20170512

GoG - Was Machen Wir Hier Überhaupt?! - Part Deux

Im ersten Teil des Textes habe ich die Frage aufgeworfen, in welchem Zusammenhang die typischen Aktivitäten und angenommenen Spielerziele im Rollenspiel in der Tradition von DnD und Konsorten überhaupt stehen, wenn man sich die Quellen anguckt, aus denen sie kommen. Im heutigen Teil gucken wir uns deswegen einmal das Quellenmaterial und Nachforschungsergebnisse an...

Zunächst aber noch einmal eine grundlegende Wiederholung der Hauptthese:
Das was im modernen Rollenspiel alá DnD die Raison D´etre ist, das Dungeon-Crawling in allen Facetten, ist nicht anhand der Vorlage erkennbar und stellt die Frage nach dem Warum? 

In Designer & Dragons 70s wird beschrieben, dass wir den Blick zunächst auf 1973 richten müssen. Eine Zeit, in der es Rollenspiel, wie wir es heute kennen, noch gar nicht existierte. Wir befinden uns also in Pre-Rollenspiel-Zeiten, auch bekannt als "DiscoTime", was ganz schön weit entfernt von der aktuellen Post-Modernistischen Storygame-Schweinerei ist, die wir im momentanen "DubStepAge" erleben.

Sowohl Arneson als auch Gygax kommen ursprünglich aus dem Wargaming, also Kriegsspiele wie wir sie heutzutage noch mit Brettspielen und den sogenannten Tabletops, Konfliktsimulationen mit Papp- oder Plastikfiguren, erstere werden heutzutage durch oft hochspezialisierte und eingeengte Brettspiele präsentiert, die sogenannten Monster- oder Hex-Games, letztere sind in Dutzenden Formen immer noch auffindbar, von ANIMA über Games-Workshop-Produkte hin zu FLAMES OF WAR und ähnlichen. Wir sehen also eine Herkunft für Regeln und Konflikt-Inhalte, aber der logische Unterbau, der Gedankliche Funke fehlt noch.

Designers&Dragons beschreibt dabei, dass die ursprüngliche Idee aus den Konzepten des Medieval Wargaming im Verbund mit Jeff Perren war, der die ersten "Geneva Medieval Miniatures"-Regeln aufstellte und gleichzeitig den geistigen Hintergrund, einen quasi-mittelalterlichen Hintergrund darstellt. Damit haben wir erste Aspekte davon, was später die Idee des Settings würde, aber noch immer keine echten Hintergrund-Inhalte.

Das kommt erst mit der Idee von Blackmoor. Blackmoor war das erste offiziele echte "Setting", das DnD bekommen würde, eine implizit quasi-mittelalterliche Welt, in der nur die Aspekte benannt sind, welche für das Bespielen explizit notwendig sind, ausgedacht von Dave Arneson im Rahmen der Medieval Wargames Campaign, was sich später zu Chainmail entwickeln würde.

Die Tatsache, dass Mitspieler in Black Moor nicht so sehr die Rolle von Armeen, sondern oft einzelner Modelle annehmen würden (Hier finden sich auch die Anspielungen auf das, was später das sogenannte Skirmish-Tabletop werden würde), finden sich die ersten Komponenten die später zum Rollenspiel führen werden, gleichwohl ist aber die Beschreibung des Hintergrunds weiterhin dürftig.

Gleichwohl gibt uns Designers & Dragons 70s auf Seite 10 eine faszinierendes Zitat. Arneson, aus dem Kobold Quarterly #9 (Sommer 2009) beschreibt dabei wie folgt:
"Shortly, Castle Blackmoor was too small for the scale I wanted. But it was a neat kit and I didn´t want to abandon it, so the only way to go was down."
"Kurz gesagt, Schloss Blackmoor war zu klein für die Größe, die ich wollte. Aber es war ein schmucker Baukasten und ich wollte es nicht einfach aufgeben, also war der einzige Weg nach Unten zu gehen."
Hier beschreibt sich in einem Zitat eine Raison D´Etre die faszinierender kaum sein könnte. Die Idee, das sich eine gesamte ideelle Spielkultur aus der Tatsache entwickelt hat, weil Arneson sein rudimentäres Setting nicht zu den Seiten ausbauen wollte, und somit den ersten Proto-Rollenspiel-Dungeon bastelte. Die Essenz desselben lässt sich wohl heute noch in The Dungeons of Pasha Cada finden, mehr dazu unter dem Link (Mit Bildern!).

Da sich Arneson bereits ´71 mit Blackmoor in die Tiefe wagte, und dies dann ´72 in der Begegnung mit Gygax zur Schöpfung von DnD führen sollte, haben wir den Initial-Impetus. Nicht aus der Idee der Vorgänger, oder der literarischen Ideale kommt der Dungeon, sondern aus der Tatsache, das Dave Arneson nicht so sehr die Welt drumherum, als den begrenzten Rahmen seines Settings beibehalten wollte. Das allein erklärt aber noch nicht, woher die logische Motivation für den typischen DnD-Plot kommt, ist aber ein guter Hinweis.

Playing At the World (Was übrigens auch ein ausgezeichneter Blog ist, neben der Tatsache), beschreibt wiederum den Ansatz des Rollenspiels in seiner Entwicklung aus dem Wargaming, und zeichnet heraus, wie die Konflikt-orientierte Natur letztlich der Hauptgrund für die starke Kampf-Natur ist, welche sich in DnD ausbilden würde, etwas das auch oben schon angedeutet wurde in Designers & Dragons.

