gesicht. Etwas breiter aber. Rundlicher. Kaum noch Haare aufm Kopf. War auch
die ganze Zeit damit beschäftigt, mit sich selbst zu reden.
Ich kann sehen, wie die Rädchen sich in seinem Kopf drehen. Er denkt.
Rechnet. Kalkuliert. Überlegt. Plant. Schmeißt die Zigarette weg.
Hirni - Wir werden ein paar Erkundigungen einholen. Wenn ich mehr weiß,
reden wir weiter. Leg das Holzstück weg, Erwin.
Hinter mir stöhnt Nr.2 entnervt auf. Anscheinend habe ich ihm die spaßigste
Aktivität für diese Nacht geraubt. Die Drei latschen, angeführt vom Hirni zur
Kellertreppe und verlassen diesen. Ich bin für den Moment alleine. Alleine mit
meinen Schmerzen. Irgendwo, am Rande meiner Wahrnehmung kann ich ein
Kellerfenster sehen. Leider vergittert. Interessanter ist da vermutlich, das
sich dort gerade ein stetiger Strom an Regenwasser sammelt. Das Wetter muss zum
Abend hin wieder schlechter geworden sein. Neben mir erwacht der riesige Boiler
wieder zu neuem Leben. Ich schaue mich um. Irgendwo hier muss es etwas scharfes
geben. Bringt mir nix solange ich an den Stuhl gefesselt bin. Von irgendwo höre
ich es grollen. Donner?
Nicht verzagen, ein kreativer Kopf findet immer einen Weg. Im doppelten
Sinne manchmal sogar. Ich strample ein wenig. Hilft nicht. Etwas anderes fällt
mir aber auf. Das Seil sitzt zwar sehr straff, aber der Stuhl knarzt bei jeder
versuchten Bewegung. Ich drücke mich ein wenig in die Balken, und er fängt an
zu knarzen und quietschen, dass es in den Ohren eines Gefangenen nur eine
Freude sein kann. Ist aber schon verdammt laut. Kurzer Anfall von Panik. Starre
zum Treppenaufgang rüber. Keine Bewegung. Niemand kommt. Ich passe meine
Versuche dem Auf- und Abschwellen des Boilergeräusches an. Ständiges gegen den
Stuhl stemmen. Er knarzt lauter. Bedrohlicher. Noch ein bisschen und ich könnte
ihn brechen. Ich presse mich gegen den Stuhl, drücke und stemme so hart es
geht. Höre auf, fange wieder an. Immer mit dem Boiler. Dann geht er wieder aus.
Bleibt aus. Nanu. Uhrzeit-Gebundene Deckelung der Boilernutzung? Kann nicht
sein. Komm schon. Komm schon!
Der Boiler springt wieder an. Irgendwo im Hintergrund donnert es. Staub
rieselt von der Decke. Ich strenge mich an. Muskeln bis zur Erschöpfung
angespannt. Meine Arme drücken gegen den Stuhl. Mit einem lauten Krachen bricht
dieser auseinander. Ich knalle mit dem Händen auf dem Rücken voran zu Boden.
Mein Kopf geht hart auf den harten Kelleruntergrund. Es dreht sich kurzzeitig
alles.
Ich fange mich. Jede Bewegung tut weh, aber hier geht es um Leben und Tod.
Speziell mein Leben. Ich rolle mich zur Seite, mache ein bisschen auf die
Raupe, bis ich an ein dickes Rohr komme, an dem ich mich aufrichten kann. Ich
stehe. Blick umher. Irgendwo wird es eine rostige, stark verkrustete Stelle
oder etwas scharfes geben, an dem ich den Kabelbinder aufschneiden können
müsste. Ich mache ein paar Schritte in jede Richtung, gucke und betrachte. Dann
sehe ich eine solche Stelle, an einem der Boilerrohre. Gleichzeitig natürlich
auch extrem heiß, auch nur in die Nähe zu kommen. Zu dumm, dass mir ein
Zeitlimit gegeben ist, das jeden Moment ablaufen kann.
Die Hitze des Rohrs ist unangenehm und es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis
ich merke, wie der Kabelbinder überhaupt Anzeichen macht, kaputt auszusehen.
Noch einmal aufbäumen. Er wäre vermutlich sowieso inzwischen hin, aber als ich
den Kabelbinder aufbreche, habe ich für einen kurzen Moment das Gefühl, wie
Herakles zu sein.
Im Hintergrund blitzt und donnert es. Ich stehe allein, verletzt, ohne
Waffen oder ein Mobiltelefon im Keller eines Gebäudes, in dem irgendwo meine
Entführer auf mich warten. Fuck.
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