Ehrlich gesagt ist mir eigentlich fast jede Richtung recht, solange es nicht
bedeutet, dass ich erneut an den Toten vorbei muss. Fangen wir links an. Etwas
seltsam scheint ja zu sein, dass nachdem er und ich durch den Matsch gelaufen
sind, der die Wiese ausmacht, wir kaum Spuren auf dem steinernen Untergrund
hinterlassen haben. Müsste hier nicht überall eine Spur von matschigen
Abdrücken sein? Seltsam.
Der Tunnelweg verläuft recht lange entlang derselben Richtung. Ich bin mir
nicht sicher, ob nicht zwischendurch mal die eine oder andere Verschiebung in
der Höhe bemerkbar ist, aber es kann nicht sehr massiv sein auf der langen
Strecke, denn bemerken kann ich nichts davon.
Es dauert ein Weilchen, bis ich das Geräusch im Hintergrund einsortieren
kann, das stetig wie ein Wummern oder Hämmern, immer am Rand des Bewusstseins
vor sich hin arbeitet. Fertigungsmaschinen. Irgendwo vor mir oder um mich herum
ist eine Fertigungshalle. Etwas das mit schwerem Gerät arbeitet. Das Geräusch
wird von vorne etwas lauter. Trotz der Dunkelheit. Ob da eine Öffnung ist?
Inzwischen haben auf dem Gang die jeweiligen Beleuchtungen ihren Geist
aufgegeben und ich muss mich mit dem spärlichen Licht des Telefons rumschlagen,
das eher dürftig den Weg vor mir beleuchten kann. Es ist, als ob man dem Pfad
eines motivationslosen Glühwürmchens folgen will.
Der Lärm wirkt inzwischen ohrenbetäubend laut. Ich bin mir ziemlich sicher,
noch kein Ende des Tunnels erreicht zu haben, habe aber schon das Gefühl, das
mir selbst mir Stöpseln im Ohr noch das Wummern der Maschinen in den Knochen
vibrieren würde. Jeder Moment ist wie ein Hammerschlag gegen meinen Schädel.
Da vorne! Der Tunnel endet im Übergang zu einem metallenen Steg mitsamt
einfachem Seitengeländer. Im weißlich-blauen Licht des Telefons wirkt das
Geländer als ob es einem seltsamen blauen Schein unterliegt. Kaum heraus zieht
der Lärm nochmal an. Ich werd hier taub, wenn ich zu lange herum laufe.
Ohrenbetäubender Lärm aus allen Richtungen. Soweit das Licht überhaupt etwas
andeutet und ausgehend von den Dutzenden und Aber dutzenden kleinen Lämpchen
und Lichtern die in der gesamten Umgebung leuchten, müssen hier diverse
Maschinenabschnitte stehen, welche dafür sorgen, dass eine Maschinerie in Gang
gehalten wird. Aber zu welchem Zweck, ist mir schleierhaft. Lege meine Hände an
die Seite des Kopfes, damit ich nicht durchgehend dem infernalischen Tönen
ausgesetzt bin. Es ist etwas besser, aber nicht wirklich viel.
Ein paar weitere Schritte tiefer hinein in diese Fertigungshalle kann ich
sehen, dass es links von mir über eine Treppe nach oben zu gehen scheint,
während rechterhand eine andere Treppe wiederum nach unten führt. Ausgehend
davon, dass ich mich momentan anscheinend in einem Untergrund-Bereich einer
Industrieanlage befinde, verstehe ich nicht so recht, was Fouquier hier zu
verstecken hofft? Oder ist er gar selber hier? Ist dies so eine Art von
Unterschlupf für ihn oder in Wirklichkeit Teil dessen, was er als Besitz
zusammen mit dem Anwesen hat?
Hmm. Jetzt wo ich so drüber nachdenke, wird mir erst recht bewusst, wie
wenig ich über den Mann eigentlich weiß. Ich werde mehr herausfinden müssen.
Der Griff um die Pistole wird etwas enger, aber ich bin mir nicht so sicher, ob
das Gefühl von Sicherheit, das sie mir gibt, auf Dauer so sinnvoll ist,
besonders wenn ich daran denke, welche Erfahrung ich bisher damit gemacht habe.
Gut, das eine Mal wo sie gegen mich eingesetzt wurde, war jetzt hoffentlich mehr
eine Ausnahme.
Ich drehe mich nach rechts zur Treppe welche hinunter führt. Sachte, Schritt
für Schritt, Meter für Meter, als ich bemerke, wie ich auf etwas leicht
glitschiges trete. Mein Fuß schliddert nach vorne, mein Gleichgewicht ist
dahin, ich reiße die Hände von den Ohren auf der Suche nach etwas das ich greif
kann, nur um zu bemerken, wie ich mit Telefon in der einen Hand und der Pistole
in der anderen nichts ergreifen kann ohne eines von beiden in der Dunkelheit
aufzugeben. Mit einem unsanften Stoß lande ich auf meinem Rücken, der sich
unangenehm gegen die stählerne Treppe wehrt und rutsche gleichzeitig aufgrund
diverser weiteren anscheinend nassen Stellen tiefer. Geistesgegenwärtig
haue ich für die Pistole die Sicherheit rein und reiße mir die Hände vor das
Gesicht, als ich bemerke wie ich hinab rutsche und einem Ball gleich die Treppe
hinabstürze.
Es dauert nur einen kurzen Moment, bis ich mit Gewalt gegen eine Wand
aufkomme. Immerhin scheint sich für mich eine gewisse Gewöhnung einzustellen,
denn meine Gelenke sind eher taub denn schmerzend, während mein Bauch sich
irgendwie anfühlt, als würde jemand eine Stricknadel mit aller Gewalt
hineinbohren wollen und hätte gerade das Rückgrat erreicht.
Nur langsam komme ich hoch. Super. Dem Mobiltelefon hat es das Display
zerrissen. In einer seltsamen Ansammlung von kleinen Fäden und Rissen zieht
sich ein Bruchmuster über den Bildschirm und es ist absurd zu glauben, dass man
auf dem Display noch irgendwas erkennen kann. Immerhin, in der anderen halte ich
noch die, inzwischen gesicherte, Pistole. An der Wand abstützend, muss ich mich
hochraffen. Habe irgendwas im Mund, was mit einem kurzen Auswurf an der Wand
landet. Großartig. Rötlicher Auswurf.
Konzentrieren wir uns auf andere Dinge, denn es ist ja nicht so, als ob die
Hintergrund-Tonkulisse mir ja auch sonst schon nicht das Trommelfell zerreißt.
An der Wand entlang sehe ich einige Meter entfernt, die Wand scheint ein fast
reiner Betonguss zu sein, eine dicke Metalltür, wie ich sie sonst von einem Hochofen
vermuten würde. Ein Sichtfenster ist drin. Es klemmt. Mit etwas Druck erneut
versuchen. Und ZIEHEN!
HAU.
RUCK!
HAU.
RUCK!
Mit krachendem Gescheppere, was schon im Industrielärm untergeht, knallt der
Sichtschutz zur Seite und gibt den Blick auf das Innere frei.
Ich wünschte mir in diesem Moment, ich hätte nicht hineingesehen.
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