20140209

Fall 1 - VII

Schmerz. Meine gesamte Welt wird in diesem Moment von ihm ausgefüllt. Der Schmerz. Nur langsam, taumelhaft kommt neben dem Schmerz auch noch andere Empfindungen zum Vorschein. Hunger. Durst. Erschöpfung. Irgendwo höre ich meinen Magen knurren. Mein Verstand will nicht so recht in die Gänge kommen. Könnte meinen, er liegt ebenso neben mir.

Es tut weh, die Augen zu öffnen. Nutzlos. Ich bin in Dunkelheit gehüllt. Meine Augen brauchen etwas. Gewöhnen sich an die Verhältnisse. Im nächsten Moment ein knallen und ein scheppern. Dumpfe menschliche Laute hinter mir. Die fehlende Stoßdämpfung macht mir deutlich, dass ich mich in einem Fahrzeug befinden muss. Ich kann sie hören. Sie sitzen keine 2 Meter von mir entfernt. Der Schwarze Van. Natürlich. Eine klassische Kinderfalle. Warum hat es mich auch nicht gewundert. Das einzige heile Fahrzeug in der Umgebung, das stehen gelassen wird? Ein deutlicheres Zeichen für Angst vor den Besitzern kann es doch kaum geben in dieser Umgebung. Ein Hustenkrampf bricht hervor. Flüssigkeit kommt mit. Ich schmecke Blut auf meiner Zunge. Unschön.

Langsam kehren auch meine restlichen Sinne wieder zurück. Zwar kann ich nichts sehen, ausgehend davon dass sie nicht den Van in Dunkelheit haben und aufgrund der Tatsache, dass ich den Stoff an meiner Nase spüre, kann ich also davon ausgehen, dass sie mir einen Sack über den Kopf gezogen haben. Hoffentlich keiner in dem ich ersticken kann. Andererseits, wäre jetzt auch nicht das Problem, da ich noch lebe und sie mich mitgenommen haben werden sie mich vermutlich noch für irgendwas brauchen.

Horrorszenarien schießen mir durch den Kopf. Schlafen mit den Fischen. Habe Threepwoods Zehn Minuten im Meer gelesen, würde also noch qualvoller zugrunde gehen. Erschießen und verbuddeln auf einer Baustelle. Möglich aber unnötiges Aufsehen. Hätten sich mich auch in den Docks entsorgen können. Da ich eh als Springer gelte, sofern Schwarz recht hatte, würde keiner sich großartig wundern, die Leiche irgendwo Flusswärts zu finden. Spielzeug für irgendwelche seltsamen Etablissements? Oh Götter, bitte nicht. Ich kann meine Arme spüren. Etwas. Muss vorsichtig sein, nicht zu große Bewegungen zu machen. Noch mehr Schläge kann ich gerade nicht gebrauchen. Unterleib, ein paar Bereiche versprühen auch nicht mehr so recht den Charme den sie mal hatten. Muss ein paar böse Treffer eingesteckt haben. Schließlich die Beine. Bemerke erst jetzt, dass ich halber Fötalstellung liege. Unbewusste Haltung in der Ohnmacht?

Wir fahren anscheinend. Kann Zeit nicht so recht einschätzen, da die Dauer der Ohnmacht unbekannt, aber vermutlich keine Stunde. Entweder ist der Weg lang oder sie fahren eine besondere Strecke. Bei kürzerer Ohnmacht senkt das ihren Bewegungsradius extrem. Wenn ich nur eine kurze Weile bewusstlos war, kann es sein, dass sie gerade erst losgefahren sind. Durch die Kopfhaube kann ich nicht mal die Tageszeit erahnen. Was zum Henker ist das überhaupt? Reibe langsam und vorsichtig die Nase dran. Zunge etwas drüberfahren. Stoff. Schmeckt scheußlich. Vermutlich irgendwas typisches, wie ein dunkler Stoffsack? 

Konzentriere mich auf die Augen. Es ist nicht so einfach, wie es klingen mag. Bemerke einen leichten Schein, alle paar Sekunden, am Rande der Wahrnehmung. Wie aufblitzendes Licht. Gucke ich auf ein Fenster oder die Hintertür des Vans? Oder die Nebentür? Geräusche meiner Entführer würden darauf deuten, dass ich die Hintertür anstarre. Frequenz der Lichter suggeriert Straßenlaternen. Nacht. Wie die Zeit vergeht. Wir bremsen scharf. Auf einmal knalle ich mit voller Wucht gegen die Innenverkleidung. Es kostet mich Kraft, einen Aufschrei zu unterdrücken. Im Hintergrund sind sie weiter am quatschen, aber das Fahrzeug wackelt jetzt leicht.

