Wie um meine Worte zu akzentuieren, donnert es im
Hintergrund. Ein bedrohliches Donnern, das für einen kurzen Moment jedwede
Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das Kinder schreien und Alte zusammen zucken
lässt, während die Beleuchtung des Geschäfts einige Sekunden lang flackert. Der
Moment vergeht ebenso schnell wie er begann, und sie schaut mich an, räuspert
sich kurz.
Verkäuferin
- Wie meinen? Wir haben eine breite Auswahl an verschiedensten Kostümen
jedweder Sparte. Für was für einen Anlass suchen sie denn was?
Zeichner - Ich habe später…heute, also eigentlich
bald …ähh…eine Kostümparty zu der ich möchte?
Die Augenbraue geht nach oben. Sie wirkt nicht
überzeugt. Wer hätte es erwartet. Wie sollte sie auch, angesichts einer solchen
Aussage. Kann es natürlich nicht zeigen, würde mich aber am liebsten selber
hier schelten. Ernsthaft Zeichner, wie kann man sowas beknacktes sagen?!
Verkäuferin - Ich kann…ihnen ein paar Exemplare
raus legen. Haben sie bestimmte Vorlieben? Was ist ihre Größe?
Noch während sie redet, steht sie auf und
umrundet den kleinen Tisch mitsamt Kasse, flitzt an mir vorbei, und fängt an in
einigen der verschieden Aufhängungen rumzukramen, ehe sie ein paar hochgradig
verschieden aussehende und wirkende Einzelelemente von Verkleidungen heraus holt
und mir auf einem Schaukasten an der Seite beginnt aufzulegen.
Verkäuferin – Unabhängig davon haben wir ein Kostüm
unter diesen, das ihnen sicherlich zusagen werden. Das hier wäre etwas wie es der klassische Bond, im
Stil der 60er, also Roger Moore, getragen hätte, während wir auch eine
entsprechende Uniform für den Gentleman von Welt hätten…
Sie redet und redet und redet und ich habe schon
nach kurzem bemerkt, das die verschiedenen Details für mich nicht nur
vollkommen unwichtig sondern auch absolut nutzlos sind. Eine Sammlung von
verschiedenen Jacken, Jacketts, Uniformjacken, eine veritable Fundgrube an
seltenen, absonderlichen und hochgradig bizarren Komplett-Kleidungsstücken.
Das Telefon klingelt. Sie hält inne. Schaut zu
mir, noch ein paar seltsam geformte „Verkleidungen“ auf dem Arm, die andere
Hälfte bereits teilweise wie zur Schau ausgelegt auf dem Schaukasten, während
sie sich nicht so recht zu entscheiden weiß, ob sie jetzt zum Telefon hechten
soll, oder erst die Sachen ablegen, die sie noch bei sich trägt.
Verkäuferin – Einen Augenblick
bitte, ich bin sofort wieder da.
Im Hintergrund klingelt das Telefon weiterhin.
Unablässig und beständig.
Zeichner – Ok.
Es muss leicht verschmitzt aussehen, wie ich
jetzt grinse, während sie sich wegdreht und , die verschiedenen Kleidungsstücke
immer noch auf dem Arm, Richtung Telefon am Tresen eilt und den Hörer abhebt.
Die Vorstellung ihrer Person dauert keine paar Sekunden, als ob sie einen
vorbereiteten Text runter rattert.
Es ist ein ausgezeichneter Moment, dass ich mich
kurz umschaue, vielleicht auch in der Hoffnung, ein paar andere Kleidungsstücke
zu finden, die man sinnvoll tragen kann. Die vielfachen Reihen von
Kleidungsstücken, ob an Haken, oder Garderobe-Ständern versprechen eine
reichhaltige Auswahl aller Arten von Kleidungsstücken. Meine Schritte führen
mich entlang einer Reihe in den hinteren Bereich, mit den Umkleide-Kabinen.
Die Auswahl ist größer als man auf den ersten
Blick denken würde. Gerade hier, im hinteren Bereich kommen nun Masken zum
Vorschein, einfache Verkleidungsutensilien, falsche Bärte und verschiedene
Hüte, Monster-Masken und Superhelden-Kostüme, Capes und
Zorro-Attrappe-Schwerter.
Ein kurzer Blick über die Schulter. Sie ist immer
noch am telefonieren. Jetzt geht sie gerade in ein Hinterzimmer. Anscheinend
sind es entweder wichtigere Inhalte, oder bedeutende Dinge, die da diskutiert
werden müssten.
Es wäre eigentlich, geradezu augenscheinlich ein
günstiger Moment. Aber sollte ich wirklich jetzt….kurz entschlossenen Schritten
rüber zu den Kleidungsstücken, welche sie auf dem Schaukasten ausgebreitet hat,
das markierte Hemd mit der Rosenblüte am Revers, die Diner-Jacke, die
Anzug-Hose eines britischen Gentleman. Mein Blick fällt auf einen Trenchcoat
mit der Aufschrift WWI. Wie ein stummer Ruf.
Ein kurzer Griff in meine aktuellen Taschen. Ich
kann mich vermutlich nicht einmal ausweisen, kann ich kaum etwas da lassen, um
mich zu entschuldigen für das, was ich plane. Eigentlich schon
verabscheuungswürdig grausam, unter diesem Umständen. Nach und nach sammle ich
die genannten Kleidungsstücke auf, und eile schnellen Schrittes Richtung
Umkleidekabine.
Jetzt muss es ganz schnell gehen. In Windeseile
habe ich Hosen, Hemd und grundlegende Kleidung gewechselt, soweit ich kann. Die
Socken kann ich nicht austauschen, ebenso wenig die Unterkleidung, aber das ist
auch gar nicht so schlimm. Wie oft achtet da schon einer drauf. Ein kurzer
Blick in den Spiegel bestätigt meinen Verdacht. Adrett und Leger. Ein Mann von
Welt.
Die Sachen, die ich vorher an hatte? Zusammengelegt
auf dem Stuhl der Umkleidekabine. Ob es das besser macht? Ein Blick aus der
Kabine. Sie ist immer noch am telefonieren im Hinterzimmer. Ich drücke den
Vorhang beiseite, trete heraus, greife mir den britischen Weltkriegs-Trenchcoat
von der Stange. Er gleitet mühelos über.
Für die einen ist es ein Kostüm. Für die anderen,
eine Lebensweise.
Mit wenigen sanften, aber bestimmten Schritten,
stehe ich an der Tür, die Klinke zur Außenwelt, zum stürmischen Regen und
Hinterhof, der hinauf auf die Straßen führt, schon vor mir. Und doch kann ich
nicht einfach so gehen. Kann das Gefühl nicht abschütteln, dass es falsch wäre.
Ich marschiere zum Tresen, ein Blick über
denselben zeigt mir jede Menge erdenklicher und nutzloser Büro-Utensilien für
einen langweiligen Tag im Büro. Ich greife mir Stift und Zettel und notiere die
Anschrift meines Büros mitsamt dem Namen. Einer Entschuldigung. Einer kurzen
Danksagung. Platziere den Zettel auf der Kasse, klar in ihrem Sichtfeld, wenn
sie zurück kommt. Und eile zur Tür.
Mit einem harten, beherzten Griff, drücke ich die
Klinke hinunter. Schlage den Kragen des Trenchcoats hoch. Und trete in den
Regen hinaus.
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