20160725

Fall 1 - LIII

Selbst der eine Meter, den ich mit dem Schritt hinein mache, scheint auf Glas zu kratzen. Unter meinen Füßen knirscht es unangenehm und ich werde mit Schmerzen daran erinnert, wie aufgeregt ich war, als sie die Tür geliefert haben. War ja nicht von Anfang an hier so drin. Maßanfertigung. Mehrere Telefonate mit den Fachleuten.

Räuspere mich, beim Blick, höre das Gerüffel von Kleidung und Mobiliarresten, drehe mich dem Moment angemessen nach links, zu Schwarz.

Der Schmerzimpuls trifft mich volle Kanne, als der Druck einer zur Faust zusammengeballten Hand meine Wange und meinen Kopf trifft und beide radikal zur rechten drückt. Ich verliere die Balance, stolpere unsanft zur Seite, knalle schmerzhaft mit der rechten Schulter gegen die Überreste des Aktenschranks, während durch die Überraschung mein Bein anfängt halb wegzuknicken. Eine halbe Pirouette später blicke ich, mit angeschlagenem Schädel und einer sehr ungünstig Position an der Wand. Ich kann nicht sagen, ob in diesem Augenblick nicht mindestens zwei Frau Schwarz anwesend sind. Die Augen Tränen, der Kopf pocht, der Bauch klopft. Und verflucht, ich habe mir auf die Zunge gebissen….autsch.

Zeichner – Ech värmute ech habe halbe verhient…auuu…auuu…

Während ich noch schmerzhaft da liege und versuche meinen Körper langsam in die richtige Bahn zu drücken, damit das aufstehen angenehmer wird, schnaubt sie verächtlich und pustet ihre rechte Faust an.

Schwarz – Sie hätten noch einiges mehr verdient. Die Abwesenheit war mir ja egal, aber sie hätten mich ruhig warnen können.

Ich kann meinen Kopf gar nicht so schnell auf Touren bringen, wie sie zu reden beginnt, und langsam an der Wand anfange mich hoch zu drücken.

Zeichner – Au…Wallnen…au..walln wor wah ginau?

Selbst indem ich nicht hinblicke, kann ich den scharfen Blick spüren, der sich momentan in meinen Schädel bohren soll. Oh gott, wie kann die verfickte Wange so schmerzen…da ist etwas locker in meinem Mund. FUCK.

Schwarz – Soll ich anfangen zu beschreiben oder sind sie noch clever genug, sich selber ein Bild zu machen?

Jetzt kann ich sie voll im Auge behalten, in harter, fast schon angreifender Pose steht sie mitten im Raum, eine Hand immer noch auf mich zeigend, die andere macht alle paar Sekunden die Wandlung von zur-Faust-geballt und Greifarm durch.

Zeichner – Dasch häde ich gedahn!

Schwarz – Zu spät, Zeichner. Viel, viel zu spät.

Langsam weicht das Schmerzgefühl der Zunge wieder, vermutlich muss ich froh sein, dass sie noch dran ist, während der Spuckreflex langsam ansetzt, rotze ich, wie ein ungezogener Bengel, den Zahn mitsamt Blut und Speichel heraus. Es macht ein unwirkliches Geräusch wie es auf dem mit den Resten meiner Existenz übersäten Vorraums aufkommt.

Zeichner – Was sollte ich machen?

Ich nähere mich ihr, längst wieder in Schlagreichweite, aber selbst ihr muss klar sein, dass ich mir das nicht ein zweites Mal gefallen lassen würde.

Zeichner – Seitdem diese Sache angefangen hat bin ich zusammen geschlagen, überwältigt, gekratzt, angespuckt, beschossen und verfolgt worden. Ich bin mehrfach nur knapp mit dem Leben davon gekommen und sicher fürs Leben gezeichnet. Und es ist nicht so, als ob ich mir das ausgesucht hätte! Wann glauben sie hätte ich sie vorwarnen sollen? Während ich in den Pseudo-Katakomben eines verlassenen Industriegebiets irgendwo in der Wildnis von einem Irren mit seiner Schrotflinte beharkt wurde? Oder als ich durch die Kloake der Stadt gewatet bin auf der Flucht vor Männern in schwarzen Anzügen? Oder doch eher in der Zeit als ich angeschossen dabei war, zwischen ein paar Müllsäcken elendig zu verrecken?! Was meinen sie, Frau Schwarz? HMMM!?