Licht brennt sich in meine Netzhaut, als vor mir kalte Luft durch die sich öffnenden Türen hereinströmt. Ich sehe den Hirnzwerg und einen seiner Muckiboys, kann aber nicht genau ausmachen, welcher von beiden. Sie sind nur undeutlich, schemenhaft auszumachen unter dem Sack. Der Handlanger kommt auf mich zu und ich spüre seine kräftigen Pfoten an mir tasten, bis er eine passende Stelle gefunden hat und mich unsanft auf seine Schulter hievt. Traue mich nicht, den Kopf zu heben.

Straßenasphalt. Gehweg. Knirschender Kies. Wir scheinen nicht direkt den Weg zu gehen, oder das Gebäude ist nicht durch normale Begehung angeschlossen? Keine Ahnung wo der Fluss ist von hier aus. Vielleicht sind wir auf dem Weg zu denselben? Ungünstig. Leichtes Bewegen der Hände macht Fesselung deutlich. Faden oder Seil wäre cool. Ist aber schlimmer. Kabelbinder. Fuck. Ich hab nie gelernt, wie man sich die Hand bricht oder verbiegt, um die Dinger aufzubekommen. Ein Treppenaufgang. 3 Stufen. Höher gelegene Bodenebene. Keller. Aufgestoßene Eingangstür. Schlecht verlegter Fußboden. Ein Mietblock? Davon gibt es in der Stadt Tausende. Könnte sonst wo sein. Höre einen Schlüsselbund rattern, dann das Klicken einer Schaltung und das langsame Blinzeln einer alten Lampe.

Ein Keller. Der enge Gang und die Holztreppe tun ihr übriges für den Eindruck. Sie schleppen mich in einen Keller. Kann nicht viel von sehen. Von einer Seite aus höre ich ein Geräusch von sprühendem Dampf, irgendwo brutzelt auch ein gutes Feuerchen. Mir wird warm hier unten. Wir gehen ein ganzes Stück, scheint recht groß zu sein. Wir bleiben stehen. Ich schließe die Augen. Wird wehtun, wenn sie mir gleich irgendwas antun. Unsicher. Folter oder einfach nur Befragung? Werden sie mich einfach nur hier umbringen weil sie hier den Spezialisten haben?

Hirnzwerg - Setz ihn rein. Erwin, sorg dafür dass er drinbleibt.

Ich spüre, wie ich mit brachialer Gewalt gegen etwas gegen gehauen werde. Luft entgleitet meiner Lunge, ich stöhne auf, reiße die Augen mich auf. Blick leicht verschwommen. Hustenanfall drückt sich die Kehle hoch. Nur sehr wenig Licht. Wir sind direkt unter einer der wenigen Lichtflecken hier unten. Ich wurde in einen altmodischen Holzstuhl mit Armlehnen an beiden Seiten gesetzt. Leider nicht rustikal bequem sondern rustikal einfach. So wie sich mein Hintern gerade anfühlt bin ich mir auch sicher, dass ich mir einen Splitter eingefangen habe. Der Hirnzwerg kommt an mich ran, als ich merke, wie irgendjemand etwas unangenehm eng um meine Arme bindet. Positionsfixierung. Sie binden mich an den Stuhl.  Im nächsten Moment strahlt muss ich die Augen zu reißen, als er mir unter einigen Zerren den Sack vom Kopf reißt.

Mein Blick wird nur langsam wieder fokussiert. Vor mir der Hirnzwerg, zündet sich eine Zigarette an. Die Schachtel kommt mir verdächtig bekannt vor. Sieht wie eine von meinen aus. Der Mistkerl hat mich ausgenommen. Muss davon ausgehen, dass er auch den Revolver und meine Brieftasche hat? Also wird er meinen Namen kennen. Wenn er sich informiert hat, weiß er auch, was ich mache. Eigene Visitenkarte in der Brieftasche. In diesem Moment könnte ich mich dafür treten. Wo sollte man die Dinger denn aber sonst unterbringen? Hinter ihm steht der Handlanger Nr.1, im nächsten Moment tritt auch Handlanger Nr.2 in mein Blickfeld von rechts. Nr.1 baut sich bedrohlich hinter dem Hirnzwerg auf, während Nr.2 sich aus meinem Blickfeld entfernt.