Dies ist aber auch insofern interessant, da diese Art von Konflikt-Simulationen oder Wargames oft unter freiem Himmel, sich fernab aller anderen Ideen immer um den einzelnen Kampf drehten, unter freiem Himmel, über unzählige Meilen von Land. Hier kommt bereits die Idee des Overland-Travel, aus dem Wargaming selber kommt ja schon die Hexfeld-Karte. 

Interessant wird es hier Anfang ´71, als Chainmail in der ersten Auflage unter Gygax und Perren erscheint (PatW s.73), und dabei als Supplement anpreist, dass es erlaubt, fantastische Abenteuer ale Tolkien, Howard und anderen zu simulieren. Das ist bizarr schon aufgrund mehrerer Hintergründe, da Fantasy alá Morcoock und Tolkien so ziemlich weit entfernt sind von dem, was mittelalterliche Kriegsführung hergibt, was aber durchaus dem mangelnden Hintergrundwissen angesichts einer neuen Art von Materie geschuldet sein mag (Man darf nicht vergessen, das viele Konzepte die wir heute als gegeben oder bekannt voraussetzen, unabhängig von in Fantasy oder im historischen Bereich, damals noch neu oder im Entwicklungsstadium waren)

Gleichwohl gibt es hier aber eine faszinierende Erklärung für die Herleitung der fantastischen Inhalte. Da Tolkiens Werk seit Mitte der 60er erst wirklich Erfolg auf den amerikanischen Markt feierte, ergab sich hier ein Revival fantastischer Autoren, darunter eben auch Anderson und Howard, was wiederum zur Inklusion der Fantasy-Regeln führte, und dem Moorcock-typischen Gesinnungssystem alá Law/Chaos/Neutrality (Was bei Moorcock eigentlich "Balance" wäre, aber naja...). Interessant ist hier aber, dass obwohl damit geworben wird, dass es Inhalte zum Nachspielen im Fantasy-Bereich gibt, wir hier keinerlei "Motivationsbegründung" sehen. 

Das Nachspielen ist hier Selbstzweck. Man kämpft gegeneinander, weil es IMMER zwei Seiten gibt, wie das Quellenmaterial auch darstellt. Dies ist interessant, weil es der Konzeption DnDs von WIR gegen ALLE bzw. Spieler vs Spielleiter nahekommt, und fast schon Hobbes-gleich einen Krieg Aller gegen Aller propagiert in dem man um begrenzt vorhandene Ressourcen kämpft, weil es für die Welt normal ist. Es herrscht immer Krieg, und wir nehmen alle dran teil. Aber um vom philosophischen wegzukommen...

Interessanter sind hier zwei Punkte welche sich aus der Kombination von napoleonischem Wargaming und frühem Blackmoor ergeben. Zum einen die Tatsache, dass Personen-Progression schnell, hart und relativ inkonsequent durchgeführt wurde, etwas, mit dem typischen Plotstrukturen auch heute noch Probleme haben, und schon damals unter den Teppich gekehrt wurden. Der andere Punkt ist, dass dabei die Verteidigung von Blackoor gegen eine Invasion der sogenannten "Egg of Coot" durchgeführt wurde, wadurch ein Spieler dabei sogar einen Adelstitel als Baron von Blackmoor Castle wurde. 

Was hier deutlich wird, ist, dass Spiel und Art des Spiels dabei sehr deutlich frühe Erwartungen steuert, da wir dieses Element in DnD später wiederfinden werden mit den sogenannten Name Levels, in welchen die Spieler erwartungsgemäß anfangen, Domänen aufzubauen, und mit diesen dann die Lande zu beeinflussen, einen Übergang ins klassische Wargaming sozusagen. Das wiederum ging verloren, da es heutzutage durch den verlorenen Wurzelpunkt als Motivation nicht mehr das ist, was die meisten Interessenten steuert im Rollenspiel, aber es ist bemerkenswert, wie stark die Wurzel Wargaming hier Motivation und Zielgebung steuerte.

Vorläufig
Wie genau sich diese ursprüngliche DnD-Variante ans Hobby macht, welchen Effekt der Hintergrund aus Chainmail hatte, und wie das ganze zusammen kam, um ein ganz neues Genre zu erschaffen, und wie man das als Amateur-Designer nutzen kann, um selbst vorwärts zu kommen, schauen wir uns im nächsten Artikel an.

Anmerkung
Ein Kommentar zum letzten Artikel beschreibt, dass im Quellenmaterial, namentlich der Conan-Geschichte "Der Turm des Elefanten", Conan schon 1932 in Howards Geschichte mit einem dazugestoßenen Kumpanen die typischem Elemente eines Dungeons, wenngleich in einem Oberflächen-Turm, untersuchte. Das ist korrekt, aber eine Ausnahme unter vielen. Auch hier ist ersichtlich, Conan, der in der Geschichte noch ein eher unger Hüpfer ist, und die Beschreibungen der Stadt drumherum, machen deutlich dass hinter der Geschichte, mit ein paar Cthuluesken Anleihen sogar noch deutlich mehr steckt, als auf den ersten Blick deutlich wird. Zwar sind durchaus Proto-Dungeon-Züge erkennbar, allerdings würde ich diese weniger auf der Schiene, als vielmehr auf der Abenteuerbuch-Idee im Sinne von "Das muss da rein, hatte Sindbar auch auf seinen Abenteuern als Widerspieler" zu verstehen. Also eine Ausnahme, die die Regel bestätigt, denn auch diese Geschichte lässt schon ein sehr anderes Bild von Rollenspiel zu, als das, was wir letztlich bekamen.

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