Im ersten Augenblick würde ich meinen, dass ihr eine gewisse Blässe hochkommt, während es im Hintergrund durch das Gewitter-Donnern ein kurzzeitiges, weißliches Erleuchten der gesamten Umgebung gibt. Dann kann ich erkennen, wie es Zornesröte sein muss, die ihr ins Gesicht geschrieben steht, alles verzerrt zu einer grimmigen Maske.

Schwarz – Weil sie meinten, Abenteurer spielen wäre wichtiger, wurde ich an einen Stuhl gefesselt und zusammen geschlagen! Wenn es nach Ihnen ginge müsste ich wohl noch dankbar sein, dass sie mich nicht vergewaltigt haben, oder wie?! Ein einziger Anruf, Zeichner, einen Moment um Bescheid zu sagen, dass ich vielleicht darauf achten sollte, wenn eine Gruppe von Skinheads hier rein marschiert, ist das denn zu viel verlangt!

Sie redet sich regelrecht in Rage.

Schwarz – Wenn Klaus-Peter nicht gewesen wäre, alarmiert durch den Lärm als die Skins den Laden hier auseinander genommen haben, wer weiß ob ich dann noch am Leben wäre!? Und sie spazieren hier seelenruhig durch und reißen auch noch die Tür mit ein. Sie sind eine wandelnde Katastrophe!

Moment

Zeichner – Skins? Weißhemd-tragende Glatzen mit mehr Muskeln als Afrika Hungernde und so einem kleinen, gewichtigen Typen als Sprachrohr ihrer kollektiven Intelligenz?

Schwarz - Sie wissen auch noch wen ich meine!? Und von sowas auch noch verraten…

Ich komme ihr langsam näher, lege eine Hand auf die Schulter, woraufhin sie mich zwischen den Fingern anguckt, als würden diese ihr einen Schild, einen gewissen Schutz verleihen. Man könnte meinen sie blickt das leibhaftige Böse an, wenn ich ihren Gesichtsdruck

Schwarz - Sie denken wieder, statt zu reden.

Äh…

Zeichner - Es tut mir leid. Wenn ich das wieder gut machen…was war das?

Ein schweres Knarzen vom Treppenabsatz. Etwas Schweres bewegt sich. Schnell. Sie schüttelt nur den Kopf, als ich mich langsam in Richtung Türrahmen drehe. Und im nächsten Moment von ca. 150 Kilo umgetacklet werde. Klausi schmeißt mich zu Boden und unter mir spüre ich Glassplitter und Holztrümmer am Mantel entlang reiben, während Schwarz im Hintergrund nur den Kopf schüttelt.

Ich kriege im ersten Augenblick nicht nur keine Luft, sie wird mir regelrecht aus dem Leib gepresst, während dieser Koloss von Babyspeck und Muskeln auf mir liegt und mich zu Boden drückt, sich wie ein Gorilla anfängt langsam zu erheben und ich das verzerrte Gesicht über mir sehen kann, schwer am Atmen, als sich die  große Faust hebt, jedes Äderchen hervorgetreten, während sein Blick, schier wirr, einzig und allein auf einen Fixpunkt knapp unterhalb meines Gesichts fixiert zu sein scheint. Ich kann nicht einmal richtig Luft holen, während jeder Versuch Luft zu holen durch den Pfundskerl über mir abgewürgt wird. Gleich ist es vorbei. Gott im Himmel…

Schwarz – Danke Klaus-Peter, das reicht.

Ich habe nicht mal bemerkt, wie sie an seiner Seite steht, sanft den Rücken streichelnd, und der kindliche Riese von mir ablässt und aufsteht. Der Schwall an Luft, der sich schmerzhaft durch meine Lungen drängt, ist eine willkommene, wenngleich altbekannte Erfahrung.

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