Hmmm, links von mir befindet sich ein großer Boiler. Unzählige Rohre die in die überliegenden Etagen gehen. Alle paar Minuten röhrt es los und es scheint gut so, als ob man dadurch diverses überdecken kann. Ich ahne übles. Nr.2 kommt zurück. Ich schlucke. Er hat einen dieser metallen Baseballschläger, die man in Läden für Sportartikel bekommen kann. So abgenutzt wie der seine aussieht, würde ich auf Marke "Menschentöter" tippen. Etwas Staub rieselt von der Decke. Irgendetwas schweres bewegt sich über uns. Bei normaler Bauweise muss das entweder eine 300-Kilo-Person sein oder etwas das in den Verkehr passt. Zug? Untergrundbahn? Tram? Automobilstraße? Würde andeuten dass der Keller direkt unterhalb liegt, was seltsam wäre. Nicht undenkbar, aber seltsam.

Der Hirnzwerg raucht gemütlich, während Nr.2 beginnt, seinen Kolbenersatz sauber zu machen. Endlich ist er mit meiner Zigarette fertig. Griff in die Tasche. Super. Meine Brieftasche. Er klappt auf, stöbert ein wenig drin rum. Guckt mich manchmal an. Eine Augenbraue hochgezogen. Dann wieder Blick auf meinen Brieftascheninhalt. Pfeifen, als er die Scheine zählt. Nicht, dass es im Moment für mich eine große Bedeutung hat. Die Handlanger glotzen, nein, stieren beinah auf das Geld, dass das Hirn ihrer Operation anfängt durchzuzählen. Er steckt es wieder ein. zündet sich eine neue an. Guckt mich an.

Hirnzwerg - So. Michael Zeichner. Schnüffler. Wissen Sie, was wir mit Ihresgleichen bei uns zuhause machen?

Ich schüttle den Kopf.

Hirnzwerg - Wir knüpfen sie auf. Gucken sie nicht so geschockt. Leute wie Sie sind nicht besser als die Untermenschen, die Ihresgleichen in unser Land geholt haben. Sie gehören ausgemerzt. Sie sind ein Schandfleck für die weiße Rasse, Zeichner. Schandflecken gehören ausrasiert.

Etwas gebannter, als ich eigentlich will, höre ich ihm zu. Dann bemerke ich, wie Nr.2 mit dem Schläger ausholt. Ich überlege, den Kopf zur Seite zu reißen, kann aber den Stuhl aufgrund des Gewichts oder meiner Kondition nicht so schnell bewegen und nur den Kopf bewegen alleine reicht nicht. Kann nicht runter schlüpfen, weil ich festgebunden bin am Stuhl. Als der Schläger mich trifft, explodiert meine Welt in Schmerzen. Ich muss schreien. Es tut so sehr weh, solche Schmerzen hatte ich nicht mal als ich in der vierten Klasse für eine Mutprobe aus dem dritten Stock gesprungen bin. Und da habe ich mir einen Arm und beide Beine gebrochen. 

Im Hintergrund kann ich Geschreie vernehmen. Beiße die Zähne zusammen. Benommen. Taubheit. Etwas flüssiges wandert meine rechte Schläfe herab. Tropft mir ins Auge, ich blinzel, aber ich kriege den Rotton nicht raus. Komme nur langsam zu Sinnen. Der Hirnzwerg ist am ausrasten. Ich weiß nicht wie, aber er hat es geschafft Nr.2 auf die Knie zu bringen und haut ihm gerade mehrfach eine kleine Pfeife auf den Schädel. Der Besitzer des selbigen heult dabei auch noch wie ein Schoßhund. Steht dann auf und geht, den blutigen Schläger an der Seite aus meinem Sichtfeld.

Der Hirnzwerg kommt näher, und ich kann spüren, wie er mir mit groben Fingern das Blut aus dem Gesicht wischt. Was für ein bizarrer Verhaltenswiderspruch.

Hirnzwerg - Ich muss mich für meinen voreiligen Freund entschuldigen. Eigentlich soll er sie nur schlagen, wenn ich die Order dazu gebe. Aber wir haben ja eh ein paar mehr Fragen, nicht wahr?

