20140507

Fall 1 - XXXIII

Durch das Sichtfenster hindurch kann ich ein eine kleine Halle schauen. Die Halle, von innen ähnlich einer rostige Lagerhalle, an diversen Stellen mit rostig-bräunlichen Pfützen versehen, wird hauptsächlich von Käfigen dominiert, in denen an Ketten junge Frauen hängen, die Ketten über ihren Köpfen an der Decke befestigt, so dass sie an den Armen zerrend durchgehend im Hängen sind.

Es ist ein grausamer Anblick. Ich kann auf Anhieb knapp zwei Dutzend Personen zählen und es sind vermutlich noch mehr da drin. Sie sehen abgemagert aus, die allermeisten tragen Kleidung, die ihnen am Körper klebt und soweit ich es erkennen kann, sind nicht wenige von ihnen auch fast nackt und scheinen irgendwelche Verletzungen davongetragen zu haben, so ich das Rot auf dem Körper deuten kann.

Entführungsopfer? Produkte eines Menschenhändler-Ringes? Teile des Prostitutionsnetzwerkes? Energisch drehe ich am großen Rad, das auf meiner Seite scheinbar den Schließmechanismus darstellt. Es bewegt sich keinen Zentimeter. Warum nicht? Muss es weiter versuchen. Lege die Pistole beiseite, das leuchtende Telefon zwischen die Zähne geklemmt. Die Hände mit festem Griff, soweit es mir überhaupt möglich ist, an das Rad gelegt und versuche es zu bewegen. Mit aller Kraft.

Ohne Erfolg.

Es bewegt sich nicht. FUCK! Vor Frust trete ich gegen die Tür. Das war unklug, denn die Tür ist deutlich massiver und härter als ich es bin, was dazu führt, dass mein Fuß schmerzt. Muss mich beruhigen. Tief einatmen. Langsam Luftholen. Einatmen. Ausatmen. Fuß tut immer noch weh. Scheiß Meditationsübungen helfen aber auch nie.

Pistole wieder in der Hand, Telefon sitzt jetzt in der oberen Manteltasche und zeigt Größenteils raus. Auffällig, dass die Lagerhalle durch den Sichtschutz heraus strahlt. Lange Reihen von Neonröhren müssen da drinnen leise vor sich in summen und die dort Gefangenen in den Wahnsinn treiben mit ihrer Existenz, wenn sie schon solange gefangen sind, wie ihr Aussehen vermuten lässt. Warum zum Henker kriege ich die Tür nicht auf?

Die Maschinen sind ruhig. Mit einem Mal, von einem Moment auf den nächsten. Totenstille. Die Halle gleicht einer seltsamen Lightshow von stationären Punkten inmitten einer dunklen See. Und es ist fast so ruhig, dass ich eine Nadel fallen hören könnte. Nur momentan nicht, denn momentan kann ich meinen Herzschlag hören. Ungünstig, schließlich werde ich  immer noch vom Licht aus der Sichtluke beleuchtet, die sich oberhalb der Tür befindet und die ich mit solcher Gewalt geöffnet habe. Jemand oder etwas muss sich meiner Anwesenheit bewusst sein. Fouquier? Oder einer seiner Partner? Hat Fouquier Partner? Wenn ich solche Dinge bloß im Voraus wüsste?!

Mit einem lauten Surren erhellt sich der gesamte Bereich. Riesige Leuchtstrahler illuminieren die gesamte Umgebung. Es ist im ersten Moment so strahlend hell, dass es mir in den Augen brennt. Für einige Augenblicke kann ich nur helles Weiß sehen, wie ein Blick in die Sonne, der sich in die Netzhaut einbrennt.

Es dauert einen Moment, ehe ich überhaupt wieder ansatzweise klare Sicht vor mir habe. Ein paar mal mit den Augen zwinkern und allmählich kehrt das Weiß aus den Augen heraus. Endlich kann Ich die Form der Umgebung überhaupt richtig erfassen. Es wirkte nicht nur von der Geräuschkulisse wie eine Fertigungshalle, denn gigantische Maschinen, Rohre und seltsame Tanks mit Warnsymbolen an den Seiten deuten an, dass hier etwas durchgeschleust und bearbeitet wird. Industrielle Flüssigkeiten? Mein Blick wandert umher, danach Ausschau haltend, wo der Lichtschalter gewesen sein könnte, und noch viel wichtiger, wer ihn betätigt hat. 

Das ungefähre Layout wird auch deutlich. Knapp 10 Meter über mir kann ich das Steg sehen, auf dem ich durch den Rohr-Korridor in die Halle gekommen bin, und die Halle ist noch deutlich höher angelegt, auf der anderen Seite der Treppe, die ich herunter gekommen bin, geht es aufwärts zu einem an der Wand grenzenden Laufsteg das zu einer einsamen Tür führt, die ungefähr auf der halben Raumhöhe hängt und nur über das Steg und die Treppe erreichbar ist. Es ist auch von dort, dass ich eine Gestalt erblicken kann, die sich daran macht, die Treppen hinunter zu kommen, genau auf den Boden, auf dem ich mich gerade befinde, wenngleich etwas versteckt neben ein paar größeren Röhren.

Immerhin kann ich hier nirgendswo Schalter oder ähnliches erblicken und erst Recht keine Überwachungskameras. Das hätte vermutlich meinem Ausflug ein schnelles Ende bereitet. Die Gestalt, die die Treppe hinunter kommt, ist ein älterer Herr, kaum noch vorhandenes schloh-weißes Haar, das sich Kranz-gleich um den mit Altersflecken übersäten Kopf legt, welcher an einem dürren Hals und zu einem noch dürreren Körper gehört, ummantelt von einem typischen weißen Kittel wie man ihn aus Film und Fernsehen sofort als für Wissenschaftler und Mediziner identifizieren würde.

Er ist alt. Schon auf halber Wegstrecke bleibt er stehen, blickt sich um, verschnauft. Noch auf dem Weg die untere Treppe entlang auf meine Höhenstufe kann ich das Keuchen vernehmen, das ihm entkommt mit jedem Schritt, den er unternimmt. Es dauert eine gute Weile, bis er endlich angekommen ist. Sollte ich mich jetzt mit Waffe in der Hand zu erkennen geben? 

Nein. Lieber abwarten, im besten Falle kann er mir die Tür zur Lagerhalle öffnen. Wobei ich mich frage, wie er das anstellen soll, mit solch dürren Armen, wie er sie zu haben scheint. Das wiederum deutet mir an, dass es einen alternativen Öffnungsmechanismus geben muss. Oder ist er nur hier, um das ganze zu überwachen? Er hat den Boden erreicht und schlurft mit einer mich zum Wahnsinn treibenden Geschwindigkeit irgendwann auch die große Verbindungstür. 

Nanu, er stellt sich neben die Tür und tastet die Seitenwand ab. Was könnte er ...mehrfach mit dem Finger getastet hat er eine als Wand bezeichnende Außenplatte abgenommen.

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