20160710

Fall 1 - LII

Wie der schlechte Beat eines MTV-Musikvideos schlagen dicke Regentropfen neben mir auf dem Boden auf, während sich eine dünne Schicht von Wasser gebildet hat und anfängt, die Umgebung mehr und mehr zu ertränken.

Schon die nächsten Meter zur Seite, die gesamte Gasse entlang vom Eingang des „Hope´s End“ zeigen, dass ein kleiner Strom etabliert ist, und als ich die Straßen erreiche, bereits die Gullys anfangen, oder zu mindestens drohen, über zu quellen. Alles in allem nicht schlecht, treibt die Leute von den Straßen. Säubert.

Ein Blick zur Seite, während ich mich unter die Überdachung eines kleinen Straßenkiosk stelle und überlege, wie ich weiter von hier wegkomme. Ein Taxi wäre vermutlich sinnvoll. Das Straßenschild des Hope Drive am Straßenrand, an der Seite des dunkelroten Ziegelblocks, erinnert mich an irgendwas. Immer noch keine Kommunikationsmöglichkeiten. Es wäre vermutlich am einfachsten, statt umher zu irren in der Hoffnung, eine Transportmöglichkeit auf den Straßen zu finden, einfach eine zu rufen. Und mein Büro ist nur wenige Gehminuten von hier entfernt.

Durch den Regen. Ich hätte das TTCT-Taxi vorhin anhalten sollen. Mist. So gut es geht, laufe ich durch den Regen, während daumengroße Tropfen sich daran machen, ein Trommelfeuer auf meinem Rücken durchzuführen. Händler schließen derweil ihre Geschäfte, während immer wieder Autos einen ganzen Schwall von Regenwasser auf die Gehwege schicken, da die unausgebesserten Straßen immer wieder mit Löchern versehen schnell kleine Seen ansammeln.

Da vorne. Der Hudson Drive, dann zu meiner Linken über die St.Andrews Street. In einiger Entfernung kann ich, selbst durch den schweren Regen, Andersons hässliches NEON-Zeichen ausmachen, dass er vor einigen Jahren hat anbringen lassen. Noch immer ist das A anscheinend kaputt, aber in der aktuellen Situation kann es mir kaum ein Lächeln abringen, während ich durch den Regen hetze.

Keuchend, stöhnend, und mit einem mulmigen Gefühl in der Bauchgegend angekommen. Der Hauseingang des alt-ehrwürdigen Gebäudes, in dem mein Büro zu finden ist. Drücke die Tür beiseite und trete hinein…

Moment. Die Haustür ist nicht abgeschlossen. Die Briefkästen sind stellenweise eingedellt, manche haben keine Briefkasten-Tür mehr. Als ob jemand mit brutaler Kraft einfach gerissen hätte. Das mulmige Gefühl in der Magengegend will und will nicht weg gehen. Die Tür selbst ist nur eingehängt. Bei genauerem Blick auf das Türschloss kann ich sehen, dass der Schließmechanismus gebrochen ist.

Trete langsam, vorsichtig ins halbdunkle Treppenhaus. Donner. Blitz. Für einen Augenblick ist der gesamte Bereich taghell erleuchtet. Man sieht Zerstörung, Einschusslöcher, zerrissene oder zerstörte Geländer-Abschnitte an der Seite der Treppe. Die Brüche im Geländer sind nicht neu, aber selbst meinem Auge wird hier klar, dass es bei erster Beobachtung einen unnatürlichen Eindruck machen muss. Durch das nun offensichtlich eingerissene Fenster im Treppenhaus pfeift und heult der Regen herein.

Langsam die ersten Treppenstufen rauf, an den verschiedenen Ebenen vorbei, von Stockwerk zu Stockwerk. Erreiche mein Apartment. Hätte es mir denken sollen. Das Glas der Tür ist gesprungen, wie zerschmettert. Selbst der Türrahmen wirkt geknickt, und erlaubt den Blick ins Innere. Ein einzelner Splitter, an dem die Überreste eines aufgepinselten Z erkennbar werden, hängt noch an oberen Innenrahmen. Es fällt mir auf, weil ich den Blick nach drinnen gar nicht wagen will.

Der Schreibtisch ist von der von mir aus nun linken Position einmal um 180° gedreht worden und hat seinen Inhalt über den gesamten Raum verstreut. Die kleine Vengardt-Zigarren-Schachtel, welche ich dereinst gerettet hatte, liegt aufgerissen und in Stücke verteilt über den gesamten Fußboden verteilt, während jemand die Idee hatte, die Aktenschränke und den Kleidungsständer zur Rechten in Teilspäne zu verwandeln. Selbst der Computer, mit seinem altmodischen CRT-Monitor und Gehäuse steht mit offenem Gerippe, also Corpus, an der Seite. Etwas notdürftig sitzt ….Frau Schwarz auf ihrem Drehstuhl und starrt auf ihr Mobiltelefon, als ob jeden Augenblick der Weltuntergang verkündet werden würde. Die Durchgangstür in mein Büro ist geschlossen und überraschend intakt, aber mir schwant übles.

Schwarz hat mich noch nicht gesehen, oder, angesichts der Wetters, auch nicht gehört, oder ignoriert die Tatsache. Meine Hand greift wie von selbst Richtung Türgriff und dreht den Knauf und lässt dann überrascht los, als die Tür nach hinten zieht und im nächsten Moment aus dem Rahmen fällt. Mist. Im ersten Augenblick offensichtlich aufgeschreckt guckt Frau Zeichner in meine Richtung, nur um sich dann wieder zu beruhigen.

Erschreckenderweise wurde auch sie von den Ereignissen hier drin betroffen. Ihre Wange ist zur rechten Seite angeschwollen, die linke wird von einem blauen Auge geziert. Trotz alledem kann ich sehen, dass der Ausdruck mit dem sie mich anguckt, kein erfreuter ist. Über die nun eingefallene Tür betrete ich mein, nun etwas mehr lädiertes Büro.

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