Zeichner -   Was wollen sie von mir?

Hirnzwerg - Aber aber, Michael. Darf ich Sie Michael nennen? Natürlich darf ich das. Michael. Sie wurden angeheuert. Irgendjemand halt also Interesse an etwas, das Sie herausfinden sollen. Und diese Aufgabe hat sie in die Wohnung Nr.12 geführt.

Zeichner - Das könnte tausende Gründe haben...

Hirnzwerg - Sicherlich. Aber ich glaube nicht an den Zufall. Lassen sie uns ein Spiel spielen. Ich nenne es das "Schnüffler-Schlagen-Bis-Er-Stirbt"-Spiel. Es ist ganz einfach. Ich stelle ihnen eine Frage. Wenn sie diese nicht zu meiner Zufriedenheit beantworten, wir Erwin hinter ihnen sie mit dem Holzbrett schlagen. Natürlich nur jeweils einmal, ansonsten wären wir ja viel zu schnell durch. Was halten sie davon?

Zeichner - Ist das wichtig?

Hirnzwerg - Nein. Aber es gehört sich, zu fragen. Fangen wir. Sie waren in Wohnung Nr.12. Warum?

Ich schaue ihn an. Schaue ihn mir genau an. So gut es geht. Dicke Bomberjacke. Schwarze Springerstiefel, breite Sohle. Kurz geratene Beine, die  auch noch O-förmig stehen. Kein Schneid, der Mann. Eine Silberkette mit einem WhitePower-Logo dran, dass sich über die beharrte Brust und das hässliche weiß-befleckte Unterhemd hoch zu seinem Hals-Kopf zieht. So richtig Hals hat er ja nicht. Wo er auch so vor mir steht, fällt mir auf, dass er gar kein Zwerg ist. Er wirkt nur neben seinen Gorillas deutlich kleiner, weil die so verdammt groß sind.

Zeichner - Ich sollte mich über Damir Mokhov erkundigen.

Hirni - Das reicht mir nicht. Warum?

Zeichner - Ein   gemeinsamer Freund hat mich darum gebeten. 

Hirni - Dieser gemeinsame Freund war eine Frau?

Zeichner - Nein.

Er schaut mich an. Eine Augenbraue geht in die Höhe. Dann ascht er auf den nackten Fußboden und nickt. Ich spüre wie hartes Holz meinen Hinterkopf berührt und versucht, es seiner Form anzupassen. Als ob eine Dampfwalze sich gegen den Kopf brettert. Es wäre ein schlechter Wortwitz, wenn es nicht so weh tun würde.

Benommen schüttle ich den Schädel.

Hirni - Nochmal. Eine Frau?

Zeichner - Nein.

Er nickt noch einmal und diesmal kann ich das Holz von der linken Seite herannahen sehen, ehe es mich erwischt. Macht es nicht weniger schmerzhaft. Im nächsten Moment dreht sich meine Welt. Schwarze Flecken mischen sich in meine Sicht ein.

Hirni - Sind sie sich sicher? Keine Frau?

Zeichner - Es war ein Kerl. Aber er war in Begleitung einer Frau.

Hirni - Beschreiben sie die Frau. War sie blond?

Schnell schalten. Er fragt gezielt. Sucht er Rassila oder ist er ebenso auf der Suche nach jemanden? Geht hier etwas Größeres von dem ich nichts weiß? 

Zeichner - Nicht so richtig. Sie war schwarzhaarig. Gefärbt vielleicht.

Neben mir wird Nr.1 unruhig und beugt sich zu Hirni. Die beiden tuscheln kurz, dann wendet er sich wieder mir zu.

Hirni - Haben sie irgendwelche Kontaktdaten von ihr oder ihm?

Schweißausbruch. Jetzt heißt es gut lügen.

Zeichner - Nein. Er wollte sich in den kommenden Tage bei mir melden.

Hirni - Wer ist Er? Beschreiben sie ihn.

Zeichner - Ähh...so groß wie ich, etwa, Hawaiihemd und Schlangentattoo im Gesicht. Etwas breiter aber. Rundlicher. Kaum noch Haare aufm Kopf. War auch die ganze Zeit damit beschäftigt, mit sich selbst zu reden.

Ich kann sehen, wie die Rädchen sich in seinem Kopf drehen. Er denkt. Rechnet. Kalkuliert. Überlegt. Plant. Schmeißt die Zigarette weg.

Hirni - Wir werden ein paar Erkundigungen einholen. Wenn ich mehr weiß, reden wir weiter. Leg das Holzstück weg, Erwin.

Hinter mir stöhnt Nr.2 entnervt auf. Anscheinend habe ich ihm die spaßigste Aktivität für diese Nacht geraubt. Die Drei latschen, angeführt vom Hirni zur Kellertreppe und verlassen diesen. Ich bin für den Moment alleine. Alleine mit meinen Schmerzen. Irgendwo, am Rande meiner Wahrnehmung kann ich ein Kellerfenster sehen. Leider vergittert. Interessanter ist da vermutlich, das sich dort gerade ein stetiger Strom an Regenwasser sammelt. Das Wetter muss zum Abend hin wieder schlechter geworden sein. Neben mir erwacht der riesige Boiler wieder zu neuem Leben. Ich schaue mich um. Irgendwo hier muss es etwas scharfes geben. Bringt mir nix solange ich an den Stuhl gefesselt bin. Von irgendwo höre ich es grollen. Donner?

Nicht verzagen, ein kreativer Kopf findet immer einen Weg. Im doppelten Sinne manchmal sogar. Ich strample ein wenig. Hilft nicht. Etwas anderes fällt mir aber auf. Das Seil sitzt zwar sehr straff, aber der Stuhl knarzt bei jeder versuchten Bewegung. Ich drücke mich ein wenig in die Balken, und er fängt an zu knarzen und quietschen, dass es in den Ohren eines Gefangenen nur eine Freude sein kann. Ist aber schon verdammt laut. Kurzer Anfall von Panik. Starre zum Treppenaufgang rüber. Keine Bewegung. Niemand kommt. Ich passe meine Versuche dem Auf- und Abschwellen des Boilergeräusches an. Ständiges gegen den Stuhl stemmen. Er knarzt lauter. Bedrohlicher. Noch ein bisschen und ich könnte ihn brechen. Ich presse mich gegen den Stuhl, drücke und stemme so hart es geht. Höre auf, fange wieder an. Immer mit dem Boiler. Dann geht er wieder aus. Bleibt aus. Nanu. Uhrzeit-Gebundene Deckelung der Boilernutzung? Kann nicht sein. Komm schon. Komm schon!

Der Boiler springt wieder an. Irgendwo im Hintergrund donnert es. Staub rieselt von der Decke. Ich strenge mich an. Muskeln bis zur Erschöpfung angespannt. Meine Arme drücken gegen den Stuhl. Mit einem lauten Krachen bricht dieser auseinander. Ich knalle mit dem Händen auf dem Rücken voran zu Boden. Mein Kopf geht hart auf den harten Kelleruntergrund. Es dreht sich kurzzeitig alles. 

Ich fange mich. Jede Bewegung tut weh, aber hier geht es um Leben und Tod. Speziell mein Leben. Ich rolle mich zur Seite, mache ein bisschen auf die Raupe, bis ich an ein dickes Rohr komme, an dem ich mich aufrichten kann. Ich stehe. Blick umher. Irgendwo wird es eine rostige, stark verkrustete Stelle oder etwas scharfes geben, an dem ich den Kabelbinder aufschneiden können müsste. Ich mache ein paar Schritte in jede Richtung, gucke und betrachte. Dann sehe ich eine solche Stelle, an einem der Boilerrohre. Gleichzeitig natürlich auch extrem heiß, auch nur in die Nähe zu kommen. Zu dumm, dass mir ein Zeitlimit gegeben ist, das jeden Moment ablaufen kann. 

Die Hitze des Rohrs ist unangenehm und es dauert gefühlte Ewigkeiten, bis ich merke, wie der Kabelbinder überhaupt Anzeichen macht, kaputt auszusehen. Noch einmal aufbäumen. Er wäre vermutlich sowieso inzwischen hin, aber als ich den Kabelbinder aufbreche, habe ich für einen kurzen Moment das Gefühl, wie Herakles zu sein.

Im Hintergrund blitzt und donnert es. Ich stehe allein, verletzt, ohne Waffen oder ein Mobiltelefon im Keller eines Gebäudes, in dem irgendwo meine Entführer auf mich warten. Fuck.

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